The ones that we love never really leave us

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Tränenüberströmt, atemlos lag sie in ihrem Bett und weinte lautlos. Es sollte sie niemand hören, denn sie hätte unmöglich erklären können, warum sie weinte.

Ein beinahe tötlicher Schmerz zurzog ihre Brust und drückte ihr tonnenschwer aufs Herz. Sie konnte ein leises Schluchzen nicht unterdrücken und drückte ihre Hand fest auf ihre Lippen.

Sie konnte nicht so egoistisch sein und in ihrer Trauer zerfließen, wo sie jetzt doch für ihren Freund da sein musste. Immerhin hatte er seinen Paten, seinen Freund, seine Familie verloren.

Sie konnte sein Gesicht nicht vergessen. Weder das jugendliche, makellose - noch das reife, markante. Hätte sie doch mehr Zeit mit ihm gehabt...

Ein innerer Impuls - ein plötzliches Verlangen - zog sie aus dem Bett, auf ihre Beine und noch ehe sie es selbst wirklich realisiert hatte, schlich sie leise aus dem Schlafsaal.

Der Gemeinschaftsraum war zum Glück verlassen, nur das Feuer glimmte noch im Kamin. Sie meinte sein Gesicht noch in der Glut erkennen zu können... Hastig wischte sie ihre Tränen beiseite, ehe sie den Gemeinschaftsraum unbemerkt verließ.

Sie hatte nicht die Geduld, um bis zu ihrem üblichen Versteck zu gehen. Sie musste ihn jetzt sofort sehen.

Sie versteckte sich hinter der nächsten Statue und zog hastig die lange Kette mit dem goldenen Anhänger aus ihrer Tasche und legte diese um ihren Hals. Vorsichtig nahm sie das kleine Stundengas zwischen Zeigefinger und Daumen beider Hände und drehte es in geübten Bewegungen.

Kurz drehten sich Wände und Statuen, Raum und Zeit um sie herum und mit einem schwummrigen Gefühl kam alles wieder zum Stehen.
Sie hatte einige Zeit gebraucht, um die Magie des Zeitumkehrers zu verstehen. Denn dieses Exemplaar funktionierte nicht wie üblich. Eine Umdrehung entsprach nicht einer Stunde, sondern einem gesamten Jahr.

Sie konnte sich noch genau an den Tag erinnern, an dem sie das erste Mal mit ihm durch die Zeit gereist war. Nach einem dummen Streit mit Ron, bei dem ihr etwas mehr über ihre Gefühle heraus gerutscht war als beabichtig, hatte sie sich in den Raum der Wünsche geflüchtet und ohne danach zu suchen, hatte sie ihn gefunden.

Statt der beabsichtigten Stunde, war sie ein ganzes Jahr in die Vergangenheit gereist. So konnte sie das Gespräch zwar nicht verhindern, dennoch war sie überwäligt von den Möglichkeiten, die sich ihr auftaten.

Sie hate lange mit sich gehadert. Immerhin hatte sie eine lange und ausführliche Belehrung über den Zeiumkehrer und seine Gefahren erhalten. Sie kannte genauestens die Risiken einer Zeitreise und in welchem Rahmen sie sich bewegen durfte.

Und dennoch reichte ihr Wissen nicht dafür aus, um sie von der Versuchung abzuhalten.

Nach etlichen Reise"proben", war sie wagemutiger geworden. Sie war fünf, zehn, fünfzehn Jahre zurück gereist, um Erstausgaben ihrer Lieblingsbücher zu ergattern oder berühmte Schüler Hogwarts zu erleben.

Eines Tages entschied sie sich dazu, zwanzig Jahre in die Vergangenheit zu Reisen, um Harrys Eltern zu sehen.  Sie war einfach zu neugierig und vielleicht könnte sie ja ein Foto von ihnen mit in ihre Zeit zurück nehmen...

