Kapitel 2 - "Gefall ich dir?"

69 10 6
                                    

Große Hände schließen sich um meinen Körper und stoppen mich, kurz bevor mein Körper auf den harten Asphalt prallt. Atemlos versuchen ich, mit meinen Füßen wieder Halt auf den Stufen zu finden. Die Hände des Fremden weichen dabei keine Sekunde von meinem Hüften. Sie drücken mich in die richtige Position und halten mich fest. Als ich endlich wieder fest stehe, drehe ich mich um und mir stockt der Atem. Es sind wieder diese warmen, karamellbraunen Augen. Ich schlucke. Ich kann meinen Blick einfach nicht von diesen Augen lassen. Sie haben etwas so intensives, magisches, dass sie sich förmlich in meine brennen. Bei genauerem Hinsehen fallen mir kleine goldene Flecken rund um seine Pupillen auf. "Hhm", ein lautes Räuspern reißt mich aus meiner Starre und ich trete erschrocken einen Schritt zurück. Diesmal stolpere ich nicht. "Du also wieder", sagt der Typ und legt grinsend den Kopf schräg. Er fährt mit einer Hand durch sein rot-braune gelocktes Haar, bevor er diese locker in seine Jackentsche steckt. "Ähh", stotterte ich ertappt. "Ja" Ich höre den Typen leise lachen. "Kannst du eigentlich noch etwas anderes sagen, als 'Äh, Ja'?" Ich spüre, wie meine Wangen heiß werden. Bestimmt bin ich gleich so rot wie eine Tomate. "Ähm" "Ähm?", fragt er grinsend und zieht eine Zigarette aus seiner Hosentasche. Er führt sie zu seinen viel zu verführisch wirkenden Lippen und klemmt sie zwischen seine Zähne. "Kann ich auch eine haben?", frage ich mit piepsiger Stimme und senke meinen Blick. "Du siehst gar nicht aus, wie ein Rauchermädchen" Er lässt seine Augen langsam über mein Gesicht, meinen Körper fahren und hält mir dann schmunzelnd die offene Packung hin. Ich nehme eine raus und klemme sie, wie er zuvor, zwischen meine Lippen. Ich bin keine Raucherin, ich meine, ich brauche die Zigaretten nicht. Ich bin nicht abhängig. Es ist nur so, dass ich hin und wieder dieses kratzige Gefühl genieße, wenn der Rauch meine Lungen ganz und gar ausfüllt. Wenn ich den Rauch so tief einatme, dass ich das Gefühl habe, ich würde gleich platzen. Der Karamell-Augen Junge zündet, mit vorgehaltener Hand, seine Zigarette an, dann führt er das Feuerzeug zu meiner. Mit einem leisen 'ratsch' züngelt die Flamme aus dem kleinen Kasten und bringt die Spitze meiner Zigarette zum glimmen. Ich nehme einen tiefe Zug und lasse den Rauch dann in kleinen Wölkchen aus meinem Mund entweichen. Wie immer, wenn mich etwas nervös macht, fahre ich mit der anderen Hand an mein Ohr. Meine Finger greifen nach den kleinen Piercingkugeln, drehen sie und schieben sie hin und her. "Ich mag deine Ohringe", lächelt der Junge, dann wandert sein Blick zu meiner Schläfe. Er zieht die Brauen zusammen. "Was ist da passiert?" Er deutet mit dem Kopf auf die Verletzung. "Nichts wichtiges. Ich bin nur etwas schusselig.", antworte ich und lache gezwungen. Er blickt mich ungläubig an, belässt es aber dabei. "Mein Name ist Calvin. Wer bist du?" Calvin hält mir eine Hand hin und ich ergreife diese zögernd. Meine Hand sieht in seiner beinahe zierlich aus, so winzig. Wie die eines Zwergs. "Eve" Er nickt. Seine Mundwinkel heben sich. "Eve, ein hübscher Name" Er pustet einen kleinen Schwall Rauch an meinem Kopf vorbei. Die kleinen Wölkchen verflüchtigen sich in der Luft, bis sie kaum mehr sichtbar sind. Ich finde es faszinierend, wie schon so einfache Dinge, so unglaublich schön aussehen können. Ich nehme noch einen tiefen Zug von meiner, gerade mal halb aufgerauchten, Zigarette und werfe sie dann auf den Boden. Es ist wirklich Verschwendung, dennoch trete ich sie aus. "Danke", wispere ich. "Aber ich gehe dann jetzt rein" Ich werfe Calvin ein letztes Lächeln zu und staksen dann ins innere der Bibiliothek.

