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Am 16. Juli hatte ich endlich frei.

Zum ersten mal seit drei Monaten würde ich weg fahren. Wie es in den Regel beschrieben war, fuhr ich ab und an Donnerstags und Samstags nach Hause oder in die Stadt, doch dieses mal würde ich meine freie Zeit bei Joy, meiner besten Freundin verbringen.

Joy zog wie bereits schon einmal erwähnt kurz vor mir, ebenfalls um, weshalb wir nun drei Stunden voneinander entfernt wohnten.

Ich freute mich sehr darauf, sie wieder zu sehen und zeigte ihr dies auch offensichtlich, als ich schließlich in der Lage war die schwarzhaarige in die Arme zu schließen.

„Sag schon Chanyeol, wie ist denn nun Arbeit? Du hast gar nichts erzählt".

Sie hatte recht. Seit ich angefangen hatte für Mr. Byun zu arbeiten, hatte ich nie über die Arbeit gesprochen, aber was hätte ich auch großartig erzählen sollen?

„Ich muss ganz komische Regeln beachten und der Verfasser der Regeln ist - halt dich fest - der Gärtner des Anwesens" - Nein danke! Das wollte ich wirklich nicht an die große Glocke hängen.

„Der Gärtner?"

Hä?! Hatte ich das eben laut gesagt? Um Gottes Willen nein!!

„Und von was für Regeln sprichst du? Gibt es einen Dresscode?"

Ich hätte es definitiv für besser empfunden, wenn Joy nichts über meinen kuriosen Arbeitsplatz erfahren hätte, aber da der Sack nun schonmal offen war, konnte ich die Katze auch raus lassen.

„Wenn es das nur wäre Joy...", fing ich an und erzählte ihr daraufhin von den 16 Regeln des Anwesens, von Mr. Byun und seinem puppenartigen Dasein, von Sehun der offensichtlich mehr als der Gärtner war und von Kyungsoo welcher mir am sympathischsten war, aber meine Erachtens für einen normalen Angestellten - wie ich es letztlich ja auch war - zu viel wusste. Schlussendlich erzählte ich ihr sogar, dass ich bereits die Hälfte der Regeln gebrochen hatte.

Seufzend beendete ich schließlich meine kleine Ansprache. „Ich sollte kündigen, oder?"

„Spinnst du? Auf gar keinen Fall! Das klingt so cool, ich sag dir was du machen solltest, du solltest-„, sogleich unterbrach ich sie.
„Cool? Was daran soll denn bitte cool sein? Das ist ein Irrenhaus da oben, ich weiß wirklich nicht was du daran so faszinierend findest!"
„Das fragst du noch Yeol? Das ganze schreit doch förmlich nach „Geheimnis"!"

Erschöpft ließ ich mich nach hinten auf Joys Bett fallen. Das hatte ich ja glatt vergessen..Joy war vernarrt in Detektivgeschichten, Krimis und alles was mit Geheimnissen zutun hatte.
Ich war sicher sie würde mich zu ihrem Versuchskaninchen machen und mich in die Höhle des Löwens schubsen. Bereit für den Befehl mich in den Selbstmord zu stürzen, setze ich mich wieder aufrecht und sah meine Freundin emotionslos an.
„Was soll ich deiner Meinung nach tun, Sherlock?"

Sie tippte mit ihrem Zeigefinger auf ihre flache Hand. „Regel 9: Gehen Sie nicht auf den Dachboden. Brich diese Regel! Sehun scheint mir nämlich nicht die hellste Kerze auf der Torte zu sein. Es ist doch ganz offensichtlich: Du sollst nicht auf den Dachboden, weil sie dort etwas verstecken. Geld oder eine Leiche oder eine Schatzkarte.

Mit von Angst getränkten Augen starrte ich sie an: „E-Eine Leiche?"

„Könnte doch sein..aber das würde man wahrscheinlich riechen. Jedenfalls war es ein Fehler von Sehun zu verraten, wo sich die Lösung des Geheimnisses verbirgt. Wenn du wissen willst, was auf diesem Anwesen abläuft, musst du auf den Dachboden!"
Erneut seufzte ich. Ich wollte doch eigentlich gar nicht unbedingt erfahren, was bei denen falsch lief...

........

