Das gefährlich leuchtende Neonlicht erfüllte die Bar und ließ deren Besucher nur das Nötigste sehen. Alex fand er sah genug, und auch seine drei Freunde Pete, Georgie und Dim genossen den abendlichen Schein und ließen sich berieseln von dem zutiefst entspannenden Wirkstoff in ihren erfrischenden Gläsern Milch. Moloko, wie sie es nannten in ihrem jugendlichen Slang, war Milch inklusive einer Droge ihrer Wahl. Dies würde ihnen einen schönen Abend bescheren, den sie wie so oft in der Milchbar begannen. In dieser erkannte man die Gruppe sofort, nicht alleine deswegen, weil sie tägliche Stammgäste waren, sondern an ihrer weißen Kleidung und den schwarzen Hüten, die sie auf ihren Köpfen trugen. Für Alex, der sich selbst als den Anführer seiner Gruppe bezeichnete, war es eine schwarze Melone. Dim und Georgie zierten Zylinder und Pete, der jüngste, trug ein schwarzes Barett, zur rechten Seite gezogen. So saßen sie bloß da, hielten ihr Glas Milch in ihrer Hand und fragten sich was sie mit einem kalten und verregneten Abend wie diesem wohl machen sollten. „Hey, Alex! Wie wärs, wenn wir uns ein bisschen in den verlassenen Straßen rumtreiben? Ich wette da treffen wir auch heute wieder ziemliche viele alte Damen mit schweren Geldbeuteln und ich brauche dringend etwas Geld für meine Notwendigkeiten, wenn du verstehst", Dim beendete den Satz mit einem widerlichen Lachen und einem aufgesetzten zwinkern. Spaßig schlug er Alex auf den Oberschenkel. Dessen stechend blaue Augen funkelten im Neonlicht auf und gaben den Blick auf seine winzigen Pupillen frei. Einen Moment lang spuckten sie Aggression, dann jedoch atmete Alex auf und verzog seinen Mundwinkel zu einem spöttischen Lächeln. „Nein, Dim, nicht heute Abend". In seinem Lächeln sprach er eine Warnung aus, welche Dim augenblicklich auf seinen Platz zurückwies. Letzterer, welcher die Warnung in Alex lächeln resigniert hatte, lehnte sich schweigend zurück. Triumphierend nahm Alex den letzten Schluck aus seinem Glas und klatschte enthusiastisch auf seine Knie. Im nächsten Moment sprang er auf und setzte sich dramatisch die Melone auf seinen Kopf. „Nun denn Brüder, kann es losgehen?". Pete, Georgie und Dim sahen einander verwirrt an und bereuten es augenblicklich diese Blicke miteinander gewechselt zu haben. „Eben sagtest du noch du wärst nicht in der Stimmung dazu um die Häuser zu ziehen", wandte Georgie, der älteste von ihnen, ein. Beinahe in Zeitlupe nahm Alex seinen schwarzen Gehstock von der Schulter und setzte ihn bestimmt auf dem Boden auf, ohne dabei bloß eine Sekunde den Blickkontakt zu Georgie zu unterbrechen. Erneut zog sich sein Mundwinkel zu einem ironischen Lächeln, als er sich vor Georgie aufbaute und seine Hand auf seinen Schultern ablegte, um damit einen bedrängenden Druck auszuüben. „Man kann seine Meinung doch ändern, nicht wahr Georgie Junge?". Georgie versuchte seinem Blick standzuhalten, konnte die Bosheit jedoch nicht ertragen, welche sich in Alex Augen wiederspiegelte. Alex, welcher sehr feinfühlig war und jegliche Signale sofort wahrnahm, freute sich auch dieses Mal wieder über seinen mentalen Sieg und stellte sich erneut gerade hin, um den besseren Überblick über seine Freunde zu haben. „Nun denn, meine kleinen Freunde... worauf habt ihr besonders Lust? Alte Damen und ihre schweren Geldbeutel in verlassenen Seitenstraßen, einen kleinen Überraschungsbesuch bei den schicken Leuten, oder einen guten alten Kampf im Kensington? Die Nacht gehört nur uns, wir können mit ihr machen, was immer wir wollen!", rief er und streckte die Arme empor. Georgie lächelte breit. „Billy und seine Freunde machen den Kensington jede Nacht unsicher. Lass uns die alten Ladies heute verschonen und ihm einen Besuch abstatten, wir schulden ihm noch eine kräftige Tracht Prügel", sagte er bereitwillig. Dim und Pete hielten sich still, Dim aufgrund fehlenden Intellekts und Pete, weil er Befehle lieber befolgte, als sie zu planen. Alex Fantasien sprudelten geradezu über, als er an all die Arten dachte, auf die er Billy und seinen Freunden eine Lektion erteilen konnte. Seine Pupillen weiteten sich und in seinen blauen Augen funkelte die Aufregung. „Alles klar", sagte er händereibend, „Dann lasst uns losziehen".
Die klare Luft der verregneten Nacht ließ die Wirkung sehr viel schneller abklingen, als es die vier Freunde gewohnt waren. Da dies jedoch nicht bedeutete, dass sie weniger Vorfreude auf eine Abrechnung mit Billy verspürten, war allein dieser Ansporn ihre eigentliche Droge. Erschreckendes Gegröle hallte durch die Straßen, schlagartig wurden in einigen Häusern die Rollladen heruntergelassen, wohl wissend, dass Alex und seine Freunde unterwegs waren. Ihre weiße Kleidung, die bestand aus einer engen Hose, einem Hemd und Hosenträgern, war so unverkennbar, dass die wenigen Leute, welche um eine Uhrzeit wie diese noch unterwegs waren, auf der Stelle kehrt machten, wenn sie die Gruppe von weitem erkannten. Oh, wie es Alex freute, wie es ihn erfüllte dermaßen gefürchtet zu werden. Selbst seine Freunde, welche schließlich Teil dieser Gruppe waren, wussten wo ihr Platz war und wann es klüger wäre ihn einzunehmen. Alex musste nichts sagen, sein Blick reichte völlig aus, um seinen Standpunkt klarzustellen. Schläge setzte es selten, jedenfalls gegen seine Freunde. Manchmal jedoch mussten auch diese belehrt werden, wie man sich richtig zu verhalten hatte. Es war ein wundervoller Abend, dachte Alex und lachte boshaft in die Nacht hinein. Mit einem Mal schmiss er sich hoch an eine Laterne und fing an zu grölen. Er stieg herab und versetzte Dim einen kleinen, spaßigen Schlag mit seinem Gehstock. Wie glücklich er war, an einem so bereichernden Abend, wie diesem. Dabei hatten sie sich zu dieser Zeit noch gar kein Geld verdient, denn seltsamerweise waren ihnen noch keine unfreiwilligen Sponsoren über den Weg gelaufen, die sie hätten überraschen können. Vermutlich lag es daran, dass sich die Taten der Gruppe bereits in ganz London herumgesprochen hatten. Alex jedoch hatte keine Angst erwischt zu werden, nein. Er war ein Mann der großen Worte und hatte sich bisher stets aus den Klauen der Polizisten gerettet, wenn dieser mal wieder einen Verdacht gegen ihn gehabt hatten. „Hört mal Freunde!". Dim grinste über sein ganzes Gesicht. „Die Klänge der Heiligen", schwärmte Alex, als er das minderbemittelte Grölen Billy's und seiner Freunde vernahm. Kensington Garden war weitläufig, aber durch Billys unverkennbare Stimme würden die Freunde schnell zu ihm finden. Mit einem Mal erklang ein schriller Schrei und breitete sich aus, wie eine Decke des Grauens. Auf Alex Mund wuchs ein breites Lächeln. „Hört ihr das, meine Freunde?", fragte er mit einem Glänzen in den Augen. „Unser lieber Freund scheint weiblichen Besuch zu haben", stellte Georgie fest. Alex pfiff und sie folgten den Schreien, bis sie Billy und seine Freunde endlich fanden, nur wenige Meter weg von der Gedenkstatue des guten alten Peter Pans. Billy, gekleidet in eine grüne Jacke, so wie alle seiner vier Freunde, hatten sich im Kreis positioniert. Drei von ihnen versuchten brutal jemanden festzuhalten, während sich der vierte lachend über die Person erstreckte. Alex, welcher bloß wenig erkannte, zum einen, weil es ein sehr nebeliger Abend war, zum anderen weil die vier es verstanden, wie man sich positionierte, sodass Außenstehende nichts sahen, hob lässig seinen Gehstock auf die Schulter. „Na, sieh mal einer an! Wenn das nicht der fette und ekelhafte Billy ist, begleitet von seinen vier dämlichen, namenlosen Freunden". Auf einmal stoppte Billy und richtete ich langsam auf, ehe er sich mit einem