Drinnen atme ich erst einmal tief durch und genieße die angenehme Wärme, die meinen Körper umschließt. Verdammt, dieser Junge macht mich schon fertig, allein, wenn er nur mit mir redet oder mich gar ansieht. Ich lege meine Schultasche in die kleinen Ablageflächen neben dem Eingang. "Hallo Eve", flüstert mir die bereits ergraute Bibiliothekarin zu. "Guten Tag Mrs King", flüstere ich zurück. Sie lächelt mich liebevoll an, bevor sie sich wieder ihrer Arbeit zuwendet. Ich mag sie wirklich, sie kommt mir fast wie eine Oma vor. Ich streife durch die hohen Regalreihen, bis ich bei den Thrillern ankomme. Ich habe gestern erfahren, dass sie ein neues Buch meiner Lieblingsautorin da haben und tatsächlich. Am Ende der Reihe steht ein brandneues Exmplar ihres neuen Romans. Ich packe es und ziehe mich in einen der vielen Sitzsäck, am anderen Ende des Raumes zurück. Meine Hausaufgaben kann ich auch noch später machen, schließlich habe ich vor, den ganzen Abend hier zu verbringen. Ich schlage das Buch auf und lasse meine Augen über die Buchstaben gleiten. Auf ein neues verliebe ich mich einfach in ihre Art, die Dinge liebevoll zu umschreiben und die Seiten ziehen nur so dahin.

Ich höre den Sitzsack neben meinem leise knirschen, als sich jemand in ihm niederlässt. "Was ließt du?", diese Stimme, auch wenn sie nur flüstert, lässt einen warmen Schauer über meinen Rücken jagen. Calvin. Ich halte ihm das Cover meines Buches vor die Nase. Er zieht verwirrt die Brauen zusammen. "Kenn ich nicht" "Ist auch erst ganz neu draußen" Er nickt nachdenklich. "Wie ist es?" Ich lache leise und streiche liebevoll mit einem Finger über den Buchrücken. "Toll, wie ich erwartet habe" Calvin zieht erneut eine Augenbrauen in die Höhe und seine Karamell-Augen glitzern belustigt. "Naja, es ist von meiner Lieblingsautorin" "Kannst du ein Buch von ihr besonderst empfehlen?", fragt er grinsend. Meine Mundwinkel zucken. Genau mein Thema. "Naja, ich liebe sie natürlich alle, aber das da..", ich deute auf ein blass blaues Buch, am Ende der Reihe, "ist besonderst toll." Calvin nickt, steht auf und zieht das Buch aus dem Regal. Dann setzt er sich wieder neben mich. "Na dann", flüstert er und beginnt zu lesen. Selbst so konzentriert sieht er noch unglaublich gut aus. Sein Mund ist leicht geöffnet, während seine Augen über die Zeilen huschen. Seine Hände umfassen das Buch mit Leichtigkeit komplett, was mir nur noch einmal zeigt, wie groß sie sind. Für einen kurzen Moment lässt er das Buch mit einer Hand los und ich denke schon, er hätte mich beim gaffen erwischt, doch dann streicht sich nur durch die Haare. Seine eh schon verwuschelte Mähne, ist jetzt nur noch ein einziges Chaos. Sie steht in alle Richtungen ab, was ihn ein bisschen wie einen kleinen Schuljungen wirken lässt. Nagut, einen kleinen Jungen, mit einem ziemlich markantem Kiefer. "Gefall ich dir?", fragt er leicht schmunzelnd, doch seine Augen weichen keinen Moment von dem Text. Ich schlucke und werde sofort wieder rot. "Ähh" Jetzt hat er mich doch beim gaffen erwischt. Calvin grinst. "Ähh?" Seine Augen richten sich nun auf mich und unsere Blick verhaken sich ineinanden. Sofort macht sich ein leichtes Kribbeln in meinem Körper breit. "Ähhh" Sein Grinsen wird breiter, es sieht beinahe so aus, als würde es im bald aus dem Gesicht springen. Dann steht er auf. "Obwohl es sehr schön mit dir war,", sagt er, noch immer mit breitem Grinsen im Gesicht, "muss ich jetzt leider gehen." Eine Mischung aus Bedauern und Erleichterung sammelt sich in meinem Inneren und ich verschränkte die Arme vor meinem Bauch. "Morgen? Selber Ort, selbe Zeit?" Mein Blick richtet sich auf. Wieder verhaken sich unsere Augen.  Mein Mund fühlt sich plötzlich fürchterlich trocken an und aus Reflex befeuchte ich die Lippen, mit meiner Zunge. Schlagartig verdunkelt sich Calvins Blick. Meine Hände beginnen zu zittern. Ich kenne dieses Gefühl. Es erinnert mich stark an eine angehende Verliebtheit. Ich stehe auf. Mit schnellen Bewegungen bin ich an der Tür angelangt. Ich nehme meine Tasche und schwinge sie mir über die Schulter. "Vielleicht", keuche ich leise, aber gerade laut genau, dass er es noch gehört haben muss. Gefolgt, von diesen karamell farbenen Augen, verlasse ich die Bibiliothek.

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 26, 2018 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

You, Me and the little Life between usWo Geschichten leben. Entdecke jetzt