Kapitel 3

7 2 1
                                    

"Das klingt anstrengend!", Ich betrat das Haus. "2. Stock, rechts eine weiße Wohnungstür. Ich komme gleich nach!", Ethan schickte mich hoch, während er sich noch dem Briefkasten zu wand. Ich stiefelte die gewundene Treppe hoch, die wahrscheinlich aus dem Mitte des 19. Jahrhundert stammte; Heimatgefühle vielleicht. Ich lächelte. Uff, Altbauten hatten hohe Decken, was natürlich bedeutete, auch längere Treppen um von einem Stockwerk ins nächste zu kommen. Ich war etwas außer Puste, als ich vor der Wohnungstür ankam. Frisch lackiert; ich konnte noch die Lösungsmittel riechen. Ich ließ meine Gedanken treiben, während ich auf den Schlüsselhüter dieser Wohnung wartete. Aufgaben; für die nächsten Jahre... Bedeutete das, ich konnte mein Studium nicht beenden? Das die ganze Arbeit der letzten zwei Jahre umsonst waren?! "Nein, die Arbeit war nicht umsonst; und ja, du beendest dein Studium.", Ethan kam die Treppen hoch. "Entschuldige. Ich kann auch Gedanken lesen. Aber dein Gesichtsausdruck hatte eigentlich schon alles gesagt."

Ich wurde rot: "Alles? Ausnahmslos?", Das mit den hübschen Augen vorhin im Park musste er nun wirklich nicht wissen. "Keep cool; so sagt man das, oder?! Nein, nicht ausnahmslos. Ich muss mich extrem konzentrieren und es ist sehr Kräfte zehrend. Außerdem mache ich es nicht gern. Aber dein Gesichtsausdruck hat gerade dazu eingeladen, entschuldige!", Jetzt wurde Ethan rot. "Macht nichts, war nur schockiert, irritiert, nenne es wie du willst. Ich lächelte, froh ob der Tatsache, dass das mit dem Gedanken lesen scheinbar doch nicht so einfach ging wie es in manchen Teenie-Büchern beschrieben worden war. Er steckte den Schlüssel ins Türschloss und drehte es erst in die eine, dann in die andere Richtung. Als ich ihn etwas fragend ansah, meinte er nur: "Altes Haus , altes Schloss und das klemmt etwas.", Er zuckte mit den Schultern. Ich merkte, wie meine Neugier stieg. Wie sah es in einer Wohnung von einem eigentlich über 100jährigen aus, der auf Student im 21. Jahrhundert machte?! So, wie man sich eine Wohnung eines Studenten heute vorstellen würde, oder eher im Stil der 20er Jahre. Bei der Vorstellung des Stils der 20er Jahre musste ich unwillkürlich grinsen. Nein, bestimmt nicht. Sonst wäre der ganze 'elektronische Schnickschnack' nicht nötig gewesen, außer er hatte das wiederum nur für die Uni gemacht. Was ich nicht glaubte.

Also, lass dich überraschen, sagte ich zu mir selbst und trat durch die Tür. Ein heller Flur begrüßte mich. Links stand ein Schuhschrank; Ikea vermutete ich und musste lächeln; also Anpassung in vollster Form. "Na, was anderes erwartet?!", fragte Ethan mit einem leicht ironischen Unterton. "Hm, eigentlich nicht wirklich. Aber die Option, dass du deine Bude im Stil der 20er Jahre eingeräumt hast, war ja wohl da.", "An meinem allerersten Tag meines zweiten Lebens auf dieser Erde, war ich höllisch überfordert. Ich verkroch mich in einer alten Farm am Fluss  und versuchte erstmal klar zu kommen. Die Eindrücke, eine Reizüberflutung an Bildern und Geräuschen das war einfach zu viel. Weißt du, wir werden in der nächsten Welt an unserem Todesdatum wiedergeboren. Das heißt bei mir im September 1919. Kurz nachdem der 1. Weltkrieg vorbei war. Ich wurde aufgrund einer Krankheit nicht eingezogen und konnte damit meinem Stamm, meinem Volk keine Ehre machen. Das schaffte erst mein Sohn, der für die Amerikaner in den Krieg zog. Aber eigentlich ist unser Volk ein sehr friedfertiges Volk."; Ethan starrte ins Leere.

