Kapitel 1 Teil 1

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Als sie an der Theke der Getränkebar des Fitnessstudios in der Torstraße saß, konnte sie endlich durchatmen. Bislang war ihr Tag nicht gerade ideal verlaufen, aber sie freute sich auf die Unterrichtsstunde, die sie in einer Viertelstunde beginnen durfte. Nach zahlreichen Rückschlägen, empfand Emi Moorkamp es nun fast schon als Privileg, im Chrome Fitness Yoga unterrichten zu dürfen. So viele andere Studios hatten ihr eine Absage erteilt. Dabei hatte sie es sich so schön ausgemalt, sich mit ihrem Hobby selbstständig zu machen. Leider musste sie sich eingestehen, dass das viel einfacher klang, als es wirklich war. Die guten Zeiten, in denen Yogalehrer händeringend gesucht wurden, waren vorbei. Eine Flut von Lehrerworkshops machte alle binnen weniger Tage zu absoluten Experten auf dem Gebiet. So jedenfalls die landläufige Meinung der Studiomanager, wenn sie ihr sagten, warum sie keine Stunden an Selbstständige outsourcten. Und das Schlimmste daran war, dass das für die Art von Yogaunterricht, den sich die Betreiber vorstellten, sogar stimmte.

Ihre langjährige Bekannte Isa unterhielt sich neben ihr noch mit einem ihrer Klienten. Den Auftrag für das Chrome Fitness hatte Emi nur ihretwegen bekommen, weil sie sich bei David, dem Besitzer, für sie eingesetzt hatte. Doch er wurde nicht müde zu betonen, dass sie sozusagen unter Bewährung stand. Keine Esoterik, nur Sport. Das war sein Anspruch und Emi wusste, dass sie am Anfang Kompromisse machen musste, um das Geld für die Miete aufzutreiben. Wenn es irgendwann besser lief - und sie war überzeugt, diese Zeit würde kommen - wollte sie ihre eigenen Regeln durchsetzen.

Isa war gleichzeitig ihre Rettung und ihre Inspiration gewesen. Als sie sich kennenlernten, hatten sie beide gerade ihr Medizinstudium begonnen. Nach dem ersten Jahr schmiss Isa jedoch hin und wechselte den Studiengang. Sport war schon immer ihre Leidenschaft gewesen und sie hatte den Mut gefasst, genau das zu tun, was sie liebte. Auch wenn der Arztberuf ihr ein höheres Grundgehalt versprach, wagte sie den Absprung. Mittlerweile war sie eine gefragte Personal Trainerin für Berliner Leistungssportler, die gezielten Muskelaufbau brauchten oder sich von einer Verletzung erholten.

Für diesen Beruf war es zu Isas Glück unerheblich, dass sie lieber ungewöhnlich aussah. Schon damals hatte sie einzelne Tattoos auf den Armen gehabt. Heute hatten sich diese zu einem bunten Gesamtkunstwerk vereinigt. Bei der Arbeit trug sie Kleidung, die dies eher betonte als verdeckte. An diesem Tag bot ein schwarzes Tanktop mit dem Aufdruck des Chrome Fitness den Ausblick auf Teile des Kunstwerks. Es schlängelte sich von ihren Armen hinauf auf ihre Schultern und verschwand dann verheißungsvoll unter dem Stoff. Auch im Halsausschnitt war etwas Farbe zu erahnen. Im Arztberuf hätte sie das niemals umsetzen können, langärmlige Rollkragenpullover wären unter dem Kittel notwendig gewesen.

Hier musste sie sich für ihre Arbeit nicht verbiegen und das, was Isa sich erarbeitet hatte, wollte Emi auch für sich. Sie hatte zwar ihr Studium und das praktische Jahr hinter sich gebracht und hätte sicher auch eine Anstellung in einem Krankenhaus gefunden, aber das war eben nicht, was sie wirklich wollte.

Die blonde Fitnesstrainerin bestellte dem Sportler noch einen Eiweißshake bei Vanessa, die an diesem Tag die Theke betreute, und wandte sich anschließend Emi zu.

»Na, wie läuft's?«, fragte sie wie immer verboten gut gelaunt.

»Eher mäßig bis schlecht, aber was soll's?«, antwortete Emi und ahmte den unbeschwerten Ton nach. Es war die Wahrheit, aber es würde sie nicht umbringen. Sie nagte nicht am Hungertuch und zur Not würden ihre Eltern ihr mal wieder aushelfen. Nur ihr Ego litt tatsächlich unter den ständigen Absagen, aber sie war nicht bereit schon aufzugeben. Sie probierte es erst seit drei Monaten und manchmal brauchten die Dinge eben länger.

Isa seufzte und zog die Brauen hoch.

»Wenn ich irgendwie helfen kann, sag einfach bescheid«, bot sie an.

Unter Verdacht: Moorkamps erster Fall (Leseprobe)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt