"Schlampe", zischt er und holt aus. Seine flache Hand klatscht mit einer so gewaltigen Wucht gegen meine Wange, dass sofort Tränen in meine Augen schießen. "Was hast du gesagt, Dad?", flüstere ich mit gesenkten Kopf. Wage es nicht, ihm in die Augen zu schauen. "Bist du jetzt auch noch schwerhörig? Ich sagte, dass du eine ekelhafte, elendige, kleine Drecksschlampe bist!", brüllt er. Dann holt er wieder aus. Diesmal trifft sein Schlag meine Schläfe. Weiße Sternchen glitzern vor meinen Augen, während der Schmerz, wie ein wild gewordenes Tier, durch meinen Kopf rast. Stöhnend hebe ich eine Hand an meinen pochenden Schädel, doch er schlägt sie einfach weg und kommt mir gefährlich nahe. "Weißt du, warum ich dich so hasse?", flüstert Dad voller Abscheu. Er wickelt eine, meiner braunen Strähnen, beinahe grob um seinen Zeigefinger und starrt in meine angsterfüllten Augen. "Warum, Dad?" Er schubst mich ruckartig von sich, so dass ich mit dem Rücken gegen die Wand knalle. Ein stechender Schmerz schießt durch meinen Körper. Dann dreht er sich einfach um und geht. Die ersten Tränen rinnen aus meinen Augenwinkeln. Ich lasse mich mit dem Rücken an der Wand hinab gleiten und bette meinen Kopf auf den Knien. Seit Mom gestorben ist, ist das alles nur noch schlimmer geworden. Seine Schläge werden von Tag zu Tag härter, seine Beleidigungen schmerzhafter. Schlampe. Ekelhafte, elendige Drecksschlampe. Jedes einzelne Wort, ist wie ein Hammerschlag auf mein bereits geschundenes Herz. Ein leiser Schluchzer entfährt meiner Kehle und der Damm bricht. Die Tränen rollen in Strömen über mein Gesicht, bis ihrgendwann keine einzige mehr übrig ist.
Als das warme Wasser auf meine Haut prasselt, fühle ich mich augenblicklich besser. Meine Muskeln entspannen sich und ich schließe für einen kurzen Moment die Augen. Leider kann ich mir diesmal keine alzulange Dusche gönnen. Ich seife meinen Körper mit einem nach Erdbeeren duftenden Shampoo ein und steige dann bald auch schon wieder aus der Dusche. Ich kuschel mich in einen großen Bademantel ein und betracht mein Gesicht im Spiegel. Meine Wange ist von Dads Schlag noch immer leicht gerötet und meine Schläfe scheint langsam blau zu werden. Wie soll ich das nur wieder erklären? Ich möchte nicht, dass jemand von den Schlägen erfährt. Das Dad Probleme bekommt, kann ich nicht riskiere. Er ist doch der einzige, der mir noch bleibt. Meine Großeltern sind alle schon gestorben, als ich noch klein war und Tanten oder Onkel hatte ich nie. Ich liebe ihn doch so sehr und trotzdem hasse ich ihn mehr als alles andere auf der Welt. Ich hebe eine Hand und streiche leicht über den blau, roten Fleck. Ein leises zischen entfährt meinem Mund. Das werde ich auf keinen Fall überschminken können. Seufzend verlasse ich das Bad und flitze auf Zehenspitzen in mein Zimmer. Ich ziehe mein Mathe Buch aus der Schultasche und beginne schweigend meine Aufgaben.
"Everlee, schläfst du immer noch?", donnert die Stimme meines Dads durch dass Zimmer und reißt mich aus dem Schlaf. Ruckartig hebe ich meinen Kopf vom Schreibtisch, springe auf und zupfe mir ein lolses Blatt Papier von der Wange. "Mach dich fertig, du bist viel zu spät", zischt er. Dann ist er auch schon wieder weg. Ich gehe zu meinem Kleiderschrank und schnappe mir eine blaue Jeans und irgendein T-shirt. Dann gehe ich ins Bad. Während dem Zähneputzen betrachte ich mein Gesicht im Spiegel. Mom hat immer gesagt, ich würde aussehen wie kleine Elfe. Das stimmt zum Teil auch. Mein Gesicht ist spitz, süß und meine Nase ist übersäht von kleinen Sommersprossen. Seit neusten sind meine Ohren voller kleiner Stecker. An jedem nur erdenklich Ort ist ein Loch. Ich habe auch ein Septum, aber ich trage darin nur einen kleinen Stab, so dass mein Dad es nicht sieht. Er hasst die Piercings, aber sie sind nun mal da. Sie sind das einzig rebellische, was ich gegen ihn in ihrgeneiner Art und Weise unternehme. Ich kämme meine braunen Strubbelhaare und versuche sie einigermaßen zu einem Zopf zu bändigen. Jetzt, wo sie mir nicht mehr ins Gesicht hängen, fällt mir wieder der blaue Fleck auf. Er klafft dort wie ein Eindringling auf meiner Schläfe. Rot, lila, blau. Wenn man die Farben genauer betrachtet, könnten sie fast schön aussehen. So bunt schwimmen sie ineinander und bilden ein zufälliges Muster. Ich schüttele heftig den Kopf. Die Erinnerungen, die damit verbunden sind, machen dass alles wieder zu nichte. Schlampe. Ekelhafte, elendige, Drecksschlampe. Ich schließe kurz die Augen und vergesse für einen Moment meine Zeitnot. Es gab tatsächlich einmal Zeiten, da war er ein ganz normaler Vater. Ich kann mich noch daran erinnern, als ich etwa fünf oder sechs war. Dad und ich sind zu jedem freien Zeitpunkt zusammen draußen gewesen. Wir haben Ball gespielt, fangen, oft waren wir auch angeln, oder sind einfach so zum See gefahren. Mom war meist auch dabei und ich habe es so sehr geliebt. Wir waren die perfekte Famile. Doch die viele Arbeit und Moms Tod haben ihn verbittert lassen. Ich knabbere traurig an meiner Unterlippe, ziehe mich schnell an, packe meine Sachen und rase los, zum Bus.