kampflustigen Lächeln zu Alex rumdrehte. „Hi, hi, hi kleiner Alex", sagte er spöttisch, „Das nächste Mal hatte ich gehofft dich im Gefängnis zu sehen", er spuckte auf den Boden. „Da muss ich dich leider enttäuschen, Billy Junge. Hast du deine nicht vorhandenen Eier wieder mal voll, du widerlicher, notgeiler Bastard? Komm her, wenn du dich traust und zeig mir mal, ob du mich auch so überwältigen kannst, wie du es gerade mit dieser Lady getan hast! Du minderwertiger Scheißer." Alex empfand kein großes Mitleid mit Billys Opfer, aber er wusste, wie er Billy platt machen konnte, denn dieser war sehr schwach im Zweikampf. Lachend kamen auch Pete, Georgie und Dim näher, zuckten jedoch gleich zusammen, als sie die glänzende Klinge in Billys Hand bemerkten. „Was, hast du verlernt, wie man seine Fäuste benutzt, du Feigling?". Alex zeigte keinerlei Furcht, denn es war zu behaupten, dass er etwas wie Furcht nicht kannte. Billy gab seinen Freunden ein Zeichen, sich von dem am Boden liegendem Mädchen, zurückzuziehen. Alex erhaschte einen Blick auf hellbraunes Haar, in welchem sich das Blut gesammelt hatte. Das Gesicht jedoch hatte sie zur Seite gedreht, ihr Rock war noch oben gestülpt und ein heller Mantel lag beschmutzt neben ihr. Sie musste bewusstlos sein, dachte Alex, denn sie bewegte sich nicht. Billys Freunde funkelten Pete, Georgie und Pete Aggressiv an. „Was sollen wir jetzt mit denen machen, Chef?", fragte einer von ihnen. Dieser jedoch kannte Alex und wusste demnach auch, dass er bei seiner Stärke verlieren würde. Zwar war Alex mit seinen einmeterfünfunfsiebzig weder außerordentlich groß, noch übermäßig mächtig, aber er war sehr Clever und auch flink, welches er Billy meilenweit voraus hatte, denn diesem fehlte jegliche Intelligenz. Vor allem aber war er kampfsüchtig und hoch motiviert, wohingegen Billy die Gewalt nicht der Gewalt wegen beging, sondern weil er sich selbst beweisen musste er sei etwas wert. Immer noch schwer nachdenkend, sah er aus dem Augenwinkel wie Alex sich heimlich nach dem Mädchen rumdrehte und sie skeptisch beäugte. Eine enorme Wut kochte in ihm hoch, nicht nur, dass Alex ihn davon abgehalten hatte seine Tat zu beenden, schon wieder schnappe dieser Mistkerl sein Frischfleisch. „Schnappt sie euch", sagte Billy, „Um Alex kümmere ich mich selbst." Alex Gesichtsausdruck sprach Bände, denn aus seinen Augen quoll das größte Maß an Vorfreude, welches er sich für diesen Abend hätte erhoffen können. Mit einem enormen Schrei raste Billys Gefolge auf Pete, Georgie und Dim zu. Eine gewaltige Szene der Brutalität begann, denn besonders Pete, der schwächste, hatte anfänglich ordentlich zu kämpfen, schlug seinen Gegner letztlich jedoch mit seinem schwarzen Stock nieder. Dim hatte gleich zwei von Billys Freunden recht schnell erledigt, immerhin war er der größte und Stärkste von ihnen allen, auch wenn er ziemlich dumm war, wie Alex immer sagte. Deshalb half er auch Georgie seinen Gegner zu bezwingen, welcher mager wie er war, mit einem harten Schlag direkt zu Boden fiel. Nach bloßen wenigen Minuten waren Billys Freunde bekämpft und lagen mit gebrochenen Nasen, aus welchen dramatisch das Blut floss, und geschwollenen Augen dort zu Boden. Auf Alex Mund wuchs ein breites Lächeln. „Und jetzt, Billy Junge... liegt es wohl zwischen uns." Dieser, Alex gegenüberstehend, versuchte rasch die Panik in seinen Augen zu verjagen, welche der clevere