Mit ihrer Matte unter dem Arm und dem Telefon in der Hand trat sie aus dem Raum. Das würde sie ihm nicht durchgehen lassen. Mit wachsamem Blick schlich sie durch das Studio. Lange musste sie nicht nach Thomas suchen. Er stand in einer Gruppe muskulöser Männer im Erdgeschoss an der Getränkebar. Die Auszubildende, ein junges dunkelhäutiges Mädchen, deren Eltern irgendwo aus Zentralafrika stammten, kümmerte sich um die Getränkewünsche und war sichtlich überfordert mit dem Andrang der polternden Meute. Der Ton war rau und doch der Möchtegern-Weiberheld tat keinen Handschlag, um dem Mädchen zu helfen.
Sie ging betont langsam die Treppe runter, weil sie spürte, dass einige Augenpaare auf sie gerichtet waren. Kaum dass sie die Gruppe Männer erreichte, schwieg die Meute. Alle starrten sie nun an. Sogar Vanessa hinter der Bar hielt inne und sah von der plötzlichen Stille beeindruckt zu ihr herüber. Einige der Zuschauer grinsten blöde, als wüssten sie, was als Nächstes kam. Vielleicht hatte er ja bereits mit seinem grandiosen Streich geprahlt. Emi hielt das Telefon in die Höhe. Sie zählte nicht gerade zu den kleinsten Frauen und musste deshalb kaum zu Thomas aufschauen.
»Na, vermisst du etwas?«
Thomas besaß die Frechheit, die Lippen zu einem Schmunzeln zu verziehen. Sie schüttelte verächtlich den Kopf. Ja, wirklich sehr witzig. Sie würde der Sache jetzt ein für alle Mal ein Ende machen. Gleich würde er nichts mehr zu lachen haben.
»Oh, mein Handy«, heuchelte er. »Schön, dass du es gefunden hast. Wo war es denn?«
Der Zorn drohte, sie vollends zu übermannen.
»Was glaubst du eigentlich, wer du bist?«, presste sie hervor.
»Ich weiß gar nicht, was du meinst«, tönte er süffisant. Aus seiner aufgepumpten Gefolgschaft platzte ein hämisches Lachen, das wie das Niesen einer Bulldogge klang. Sie konnte das Geräusch keinem speziellen Mann zuordnen. Zu sehr war sie auf Thomas fixiert. Jetzt hatte er endlich ihre ersehnte Aufmerksamkeit, doch Emi vermutete, dass er sich das ein wenig anders vorgestellt hatte.
»Dann hast du also keinen Timer gestellt, um meinen Unterricht zu stören?«
Sie hielt das Gerät fest umklammert, als wäre es ihr rettender Anker. Doch Thomas zuckte nur mit den Schultern.
»Und wenn es so wäre?«, provozierte er sie weiter. »Würde mir die kleine Yogamaus dann den Arsch versohlen?«
Er verzog den Mund zu einem Schmollen und die Meute grölte vor Lachen. Sämtliche Beherrschung fiel nun von ihr ab. Seinen verdammten Arsch wollte sie nicht mal mit einem Müllpieker berühren.
»Sprich mich nie wieder an und wage es nicht, mich noch einmal anzufassen, sonst breche ich dir beide Arme«, zischte sie.
Mit einer einzigen kraftvollen Bewegung schmetterte Emi das Telefon zu Boden und hörte trotz des anhaltenden Gelächters, wie das Display in tausend Teile zersprang.
»Bist du völlig behindert?«
Alle Farbe wich aus Thomas' Gesicht. Der Hofstaat verstummte. Auch Emi schwieg. Einerseits befriedigte der Akt der Zerstörung sie auf eine ungewohnte Weise. Sein Gesichtsausdruck machte das Ganze nur noch besser. Beinahe hätte sie laut gelacht, aber sie hatte sich wieder halbwegs im Griff. Andererseits erschreckte es sie, dass sie zu dieser Tat fähig war.
»Du scheißbescheuerte Schlampe!«, wütete Thomas weiter.
In dem Augenblick trat der Studioleiter aus seinem Büro, das sich hinter der Bar befand. Er musste von drinnen alles mit angehört haben. David füllte mit seinen breiten Schultern fast die komplette Tür aus und musste sich nicht künstlich aufpumpen, um Autorität auszustrahlen. Bis vor wenigen Jahren war er professioneller Handballspieler gewesen. Er hatte es sogar in die Nationalmannschaft geschafft und sich nach dem Ende seiner Karriere dieses Studio gekauft.
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Unter Verdacht: Moorkamps erster Fall (Leseprobe)
Mystery / ThrillerEmi Moorkamp glaubt fest an das Gute im Menschen. Nichts wünscht sie sich mehr, als mit ihrer großen Leidenschaft, dem Yoga, ihren Lebensunterhalt verdienen zu dürfen. Der Tod eines Fitnesstrainers durchkreuzt ihre Pläne und sie findet sich als Haup...