Keuchend komme ich an der Haltestelle an. Ich stemme die Hände in die Hüften, während ich schmerzhaft versuche, dass Seitenstechen ein wenig in den Griff zu bekommen. Sport ist absolut nicht mein Ding. Wirklich, ich bin da echt eine Niete. "Alles Okay?", ein Typ mit wuscheligen, blonden Haar, stellt sich neben mich und runzelt besorgt die Stirn. Ich nicke schwer atment. "Alles gut" Er beäugt kritisch meine verletzte Schläfe, bevor sein Blick zurück zu meinen Augen wandert. Er grinst freundlich. "Ich bin Perry und mit wem hab ich es hier zu tun?" "Eve" Nur mein Vater nennt mich Everlee. Selbst die meisten Lehrer haben sich schon angewöhnt, mich Eve zu nennen. Mit Everlee verbinde ich nur Schmerzen. Schmerzen und Hass. Mom hat mich immer Ever oder ihr kleine Feenprinzessin genannt. Ich schlucke schwer und verbanne den Gedanken an sie aus einem Gehirn, dann findet mein Blick wieder zu Perry und ich lächle freundlich zurück. In dem Moment kommt ein roter Bus mit der Aufschrift 77 um die Ecke gefahren. Mein Bus. "Ich muss", seufze ich und hebe eine Hand zum Abschied. Noch einmal grinst er mich schief an, dann stürme ich in Richtung Bus.
Ich lasse mich auf einen Platz, relativ weit vorne sinken. Meine Haltestelle liegt ziemlich am Anfang der Strecke, deshalb habe ich so gut wie immer einen Sitzplatz. Ich fahre mir mit den Händen über die Augen. Erst jetzt fällt mir auf, wie müde ich noch bin. Ich lehne meinen Kopf an die kühle Fensterscheibe und schließe für einen kurzen Moment die Augen. Sofort drivte ich ab, in einen tiefen Schlaf
"Hey", irgendjemand rüttelt an meiner Schulter. "Musst du hier nicht raus? Also wir sind jetzt an der Schule." Langsam öffne ich die Augen und bin sofort wie eingefroren. Neben mir sitzt der, so ziemlich, attraktivste Junge, den ich je gesehen habe. Wie gebannt starre ich in seine Augen. Sie haben genau die Farbe von flüssigen Karamell, umrahmt von Schokoladenfarbenen Kringeln. Ich könnte in ihnen versinken. "Ähm", flüstere ich heiser. "Ja". Dann quetsche ich mich an ihm vorbei, in den Gang. Als die Türen sich langsam öffnet, bin ich die erste die aus dem Bus springt. Beinahe fluchtartig stürme ich ins Innere der Schule, bis ich vor meinem Kursraum ankomme. Schon wieder bin ich völlig außer Puste. Man, ist das ein Sport reicher morgen, heute.
Als es endlich klingelt, packe ich erleichtert meine Sachen zusammen. Der Unterricht war diesmal wirklich anspruchsvoll, außerdem habe ich noch einen Berg Hausaufgaben zu erledigen. Ich lasse den Rucksack auf meinen Rücken gleiten, verlasse das Schulgebäude und mache mich auf den Weg in die Stadtbibliothek. Dad hat heute frei, also werde ich mich erst so spät wie möglich ins Haus schleichen. Hoffentlich schläft er dann schon.
Leise seufzend steige ich die schwere Steintreppe vor der Bibliothek hinauf. In Vorfreude auf die vielen Bücher schließe ich meine Hände fester um die Träger und lächle leicht. Auf der letzten Stufe trete ich auf meinen geöffneten Schnürsenkel, verliere das Gleichgewicht und falle, wild mit den Armen rudernd, nach hinten. Ich kneife ängstlich die Augen zusammen, wappne mich innerlich schon gegen den Aufprall, doch der bleibt aus...
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You, Me and the little Life between us
Teen FictionEverlees Leben ist bei weitem nicht perfekt. Ganz im Gegenteil. Ihr Vater neigt zu Wutausbrüchen und schlägt sie deshalb regelmäßig. Ihre Mutter ist schon lange tot. Noch dazu kommt, dass Eve kaum Freunde hat. Sie ist meist nur das 'komische' Mädche...