Alex jedoch bereits schon längst erkannt hatte. „Wo ist denn deine Entschlossenheit hin, Billy?", fragte Alex provokant, „Eben, als du über diesem Mädchen gehangen hast, hattest du so ein wildes Feuer in den Augen. Wie schade, dass es bereits erloschen ist, es hätte diesen Kampf ganz besonders interessant gemacht." Billys Wut platzte aus seinem Kopf, wie ein speiender Vulkan. „Seit wann interessierst du dich dafür, du dreckiger Bastard? Gehen dir langsam selbst die Frauen aus?". Mit einem Mal versetzte ihm Alex einen Hieb in den Magen. Stöhnend zuckte Billy zusammen. „Weißt du, was das Problem ist, Billy junge? Du bist so erbärmlich, dass sogar deine Opfer, die du vergewaltigst, Mitleid mit dir haben", ein weiterer Hieb folgte mit dem Gehstock. Am Boden liegend, wischte sich Billy das Blut von der Lippe. „Irgendwann wirst du an deiner Arroganz verrecken, du widerlicher Mistkerl". Geekelt verzog Billy das Gesicht. Auch seine Freunde waren langsam wieder aufgewacht und zogen sich, jammernd vor Schmerzen, zurück. Humpelnd trat Billy auf Alex zu und belagerte ihn, sodass sie nur noch einander in die Augen sahen. „Wir sehen uns im Gefängnis, du kleine Ratte", flüsterte Billy scharf und spuckte auf den Boden. Alex schmunzelte, eine Augenbraue hebend. „ Sag mir, wann ich dich dort besuchen kommen soll", heftig schubste er Billy von sich. Schließlich floh dieser mit seinen Freunden abgeschreckt in die Nacht hinein. „Was hat er denn damit gemeint?", fragte Georgie, der einen heftigen Schlag an der Augenbraue abbekommen hatte. Alex wusste genau, was er damit gemeint hatte, spielte es jedoch herunter. „Ach, jemand, der nichts Böses anstellt, dem kann auch nichts Böses passieren, richtig?". Nickend bestätigten dies seine Freunde, wussten jedoch ganz genau, dass Alex in keinster Weise unschuldig war. Ganz im Gegenteil, viele Male hätte er wegen vieler Verschiedener Vergehen verhaftet werden können. Darüber wollten sie alle aber an einem Abend, welcher so schön war wie dieser, jedoch keinesfalls nachdenken. Georgie und Pete hatten sich schon umgedreht und auch Alex hatte eigentlich vor den Abend bei einem weiteren gemütlichen Glas Milch ausklingen zu lassen, da viel ihm aber wieder das Mädchen ein, welches in ihm eine Skepsis hervorrief, welche er so nicht zuvor kannte. Wie bereits schon erwähnt, hatte Alex für gewöhnlich keinerlei Mitleid für die Opfer ihrer Taten, und sah sie selten als eigentliche Personen. Auch seine Freunde waren völlig verblüfft, als sich Alex plötzlich herunterbeugte und eine Strähne Haar des Mädchens vorsichtig beiseiteschob, um ihr Gesicht sehen zu können. Mit einem Mal durchfuhr ein Schrecken seinen Körper, welcher nie zuvor erschreckt worden war, als ihn, zwei glasig blickende blaue Augen direkt ansahen. Sie war wach. Alex nahm einen tiefen Atemzug und versuchte heftig diesen kleinen Anflug von Angst wegzujagen. „Wie heißt du?", fragte er leise, sodass seine Freunde es nicht mitbekamen. Stockend bewegte sich ihr Mund, ehe sie es schaffte Worte zu finden. Dann Antwortete sie schwach: „Alice".
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Violent Love
Teen FictionAls Alice nach London kommt, hofft sie nicht nur auf ein besseres Leben, sie möchte Dinge verändern. Ohne große Hoffnungen auf Erfolg, bewirbt sie sich als Journalistin bei einem Londoner Magazin, welches sich mit dem Thema Gewalt und Gewaltopfern b...