Szene 1

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(Vielleicht doch kein) Flashback:

Es war spät am Abend und sie striff, sehr dunkel gekleidet mit der Kapuze tief ins Gesicht gezogen und einem schwarzen Mundschutz ungebunden durch die Gassen der Stadt. Sie hatten beschlossen einige Tage dort zu bleiben und die Vorräte aufzufrischen. Es war schon fast komplett dunkel und die hereinbrechende Nacht welche sie mit ihren Schatten verschluckte und ihr Deckung gab, verleihte ihr ein Gefühl von Sicherheit und ihr Selbstvertrauen stieg gefühlt nochmal um die Hälfte. Sie vergrub die Hände in den Taschen ihres geliebten, ärmellosen Kapuzenmatels, den sie mal fast ganz neu und für sehr wenig Geld in einem Secondhand Laden gekauft hatte.

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Nyctophilie/nyctophilia, die Liebe zur Dunkelheit/ Nacht, das Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit in der Dunkelheit/ bei Nacht.
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Sie genoss die Stille. Keine Rufe, kein Geschrei von kleinen Kindern, keine zuschlagenden Türen oder das nervtönige rattern und brummen von alten Autos auf den gepflasterten und völlig verdreckten Straßen. Nur das Bellen vereinzelter Hunde war zu hören....

Vor ihr bog eine Gestalt in die Gasse ein. In der Dämmerung konnte sie nicht viel erkennen, aber sie war sich sicher, das es ein Junge mit dunklen Haaren war. Sein weißer Hoodie leuchtete förmlich in der Dämmerung und mit seiner schwarzen Jeanshose sah er ziemlich lässig aus.

Aufeinmal kam ihr eine Idee. Sie hatte eh nichts besseres zu tun, also konnte sie auch ein bisschen mit ihm spielen. Sie hatte inzwischen genug Filme gesehen, um zu wissen, wie ängstlich Menschen in der Dunkelheit werden, wenn sie komischen Gestalten begegnen. Sie bog in eine weitere Seitengasse ein und lief an mehreren Häusern vorbei, bis sie auf wine Mauer stieß, auf sie sie kletterte.

Sie wartete, bis der Junge nah genug sprang ab und landete mit einem perfekten seitwärts Salto vor ihm.
Er zuckte zusammen, aber machte keine Anstalten wegzurennen.
Sie schritt langsam auf ihn zu, darauf bedacht, das er nicht abhauen kann und sich sein Rücken immer mehr der Mauer näherte.
"Na, was haben wir denn hier? So ganz aleine bei so später Stunde?" Sie lachte das rauhe, tiefe Gangster-Lachen, für das sie so lange geübt hatte. Ihre Stimme klang tief und rauh und optisch war in keinster Weise zu erkennen, das sie eigentlich ein Mädchen ist.
"Was willst du von mir?", Fragte er mit einer Spur Unsicherheit in der Stimme, während er mit seinem Rücken inzwischen die Mauer berührte.
"Wer hat dir erlaubt mich zu duzen? Haben dir deine Eltern nie beigebracht, das man Ältere immer mit sie anspricht? Oder das es gefährlich ist, spät Abends in einsamen Gassen herumzustrolchen?" Sie kam ihm immer näher und blieb mit ihrem Gesicht kurz vor seinem stehen.
"Es ist gefährlich hier draußen... Stell dir vor, du wirst von irgendeinem notgeilen Pedophilen vergewaltigt, oder von einem Verrückten mit einer Pistole bedroht..."
Sie stützte sich mit der linken Hand an der Mauer ab, damit er zu dieser Seite nicht fliehen konnte und zog bei dem Wort Pistole einen Revolver aus der Tasche und hielt ihn dem Jungen an die Schläfe. Natürlich war er nicht echt, man konnte zwar damit schießen, aber nur Farbpatronen, kleine Metallkügelchen und Platzpatronen. Eines hatte sie aber auch erst vor kurzem entdeckt, und zwar war vorne an dem Lauf ein Elektroschocker eingebaut. Er hatte drei Stufen und konnte ziemliche Schmerzen verursachen, wenn man ihn an den richtigen Stellen ansetzte.
"Wenn du schreist oder andere Dummheiten machst, bist du tot", flüsterte sie bedrohlich.
Sie sah das Funkeln von Angst in seinen Augen und sie war sich nicht ganz sicher, ob nicht sogar eine einzelne Träne seine Wange hinuntergerollt war.
"Hör mir genau zu. Sieh mich an. Du wirst jetzt eins zu eins das tun, was ich dir sage. Wenn du ungefragt redest bist du tot, wenn du versuchst zu entkommen bist du tot und wenn du mich verarscht bist du toter als tot, verstanden?"
Sie beugte sich noch weiter zu ihm hinunter:" Ob du mich verstanden hast, hab ich dich gefragt!"
"J-ja", inzwischen zitzerte er am ganzen Körper.
"Okay, neue Regel, du antwortest gefälligst in ganzen Sätzen, also?"
"J-ja, ich... Ich.. Ich habe verstanden..."
"Okay... Dreh dich mit dem Gesicht zur Mauer und knie dich hin. Jetzt!"
Ihre Stimme klang so schneidend und fordernd, das er zusammezuckte und sich schnell zur Mauer drehte und sich mit zitternden Knien auf den Boden hockte.
"Arme auf den Rücken!"
Seine Hände zitterten stark, als er den Befehlen seines Gegenüber folgte.
"Geht das auch ohne das ganze gezitter? Ich habe nicht die ganze Nacht Zeit..."
"Ent...Entschuldiging", murmelte er so leise, das es fast nicht zu hören war.
Sie zog ein Seil aus ihter Manteltasche und fesselte seine Arme zusammen. Er zischte kurz auf, als sie das Seil festzog, aber hielt dann erschrocken die Luft an.
"War das zu fest?", fragte sie, aber er schüttelte schnell den Kopf. Sie legte zwei Finger unter sein Kinn und drückte es so hoch, das sie ihm in die Augen sehen konnte.
"Ganze Sätze..."
"Ent...Entschuldigung... Nein... Nein, es... Es ist o-okay so..."
Sie lockerte das Seil trotzdem unbemerkt wieder etwas und hielt ihm wieder den Revolver an die Schläfe, diesmal allerdings von hinten.
"Aufstehen!"
Mit zitternden Knien stand er wieder auf, stolperte und fiel fast um, aber sie fing ihn auf.
"Tz, tz, tz... Laufen müssen wir auch noch üben..."
Er senkte den Kopf und ging einen kleinen Schritt nach vorne.
Sie drehte ihn zu sich um und hob sein Kinn ein Stückchen an.
"Wenn du was zu sagen hast, dann bitte jetzt, aber ich beantworte keine Fragen."
Er sah sie kurz ängstlich an und fing an, sehr leise zu zu reden.
"Meine... Meine mum wird... Wird mich umbringen, wenn sie erfährt, das... Das ich ohne E-erlaubnis auf einer P-party war... G-genau d-davor hatte sie... Hatte sie mich gewarnt..."
Er fing an zu schluchzen.
"Wovor hat sie dich gewarnt?"
Er schluchzte einfach weiter vor sich hin.
"Antworte!"
"Vor... Vor... Vor...", er brach ab, aber als sie den Revolver wieder fester an seine Schläfe drückte, began er wieder zu reden.
"Siehatteangstdasichgekidnapptwerde", sagte er leise und so schnell, das es nichtmal sein Gegenüber verstehen konnte.
"Ganze Sätze, kein nuscheln, kein stottern, einfach reden, okay?"
"Ja... Ja... Sie hatte Angst, das ich gekidnappt werde. Hier ist... Ist Kriminalität zwar nicht... Nicht so ausgeprägt aber... Aber es kommt halt hin und wieder vor. Und erst letzte Wovhe stand... Stand wieder ein Mord in der Zeitung... Sie wird sich umbringen vor Sorge um mich..." Er schluchzte hemmungslos vor sich hin, konnte keinen klaren Gedanken fassen und hoffte einfach, das er in den nächsten Tagen wenigstens genug zu essen und einen vernünftigen Schlafplatz bekommen würde.
In ihren Kopf ratterte es nur so. Die Mutter des jungen, der kaum jünger als sie selbst sein konnte, musste ihren Sohn ja sehr lieben. Ihre Mutter würde das nicht tun. Die wäre vielleicht sogar froh, wenn sie weg wäre, weil sie ja ihrem ach so abscheulichen Vater so ähnlich war. Sie hatte ja nie wirklich vor ihn zu kidnappen, also beschloss sie dem jungen zu helfen.
Sie ruckte kurz an dem Seil, das seine Arme auf seinem Rücken festhielt und hob wieder sein Kinn an, damit sie ihm in die Augen sehen konnte.
"Sieh mich an!"
Sie holte ein Taschentuch aus einer ihrer vielen Manteltaschen und setzte an seine Tränen zu trocknen, aber er wich ihrer Hand aus.
"Na, na, na... Keine Sperenzien, hast du verstanden?"
Sie versuchte es nochmal und diesmal lies er es zu, aber er presste die Augen zusammen, als würde er erwarten, das etwas schlimmes passiert.
"Mach die Augen auf!"
Er öffnete die Augen und versuchte, nicht zu zittern.
"Wo wohnst du?"
Sofort fing er wieder an zu weinen, und zerrte leicht an dem Seil um seine Arme.
"Bitte... Bitte nicht meine Familie... Du... Sie... Sie können mich töten, a-aber... Aber bitte nicht meine F-Familie... Bitte... Bitte lassen sie meine Familie in Ruhe! Bitte... Bitte..."
Seine letzten Worte waren nur noch ein flüstern und er kniff wieder die Augen zu.
Sie legte eine Hand auf seine Schulter und fragte nochmal.
"... Sag mir sofort wo du wohnst und wehe du verarscht mich, klar?"
Er nickte langsam, immernoch weinend  und schluchzend antwortete er ihr.
"Strata de Calle no. 56"
Sie nickte. Das war nicht weit von hier, vielleicht noch 10 Minuten zu Fuß.
Sie steckte den Revolver weg, wischte ihm noch einmal die Tränen aus dem Gesicht und setzte sich in Bewegung, den Jungen vor sich her schiebend.
"Du zeigst mir den Weg."
Er ging vor und sie ihn hinterher, darauf bedacht, das man nicht unbedingt sah, das er gefesselt war.
"D-da vorne ist es"
Er deutete auf ein rotes Haus mit weißen Tür- und Fensterrahmen, das am Ende der Straße lag und wegen zwei Straßenlampen sehr gut erkennbar war. Es war ein schönes Haus. Sie gingen noch ein paar Schritte in Richtung des Hauses...

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