"Ethan, war,unser Volk war friedfertig. Ich bin nicht in der Lage gewesen, irgend etwas über dieses Volk heraus zu bekommen. Wie wurdest du zum Wanderer? Warum hat man dich auserwählt? Was für eine Funktion hast du in dieser Welt? Und warum ich? Was für eine Aufgabe habe ich, nein, du hast von Aufgaben gesprochen.. Was ist an mir so besonders? Habe ich auch Fähigkeiten, die ich noch erkennen muss? Und wann erzählst du mir endlich warum ich zu blöd bin, etwas über das Volk, zu dem wir gehören sollen, herauszufinden?", Inzwischen waren wir in der Küche angekommen: "Hast du Hunger? Ich habe noch ein paar Nudeln und nach dem meine Frau während der Geburt meiner einzigen Tochter starb, wurde ich auch ein ganz passabler Koch.", Er ging gar nicht auf meine Fragen ein. "Könntest du dich mal bitte meinen Fragen widmen? Die kreisen mir seitdem ich akzeptiert habe, dass wir verwandt sind, im Kopf herum!", frustriert bemerkte ich erst jetzt, dass er mir erzählt hatte, wie er seine Frau verloren hatte. "Entschuldige, das wusste ich nicht!", "Woher auch?! Über so etwas redet man nicht generationenübergreifend. Also, hast du Hunger?",

"Äh, ja, schon. Könnten wir trotzdem die Fragen klären? Bitte?",

Ethan drehte sich zum Herd um: "Können wir, müssen wir auch. Aber eins nach dem anderen, ok? Zuerst zu mir, in Ordnung?", Ich nickte erleichtert, denn ich hatte fast die Hoffnung aufgegeben, heute noch irgend etwas Brauchbares zu diesem Thema zu erfahren: "Ja, klar, alles auf einmal aufzunehmen wäre zu viel des Guten.", Ethan begann Zwiebeln zu zerkleinern. "Du hast gefragt, wie beziehungsweise warum ich zum Wanderer geworden bin. Nun, das wie ist relativ simpel zu erklären. Einer unsrer Urahnen hat mir seine Hand auf den Oberkörper gelegt. Dann hab ich einen höllischen Schmerz verspürt und fand mich ich dieser Welt wieder." Er öffnete eine der Türen und griff nach einem Topf. "Viel interessanter ist die Frage, warum. Erstmal etwas allgemeines zur Geschichte, oder wie ihr sagt, der Legende des Drachen. Hör einfach zu, ich werde später auf alle deine Fragen eingehen, soweit ich es kann. Es ist oder war bekannt, dass der Drache alle 500 Jahre einen Tribut forderte. Er ist derjenige, der für gute Ernten sorgte, Regen in der Regenzeit und genug Wild zum Jagen. Nachdem uns die Siedler im 17. Jahrhundert zur Sesshaftigkeit zwangen, geriet der Drache, unser Schutzpatron immer mehr in Vergessenheit. Er wurde zum Mythos, zur Legende mit der man nur noch kleinen Kindern Angst machen will. Wie du bemerkt hast, bist du in deiner Generation eine der wenigen, die diese Sage interessiert. Die verbissen versucht hat, Informationen über dieses Tier heraus zu bekommen. Ich habe als Wanderer die Pflicht, dir dabei zu helfen."

Inzwischen brutzelten die Zwiebeln und er öffnete einige Dosen Tomaten und drehte sich dann wieder zu mir um: "Isst du Fleisch? Ich habe noch Hackfleisch, dann könnte ich Bolognese machen.", Ich verzog das Gesicht: "Eher weniger. Aber wenn du möchtest, mach es gerne rein. Ich werd's überleben!", "Ach ja, die Jugend von heute,", lachte Ethan, "Bei uns wurde das gegessen, was auf den Tisch kam.",

"Aber ihr hattet auch nicht die Auswahl!", gab ich lachend zurück. "Das stimmt wohl.", Nachdem er das Fleisch hineingetan hatte, sah er mich wieder an. "Ich habe mir ausgesucht, ein Wanderer zu werden. Jeder wird zu seinem 21. Geburtstag in der nächsten Welt danach gefragt, ob man zum Wanderer werden möchte, Das wird man dann aber nur, wenn ein Familienmitglied sich für die Vergangenheit interessiert. Ob das jetzt Ahnenforschung, das Volk oder die Legende selbst, ist egal. Wenn man die Frage mit 'ja' beantwortet, altert man nicht mehr und bekommt quasi Geschichtsunterricht."

"Oh je, Geschichtsunterricht?! Das habe ich in der Schule so gehasst. Immer irgendwelche Daten auswendig lernen und eigentlich doch nichts lernen. Was interessiert mich Ludwig der XIV.?! Ich wollte etwas über die Ureinwohner lernen, die vor den Siedlern hier gelebt haben. Aber dazu gab es nie etwas. Das einzige in dieser Richtung war die Versklavung einiger Stämme..", Ethan seufzte auf: "Dazu gehörte unser Stamm auch. Aber eigentlich wollte ich dir das etwas schonender beibringen. Wenn du weißt, wo unser Volk ursprünglich herkommt, was das genaue Problem war, weshalb wir angefangen haben wieder zu wandern. Warum wir in die Zwingen der Siedler gelaufen sind. Und warum unsere Oberhäupter damals so naiv waren, zu tun, was ihnen gesagt wurde.", Er warf die Nudeln in das kochende Wasser und rührte schweigend die Soße um.

Mitte des 18. Jahrhunderts wurde beschlossen, dass alle indigenen Völker so zu sagen frei gelassen werden sollten. Im Endeffekt, hat man mehrere teilweise verfeindete Stämme in ein Reservat gesteckt. Meine Großeltern hatten von ihren Großeltern... ach ist ja egal. Ich sollte damit beginnen, wo unser Ursprung liegt. Sagen dir die 'Osterinseln' etwas?",

"Ja und nein. Denn in Geographie hatten wir hauptsächlich Festland, Kontinente an sich. Die Kanarischen Inseln hatten wir nie, oder Ozeanien.", "Ozeanien? Ach ja, nördlich von Australien bzw südlich von Japan irgendwo, richtig?! Ich hatte zwar auch die Geographie von heute, aber alles konnte ich beim besten Willen nicht aufnehmen." Ethan zog eine Grimasse. "Als 'Ozeanien' gelten diese Inselgruppen, ja. Aber was ist jetzt mit den Osterinseln? War das unser Volk, dass dort die Monumente aufgestellt hat? Oder kamen diese Steingesichter erst nach uns?", Jetzt war ich Feuer und Flamme. Diese Steinmonumente hatten mich schon immer neugierig gemacht und ich hatte nie etwas herausbekommen, was Hand und Fuß hatte. Das waren damals auch meine ersten Nachforschungen, was Geschichte anging. Ich hätte nie gedacht, dass das Thema was mich zur Geschichtsstudentin hat werden lassen, mich wieder dorthin zurück führen würde. "Ja, oder hm, jein. Denn diese Steinmonumente wurden von dem Volk erbaut, welches uns einst von der Insel vertrieb. Nachdem unser Volk das Inselreich längst verlassen hatte, erhofften sie sich so, dadurch mit Kraft ihrer Ahnen die Inselgruppe beherrschen  zu können. Denn nachdem auch unser Oberhaupt die Insel verließ, vertrocknete die Insel, denn der Drache reiste mit unseren König.




RhevengeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt