1. Kapitel

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Mit einem mulmigen Gefühl starre ich auf die Tür, auf der in schwarzen Buchstaben 'Chemieraum' steht.

Mein Herz beginnt wieder ein wenig zu poltern.Wie? Wie konnte ich nur in den scheiß G-Kurs kommen?

Naja, eine Antwort darauf gibt es schon. Meine labile Chemielehrerin Frau Hansen hatte irgendetwas gegen mich.

"Luna, du bist im Unterricht in verschiedenen Universen, die ich nicht genau einordnen kann."

Am liebsten hätte ich laut losgelacht und ihr meine Meinung mal so richtig geblasen.

"Ich denke nicht, dass ich die jenige bin die in einem anderen Universum lebt. Vielleicht schauen sie mal in ihrem Spiegel und entdecken dann die Außerirdische Gestalt vor ihnen."

Das hatte ich leider nicht gesagt. Stattdessen saß ich stumm da und erwiderte nichts.

Klar, bin ich keine ultimative Streberin in diesen ganzen Naturwissenschaftsfächern. Aber wozu auch?

Muss ich das alles denn unbedingt wissen? Nö!

Mit einem kräftigen Ruck wird die Klassenzimmertür aufgerissen. Vor mir steht ein grau haariger, ziemlich schlaksiger Mann, der mich verwirrt anschaut.

Er sieht ein wenig gestresst, womöglich auch genervt aus. "Ich glaube sie haben sich an der Tür vertan. Wir sind der Chemie G-Kurs."

Soll das jetzt ein Kompliment sein? Ich lächele. Als ob ich zu doof wäre, um in das richtige Zimmer reinzustürmen.

Man ist meine Schule organisiert. Die Lehrer wissen noch nicht einmal welche Schüler neu in ihren Kursen kommen.

"Ne, ich wurde neu eingeteilt. In den G-Kurs." Auf seiner Stirn bilden sich breite Falten. Habe ich nur das Gefühl, oder sind diese Nw Lehrer immer ein wenig verpeilt, wenn nicht sogar verrückt.

"Na dann!" Er macht mir den Weg frei und setzt sich hinter das Pult. Als ich die Klasse betrete, merke ich was für zittrige Beine ich habe.

Ich schaue in die Runde. Die meisten kenne ich nur vom sehen her. Trotzdem weiß ich ziemlich viele, schmutzige Geheimnissen.

Jeanette zum Beispiel. Ist es nicht total abstrus, dass diese Klischees der Namen immer aufrecht gehalten werden.

Wie Kevin oder Chantal, zum Beispiel. Auch Jeanette ist nicht gerade der Name, auf den ich mein Kind sofort taufen würde.

Wobei ich absolut nichts gegen die Namen habe. Sie haben halt nur nicht den besten Ruf, auch dank Filmen wie Fack ju Göthe.

Jeanette sollte in der neunten Klasse eine Rund SMS, mit Nacktfoto an alle Jungs ihrer Stufe verschickt haben. Aber das sind nur Gerüchte.

"Willst die dich gar nicht vorstellen?", unterbricht mich ein dürrer Junge aus meiner Analyse. Ich räusper mich.

"Ähh ich heiße Luna Martens und wurde in den G-Kurs geschickt." Ein raunen geht durch die Klasse.

"So ne Streber Tusse.", grinst der Dürre. Neben ihm sitzt ein anderer Typ der lacht.

Er ist ein wenig fülliger und hat kurzgeschorrene Haare. Ali, Mehmed oder so, heißt der glaube ich.

Der Lehrer kommt hinter mir hervor und will gerade die Meute ermahnen, als plötzlich ein anderer Junge das Wort ergreift.

"Süße du kannst bei mir sitzen und ein bisschen Kuscheln." Bloß nicht rot werden.

Ich kenne ihn. Jeder tut das, glaube ich. Es ist der Junge. Der Junge, den man hasst oder vergöttert. Bei mir trifft das zweite eher zu.

Nicolas Brechtel lächelt mich mit einem fetten Grinsen aus der hintersten Reihe schelmisch an.

Der Lehrer grummelt ein wenig vor sich hin, bis er sich schließlich setzt. Tolle Aufsichtsperson!

"Luna setzten. Vielleicht kannst du Nicolas ein paar Manieren beibringen." Der Typ will doch jetzt nicht wirklich, dass ich mich neben das Arschloch  setze?

Trotzdem schlurfe ich langsam zu ihm. Er mustert mich. Gott hasse ich diese Menschen.

Von oben bis unten und von unten bis oben genaustens analysieren. Ich mache das auf den Charakter bezogen oder nur ganz unauffällig.

Aber dieser Typ durchbohrt mich förmlich mit seinen Glubschern und bleibt bei meinen Brüsten hängen.

Gut das ich kein Ausschnitt Typ bin und ein babyblaues Shirt an habe, das alles bedeckt.

Dann setze ich mich genau neben ihm. "Na." Sein Aftershave rieche ich bis hier hin. Es duftet sogar.

Ohne zu antworten richte ich mein Kopf starr nach vorne. Doch er beäugelt mich weiter.

"Das ist unhöflich." Fragend seh ich zu ihm. "Du solltest mir antworten." Bah, wie diese schmierige Art, wie Schleim an mir runterläuft.

"Hallo.", erwider ich leise. "Geht doch Kleine." Kleine? Der kennt mich noch nicht einmal.

Zum Glück verläuft die restliche Stunde ohne weitere Anmach Versuche. Erleichtert verlasse ich so schnell es geht den Klassenraum.

"Bis Morgen Süße!", schreit mir Nico noch hinterher und gackert laut mit seinen Kumpels.

Wie kann ein einzelner Mensch so viel Dummheit ausstrahlen?

Es geht einfach nicht, okay?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt