Was würde ich nur ohne dich machen, Linu? Das weiß ich doch nicht, Aliro

Totlachergedanken

Stille.

Absolute Stille.

,,Du!", sagen wir beide gleichzeitig und Joschkas schüchternes Grinsen verschwindet augenblicklich.

,,Was machst du denn hier?", fragt er mich böse.

,,Äh vielleicht zur Schule gehen?!"

Was für eine dumme Frage.

,,Ich dachte, du wärst nach Hamburg gezogen...!"

Nein mein lieber Joschka wie du siehst nicht.

,,Tja falsch gedacht", erwidere ich schnippisch und verschrenke die Arme. ,,Man hatte meinen Vater mit einem seiner Kollegen verwechselt. Der sollte nach Hamburg. Wir nach Köln. Deswegen bin ich jetzt hier." Ich recke mein Kinn in die Höhe. Das hätte der Kerl wohl nicht gedacht.

Tatsächlich sieht er verdutzt aus.
,,Aha", ist alles was er rausbringt. Er hatte wohl gehofft, mich nie wieder sehen zu müssen. Um ehrlich zu sein, dass hatte ich auch. Warum mir dieser Wunsch nicht gewährt wurde, muss ich natürlich gleich erfahren.

,,Und was machst du hier?"

,,Naja", Joschka kratzt sich nervös am Kopf. ,,Ich wurde von der Schule geschmissen."

Zunächst starre ich ihn bloß an; warte, dass er anfängt zu lachen und erklärt, dass er nur einen Witz gemacht hat.

Doch es kommt nichts.

Ich bemerke, dass aber meine Mundwinkel anfangen zu zucken und ich fange an zu prusten.

,,Ey Linu, das ist nicht lustig!", fährt Aliro mich an, doch ich muss immer mehr prusten und dieses Prusten verwandelt sich schnell in ein schallendes Gelächter.

,,AHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHA!!!"

(Extrastarke Betonung für mein huldvolles Lachen!)

Ich kann gar nicht mehr aufhören. Meine Knie knicken weg und ich kippe nach hinten. Mein Kopf knallt gegen die Stuhlkante. Ein kurzer Schmerz zuckt durch mein Gehirn, doch das macht mir nichts aus. Schon liege ich, mich kugelnd vor Lachen, auf dem Boden und wälze mich von links nach rechts.

,,Linu hör auf!" Aliro wieder.

,,I-Ich-ch ka-kann-n nicht! Das ist einfach zu komisch! Ahahahaaa!"

Der Gedanke einfach. Der große Joschka Maddy mit dem reichen Daddy. Das war sein Reim. Dieser Joschka wurde von der Schule geschmissen. Wenn ich mir vorstelle, wie der vor der Direktorin stand, zitternd, und wie sie dann mit ihren spitzen Nägeln auf die Tür gezeigt und ,,Raus aus meiner Schule!" gefaucht haben muss...dieser Gedanke ist einfach nur zum Totlachen.

Langsam beruhige ich mich wieder. Ich versuche mich aufzusetzen, aber das klappt nicht. Mein Kopf tut doch sehr weh. Ich hätte nicht einfach weiterlachen sollen, aber in dem Augenblick hatte ich nur das im Sinne.

Aliro sitzt mit verschränkten Armen auf ihrem Platz und rührt sich nicht. Nach Helfen ist ihr wohl nicht. Also versuche ich es nochmal.

Klappt immer noch nicht.
Na dann kann ich auch gleich liegen bleiben.

Inzwischen stehen Frau Kalivet und Herr Micael wieder im Klassenraum. Frau Kalivet schnauzt mich sofort an: ,,Linu steh auf! Aber ganz schnell! Was machst du überhaupt da unten?!"

,,Ich sonne mich, müssen sie wissen."

Draußen regnet es. Schlau Linu.

Sie läuft nun schon zum dritten Mal heute rot an. Jetzt stampft sie auch noch mit dem Fuß auf. Wütend geht sie zum Pult, schmeißt ihre Sachen zurück in die Tasche und dreht sich zu uns.

,,Ihr seid eine verdammte Scheißklasse!", brüllt sie. ,,Und du, Linu Hagen, bist der allerschlimmste."

,,Soll ich das als Kompliment aufnehmen?", frage ich vom Boden aus. Und die Klasse fängt schon wieder an zu lachen. Auch Aliro und Joschka. Der Direktor allerdings nicht. Er wirkt geschockt.

,,Wie können Sie es wagen, Kinder so zu beleidigen?!", beginnt er grollend.

Ich hätte gedacht, das nun Nummer vier des Rotwerdens starten würde, aber nein. Sehr enttäuschend.

Langsam atmet Frau Kalivet aus.

,,Ich gehe."

,,Haben Sie nicht ge- Wie bitte?!"

,,Ich habe gesagt, ich gehe. Es reicht mir. Endgültig. Sie und Ihr kindisches Benehmen mit Ihren unverschämten Bemerkungen. Ich habe mich immer wieder zusammengerissen und meinen Ärger immer und immer wieder runtergeschluckt. All das hat sich zusammengestaut und ist gestern Abend meinem Freund ins Gesicht explodiert. Mitsamt Ohrfeige. Dabei hatte er mich nur nach der Fernbedienung fragen wollen. Jetzt hat er mich verlassen. So wie Sie es  gerade eben haben verlauten lassen. Und das alles ist ganz allein Ihre Schuld!", schreit Frau Kalivet noch.

Dann schwingt sie sich ihre Tasche über die Schulter und stöckelt, nachdem sie sich ihre Haare ebenfalls über die Schulter geworfen hat, mit erhobenem Haupt aus der Tür.

Oder zumindest wollte sie das. Jetzt liegt sie nämlich mit blutender Nase und ohnmächtig auf dem Boden. Genau wie ich. Nur im schlechteren Zustand. Zum zweiten Mal innerhalb einer Schulstunde werde ich von einem Lachflash geschüttelt. Diesmal liege ich aber wenigstens schon auf dem Boden.

Frau Kalivet ist grade volle Kanne gegen die Klassentür gelaufen.