Natürlich war sie immer besonders vorsichtig und der festen Überzeugung gewesen, mit ihren Zeitreisen keinen Schaden anzurichten. Bis zu diesem einem Abend, an dem sich alles änderte.

Sie verbrachte an keinem Ort länger als eine Stunde. Sie hatte weder James Potter, noch Lily Evans irgendwo erblickt, weshalb sie beschloss zurück zu reisen.

Ihr Versteck war nicht besonders gut gewählt, trotzdem war sie bis jetzt immer unentdeckt geblieben. Doch als sie an diesem Tag die dünne Kette um ihren Hals legte, wurde sie von einer Stimme aus dem Nichts zu Tode erschreckt.

Kreidebleich, mit Angstschweiß auf der Stirn, drehte sie sich herum und sah in sein perfektes Gesicht. Makellose Haute, strahlende graue Augen, volle Lippen, markante Züge, umrahmt von dunklen Locken. Und jetzt war er tot...

Weinen und schluchzend verstaute sie den Zeitumkehrer und zog die verwunschene Galeone aus ihrer Tasche.
Bitte, bitte! Er muss es einfach sehen - dachte sie bei sich und presste die Münze gegen ihr pochendes Herz.

Mit jeder Minute die verging, schlug ihr Herz schneller und heftiger.
Bitte! - flehte sie.

Sie vernahm leise Schritte und sah sich hektisch in der Dunkelheit um.

"Hermine?" Seine leise Stimme hallte von den Steinwänden wieder.
Sie folgte seiner Stimme mit zittrigen Beinen und fiel ihm weinend in seine Arme. Sie vergrub ihr Gesicht an seiner festen Brust und krallte sich in seinen Pullover.

"Hermine, was ist denn?", flüsterte er und drückte sie fester an sich.
Doch sie konnte nicht antworten. Der Schmerz über seinen Tod überlagerte ihre Freude, jetzt und hier in seinen Armen zu sein. Was sollte sie ihm nur sagen?

"Hermine, bitte rede mit mir." Es dauerte noch einige Minuten, bis Hermine ihre Stimme wieder fand. Sie trat einen Schritt zurück und blickte in seine tiefen, kühlen Augen, die dennoch unendlich viel Wärme ausstrahlten.

Als sie ihren Mund öffnete, strömten ihr bereits wieder Tränen über das Gesicht. Hilflos presste sie ihre Lippen auf seine und schlang ihre Arme haltsuchend um seinen Hals.

Er war mehr als überrascht und mehr als verwirrt, doch er konnte nicht anders als den Kuss leidenschaftlich zu erwidern.

Er schmeckte Hermines salzige Tränen und konnte ihren Schmerz spüren. Er löste den Kuss und suchte ihren Blick, doch Hermine versuchte ihn wieder zu küssen.

"Hermine, bitte, sag mir was los ist."

"Ich kann nicht.", flüsterte sie mit brüchiger Stimme und suchte wieder seine Lippen. Doch er wollte sich nicht abwimmeln lassen. Er umfasste ihre Oberarme und drückte sie sacht, aber bestimmt, von sich.

"Sieh mich an.", flüsterte er leise. Hermine schüttelte panisch den Kopf; ihre Tränen perlten von ihrem Gesicht. "Bitte.", hauchte er und drückte einen sanften Kuss auf ihre Stirn.

Hermine sah ihn durch glasige Augen an. Sein Anblick war verschwommen, doch minderte es seine Schönheit nicht im Geringsten.

"Küss mich." Ihre Worte waren kaum zu hören; als hätten sich nur ihre Lippen bewegt. "Küss mich. Bitte.", wiederholte sie etwas lauter.

Er sah sie fragend an. Er sah ihren Schmerz und fühlte ihn in seiner eigenen Brust. Er wollte sie für immer halten und nie mehr loslassen.

Vorsichtig berührten seine Finger ihre Wange, als müsste er sich davon überzeugen, dass sie noch immer vor ihm stand. Hermines schönes Gesicht war noch immer von Tränen benetzt.

Langsam fuhren seine Finger zu ihrem Nacken und zogen ihr Gesicht an seines. Am liebsten hätte er jeden Schmerz von ihr genommen.

Vorsichtig schlang er seine Arme um sie und zog sie in eine feste Umarmung.

Innig umschlungen küssten sie sich für eine kleine Ewigkeit. Hermines tiefer Schmerz und ihre bitterlichen Tränen zerissen ihm das Herz.

"Hermine, rede mit mir.", hauchte er zwischen zwei Küssen.
Mit jedem Kuss, mit jeder Berührung, beschlich ihn mehr und mehr das Gefühl, dass es für den ungewöhnlichen Zeitpunkt ihres Erscheinens nur einen Grund geben konnte.

Hermine ignorierte seine Worte und versuchte ihn mit weiteren Küssen zum Schweigen zu bringen. Sie legte all ihre Liebe und all ihren Schmerz in die Küsse.

Doch er gab nicht auf.
"Hermine, bitte." Wieder drückte er sie sacht von sich. "Rede mit mir."

In einer hastigen Bewegung wischte sie sich die Tränen von den Wangen. Noch immer brachte sie kein Wort zustande, doch sie konnte es nicht weiter hinauszögern.

Der gequälte Ausdruck auf seinem perfekten Gesicht, drückte ihr tonnenschwer aufs Herz. Für einen Moment schien es ihr, als würde er genauso sehr leiden, wie sie.

"Sirius..." Tränenerstickt versagte ihre Stimme. Wieder drückte sie sich die Hand fest auf die Lippen, um ihr Schluchzen zu unterdrücken.

"Hermine, ich liebe dich."

Ihr Schluchzen drang durch ihre Finger; sie konnte es nicht mehr aufhalten. Sie vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Er machte es ihr so schwer. So unendlich schwer.

"Du sollst es wissen. Egal, was du mir sagen willst - und nicht sagen kannst - ich liebe dich!" Er küsste ihre Stirn und zog sie an seine Brust.
Doch Hermine stieß in von sich.
Erschrocken sah er sie an. "Hermine, was-"

"Impedimenta", hauchte sie mit zittriger Stimme. Doch der Zauber verfehlte seine Wirkung nicht: Sirius erstarrte in seiner Bewegung.

Sein sorgenerfüllter Blick versetzte ihrem Herz einen Stich.

Sie sah ihn durch tränenverschleierte Augen an und versuchte, sich jedes Detail einzuprägen. Er war einfach so schön... war... sie schluckte. Er war tot.
Er war erst vor wenigen Tagen gestorben - doch der Sirius, der in diesem Moment vor ihr stand, hatte noch viele Jahre vor sich.

Viele Jahre voller Schmerz, Einsamkeit und Trauer...

Jahre, die er nicht mit ihr verbringen würde. Er dürfte eigentlich gar nicht wissen, wer sie ist. Er musste sie vergessen.

Sie trat auf ihn zu und legte ihre Lippen ein letztes Mal auf seine. Er konnte den Kuss nicht erwidern, doch sie spürte seine Liebe.

"Sirius, ich liebe dich." Ein lautes Wimmer entwich ihr. Sie musste hier weg; sie durfte nich gesehen werden.

"Ich liebe dich.", wiederholte sie leise und schluchzend, während sie mit zittrigen Finger nach dem Zeitumkehrer griff.

Ein letztes Mal sah sie ihn an.
Ehe alles um sie herum verschwamm, zückte sie erneut ihren Zauberstab.

"Obliviate". Es zog ihr den Boden unter den Füßen weg.

Schmerzhaft sank sie auf ihre Knie - in der Gegenwart. Allein. Ohne ihn. Ohne Sirius.
Aber mit all den schmerzenden Erinnerungen.




PadfootWhere stories live. Discover now