Kapitel 6

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Freitag, 27. Februar 2013, 21:12 Uhr: Auf der Suche nach dem Outfit für den heutigen Abend tanze ich zu Blurred Lines von Robin Thicke, T.I. & Pharrell Williams durch mein Hotelzimmer. Ich war schon lange nicht mehr so gut gelaunt und das wird heute Abend gebührend gefeiert, denke ich mir, als es an meiner Zimmertür klopft. Ich mache mich auf zu meinem Notebook und schalte die Musik mit gespreiztem Zeigefinger aus. Die Nägel sind frisch lackiert, also lieber nichts riskieren. Hastig schnappe ich mir ein Handtuch und lege es um meinen nackten Körper, ziehe es fest und laufe leise zur Tür. Schade, dass man nicht durchgucken kann. Ich zähle bis drei und schlage schließlich meine Augen auf, als ich die Tür öffne und vor einer attraktiven jungen Dame stehe. Ich schätze, sie ist Anfang 20, gut gekleidet, langes, dunkelbraunes Haar, ein gerade geschnittener Pony und wunderschöne, rehbraune Augen. Einige Sekunden starre ich sie mit offenem Mund an; verblüfft von ihrer Schönheit. Das ist die erste Frau, die ich seit Amber attraktiv finde. Okay, ganz ruhig. Atmen, Chloe. Atmen!  "Ahm, hi! Kann ich dir helfen?" Lässig lehne ich mich an meine Zimmertür, ein Bein über das Andere geschlagen. Ich setze ein leichtes Lächeln auf und beobachte, wie sie eine Haarsträhne mit ihren langen, zarten Fingern umspielt und dabei ihren Blick senkt. Sie kichert und schaut mir schließlich in die Augen. "Hi, glaub schon." Ihr Schmunzeln wird breiter und sie beißt sich auf ihre rotgeschminkten Lippen. Blutrot. "Achja, und wie?" Ich erwidere ihr Grinsen und lasse mich auf sie ein. "Naja. Ich hab dich heute morgen in der Lobby gesehen. Ich weiß nicht, bist mir irgendwie gleich aufgefallen. Wie es aussieht hast du vor wegzugehen!?" Sie hält inne; scheint, als würde sie auf eine Antwort warten. "Ähm, ja.. Ich wollte in's Cameo. Wieso?" Eindringlich sehe ich sie an. Ihr Grinsen wird breiter und da ist es wieder: dieses Kichern; so bittersüß - "Muss wohl Zufall sein. Ich geh auch hin." Braunes Caramel druchdringt mich, durchbohrt mich, erforscht mich. Ganz offensichtlich hat sie etwas vor. "Wie ist dein Name?" platzt es mir heraus. "Joleen." Der Name passt zu ihr. Ohne zu zögern, stelle ich mich vor, obwohl sie nicht einmal danach gefragt hat. "Chloe." Wir sehen uns an; Sekunden, Minuten; keine Ahnung wie lange, aber sie ist verdammt attraktiv. "Um 22 Uhr unten in der Lobby?" Erstaunt sehe ich sie an. "Natürlich. Bis dann." Mit einem Zwinkern und dem perfekten Lächeln verabschiedet sie sich von mir. Joleen ist alles, was ich sagen kann, alles woran ich denke.

21:52 Uhr: Ich habe mich für ein kurzes, tiefschwarzes Kleid entschieden, das eng anliegt und am Rücken einen V-Ausschnitt hat, meine Lippen sind rubinrot geschminkt, ich habe Eyeliner aufgetragen und meine Haare sind  geglättet, sie hängen mir locker um das Kinn und folgen jeder meiner Bewegungen. Mit einem Blick in den Spiegel stelle ich fest, dass etwas fehlt. Natürlich, die Schuhe! Schnell husche ich zu meinem Koffer und schmeiße jedes einzelne Paar heraus, wobei mir eines ganz besonders auffällt: Es ist ein wunderschönes, rubinrotes Paar Pumps mit einem 12cm hohen Blockabsatz. Schnell hole ich sie hervor, streife sie über meine ebenfalls rubinrot lackierten Füße und stolziere durch mein riesiges Hotelzimmer. Ein weiterer Blick in den Spiegel: Haare liegen, Lippen sind wundervoll, Kleid sitzt, Schuhe passen wie angegossen. Es ist selten, dass ich mich selbst schön finde, aber heute ist ein solch seltender Abend. Ich fühle mich gut, sehe toll aus und gehe gleich mit einer wundervollen Frau aus. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich noch 7 Minuten habe. Ich will nicht zu spät kommen, zu früh wäre aber mindestens genauso schlimm. Also räume ich ein wenig auf, schmeiße alle Schuhe zurück in den Koffer und packe mein Make-up zurück in meinen Kosmetikbeutel. Ein letzter Blick in den Spiegel versichert mir, dass alles sitzt. Alles ist perfekt. Zufrieden packe ich mir meine rubinrote Clutch und verlasse mein Hotelzimmer mit dem schönsten Lächeln, das ich hervorbringen kann. Während ich den Lift hole, singt Robin Thicke in meinem Kopf weiterhin: "I know you want it, but you're a good girl." - wie passend. Ohne zu stolpern steige ich in den Fahrstuhl, dessen Wände Spiegel schmücken. Erneut betrachte ich mich, doch finde nicht ein einziges Makel, um allerdings ganz sicherzugehen, zupfe ich einige Strähnen zurecht und atme tief ein und aus. Als ich meine Augen wieder öffne, steht sie vor mir; in voller Pracht: Die langen, dunklen Haare fallen ihr leicht um die Schultern und berühren sanft ihre schönen Brüste, die in dem blutroten Kleid besonders gut zur Geltung kommen. Ihre Augen sind geschminkt, die Augenbrauen hat sie nachgezogen. Ich hätte nie gedacht, dass sie noch schöner sein könnte, aber so steht sie vor mir. Ich muss an Schneewittchen denken, als ich sie von Kopf bis Fuß betrachte. Auch sie mustert mich und ihre wunderschönen Lippen formen sich zu einem bezaubernden Lächeln, das mich ansteckt. "Gut siehst du aus, wunderschön!" Langsam gehe ich auf sie zu, mein Herz schlägt mit jedem Schritt schneller und ich spüre, wie mir die Röte ins Gesicht steigt. "Vielen Dank, kann ich nur zurückgeben!" Verlegen grinse ich sie an. Ganz vorsichtig nimmt sie meine Hand und hakt sich unter. Arm in Arm verlassen wir das Hotel und begeben uns in das Cameo, einem Nachtclub im Süden von Miami Beach. Der Wind weht ganz leicht und lässt ihre Haare ein wenig fliegen; kichernd bleibt sie stehen und mustert mich. Für einige Sekunden blickt sie mir ganz eindringlich in meine gläsernen Augen. Ich will sie und das weiß sie - vom ersten Augenblick an. Ganz langsam streicht sie mir durch mein Haar und formt ihre Mundwinkel zu einem ansteckenden Grinsen. "Du bist schön!" Wieder erröte ich. "Lass uns gehen!" Ich muss grinsen und kitzle sie einige Male, bevor wir lachend weitergehen, in Richtung Horizont.

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