„Und siehst du was?"
„Ich bin noch nicht da"
„Dann beeil dich mal!"
„Stress mich nicht so!"
„Was wenn dich jemand entdeckt?"
„Es ist Sonntag, soweit ich weiß betritt er den Dachboden nur Donnerstags und Samstag!"
„Trotzdem, sei vorsichtig!"
„Du wolltest doch unbedingt, das ich das durchziehe!"

Vorsichtig betrat ich die erste Stufe die hoch zum Dachboden führte, in der linken Hand hielt ich mein Handy und sprach mit Joy.
Sie hatte es tatsächlich geschafft mich zu überreden den Dachboden zu betreten und deshalb befand ich mich nun genau dort.

„Und?"
„Noch 2 Stufen"
„Mach schneller!"

Mit wackligen Beinen betrat ich schließlich den verstaubten Raum. Man sollte meinen das er weniger verstaubt sein müsste, da Mr. Byun 2 Mal wöchentlich her kam, aber ganz im Gegenteil.
Ich konnte mich glücklich schätzen nicht unter einer Stauballergie zu leiden.

Leise und bedacht machte ich einen Schritt nach dem anderen und sah mich in dem mittelmäßig beleuchteten Raum um.

Überall lagen Kisten auf dem Boden. Manche waren offen, viele jedoch mit Klebeband oder ähnlichem verschlossen. 

Hier und da standen auch veraltete Möbelstücke oder Teppiche.

„Und siehst du was?"

Schlagartig blieb ich stehen, meine Augen weiteten sich und ich versuchte krampfhaft die Luft anzuhalten.

„Fuck", murmelte ich, ehe ich das Telefonat mit Joy ohne weiteres beendete.

Wie angewurzelt stand ich mitten im Raum und starrte auf das zusammengekrümmte etwas vor mir.

Eine falsche Bewegung und ich war mir sicher, ich würde den Dachboden nicht lebend verlassen.

Etwa vier Meter vor mir saß Mr. Byun über einem Karton gebeugt und schien sich irgendwas anzusehen. Ich konnte nicht erkennen was, tippte aber auf Bilder oder kleinere Antiquitäten.

Nur ein Laut von mir würde ausreichen und er würde mich bemerken.

Aber wieso war er hier?
Es war Sonntag!

Mist, wieso hatte ich mich bloß von Joy überreden lassen!?

Ich stand wortwörtlich in der Höhle des Löwen und es war nur noch eine Frage der Zeit bis der Löwe mich entdecken würde.

Ich saß in der Falle.

„Was um alles in der Welt haben Sie hier zu suchen?!?

Ich schreckte auf, Panik durchfuhr meinen ganzen Körper und verweigerte mir jegliche Reaktion.
Wie angewurzelt stand ich da und sah zu Mr. Byun, von dem diese Worte offensichtlich nicht kamen, welcher mich nun jedoch ebenfalls entdeckte.

Für eine Millisekunde schien es mir, als hätte ich Schock in seinem Blick erkannt, doch sogleich änderte sich seine Mimik wieder in das unlesbare Buch, welches er sonst immer war.

Wie in Zeitlupe schaffte ich es mich umzudrehen und die Person hinter mir zu erkennen, welche mich soeben angesprochen hatte.

Oh Sehun stand vor mir und im Gegensatz zu Mr. Byun, sah er sichtlich verärgert aus.

„Sagen Sie mal Chanyeol, können Sie nicht lesen oder leiden sie unter Gedächtnislücken?! Der Dachboden ist für Sie Tabu!! Was denken Sie eigentlich wer Sie sind?! Sie machen nichts als-„

„Sehun!"

Der schwarzhaarige verstummte und er - sowohl als auch ich - wandten unsere Blicke zu dem blondhaarigen jungen Mann, welcher immer noch auf dem Boden saß, sich nun aber langsam erhob.

„Ich danke dir, dass du dich so darum bemühst, das die Regeln eingehalten werden, aber bitte lass mich das klären", emotionslos wie immer schritt er an uns vorbei und schließlich die Treppe runter, dort blieb er stehen und sah zu mir rauf. „Wenn Sie mich nun bitte begleiten würden, Park Chanyeol".

Verängstigt und überfordert sah ich zwischen Sehun und Mr. Byun hin und her, ehe ich mich dazu bewegte ihm zu folgen.

Wenn ich das hier überlebte, würde ich Joy umbringen, soviel stand fest!

Rule 16 ♘ ChanbaekWo Geschichten leben. Entdecke jetzt