Kapitel 1

23 5 4
                                    

Ein Monat später

Unknown POV

Wie fast jeden Abend saß ich auch heute, obwohl mich viele Leute am liebsten tot sehen wollten und Jagd auf mich machten, in meiner Lieblingsbar. Ich wusste nicht, was ich an dieser stickigen und viel zu lauten Massenbesauf- und Prügelstelle so toll fand, aber aus irgendeinem Grund gefiel es mir hier.
Das gedimmte Licht war durchzogen von Rauchschwaden, deren Geruch mein Gehirn vernebelte und mich nicht mehr klar denken ließ.
Angewidert rümpfte ich die Nase und widmete mich wieder den Bierflaschen, die vor mir auf dem Tresen in einer Reihe platziert waren. Wie viele es waren, konnte ich nicht mehr feststellen, da ich alles doppelt sah. Somit hätten es vier, aber auch acht Flaschen sein können.
Dass mir meine schwarzen Haare strähnig in die Augen hingen und mir die halbe Sicht verdeckten, machte die Sache nicht besser.

Wieso ich mich so maßlos betrank?

Ich war verdammt nochmal frustriert!

Irgend so eine Missgeburt hatte mir meinen Job, meinen Auftrag geklaut!
Ich war der unumstrittene Favorit unter den Auftragskillern. Abgesehen vom Backen der weltbesten Waffeln, war Töten aber auch das Einzige, was ich konnte.
Viele sahen deshalb nur den kalten, erbarmungslosen Killer in mir, der ich in gewisser Weise auch war, sonst würde ich nicht für Geld Menschen umbringen, sondern würde, nachdem ich einen Strickkurs besucht hätte, meinen eigenen Bauernhof aufbauen, Schafe züchten und aus deren Wolle Unterhosen stricken. Oder ich würde Bioseife mit Rosengeruch aus der Milch meiner Schafe herstellen. Auf diese Idee werde ich in 60 Jahren zurückkommen, wenn ich wegen meinen Holzbeinen - weil ich irgendwann in irgendeinem Kampf zu hundert Prozent meine Beine verlieren werde - so gehbehindert bin, dass ich niemanden mehr umbringen könnte.
In dem hoffnungslosen, zugegebenermaßen zwecklosen Versuch, einen klaren Kopf zu bekommen, bestellte ich mir eine Flasche Wodka.

Aber meine Stimmung blieb trotz Alkohol schlecht.

Eigentlich sollte ich mich glücklich schätzen, dass ich überhaupt einen Job gefunden hatte. Vor allem, da mich meine vorherige Stelle sehr belastet hatte. Mein „Boss" war ein ziemliches Arschloch. Allein schon, dass er mich zu meiner Arbeit gezwungen hatte, machte ihn unerträglich. Obwohl ich sehr gut bezahlt wurde, war ich echt froh gewesen, als ich rausgeschmissen wurde.
Allerdings hatte ich nun eintausend weitere Probleme, eben weil ich rausgeschmissen wurde.
Zum Beispiel, dass mich jetzt jeder Vollidiot nach Lust und Laune umbringen konnte.
Mit der Zeit hatte ich es jedoch geschafft, in der Menschenwelt ein neues Leben aufzubauen mit allem, was ich brauchte; ein Obdach und eine Möglichkeit, Geld zu verdienen, auch wenn diese „Möglichkeit" nicht ganz legal war...

Um meine Aggressionen und meinen Frust abzubauen, da es sich so anfühlte, als würden meine Adern jeden Moment platzen, sah ich zu dem Mädchen, welches ungefähr drei Meter von mir entfernt saß und ging zu ihr.
Natürlich war mir der Typ an ihrer Seite aufgefallen. Er war eigentlich auch der einzige Grund, weshalb ich zu ihr ging.
Er war offensichtlich ihr Freund, was ich an dem übermäßigen Testosteron, welches von ihm ausging, erkennen konnte. Hoffentlich wird er eine Schlägerei mit mir anfangen, wenn ich seine Freundin anbaggere und nicht eines dieser Weicheier sein, welches mich dann lieb bittet, von seiner Freundin wegzugehen. Das glaubte ich aber nicht, er sah ziemlich muskulös aus und wirkte auch so, als würde er schnell aus der Haut fahren.
Ich lehnte mich neben der jungen Frau an den Tresen, hob anzüglich meine Augenbrauen und säuselte: „Na, Süße, wie viel willst du für eine Nacht?"
Wohlwissend, dass ihr Bodybuilder-Freund gleich ausrasten würde, begab ich mich bereits in Kampfposition, während ich gespannt darauf wartete, dass die Bedeutung meines ach so komplizierten Satzes bei seinem Mikrohirn ankam.
Der Gesichtsausdruck des Mannes wechselte schleichend von kompletter Verwirrung zu ziemlich angepisst. Die geballte Wut, die von ihm auf mich einschlug, juckte mich relativ wenig, denn genau das war mein Ziel gewesen.
Eine Prügelei zu provozieren.
Wie in Zeitlupe stand er auf, stellte mir die rhetorische Frage, was ich gesagt hätte und hob seine geballte Faust.
Wie klischeehaft.
Mit einem „Du hast mich schon verstanden" duckte ich mich unter seiner bereits zuschlagenden Faust, um ihm anschließend mein Knie in seinen Unterleib zu rammen. Schmerzvoll stöhnend ging er zu Boden.
Das war zu einfach.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sich seine Freundin aus ihrer Schockstarre löste und kreischend zu ihm eilte.
Was eine nervige Hoe.
Mittlerweile hatten sich auch die letzten Bargäste um uns versammelt, jedoch mischte sich leider niemand dieser besoffenen Loser ein.
Schade, mehrere zu verprügeln wäre sicher unterhaltsamer geworden.
Ein letztes Mal trat ich auf dieses „Muskelpaket" ein und verließ die Bar.

Die kühle Nachtluft empfing mich, als ich aus der stickigen Bar trat. Frustriert taumelte ich nach Hause, wobei ich zwei Mal fast überfahren wurde.
In meiner kleinen Dachbodenwohnung war es dunkel, unaufgeräumt und stickig. Ich tastete mich von meiner Eingangstür zu einem der beiden Lichtschaltern in dieser Drecksbude. Ich hätte mir zwar etwas Größeres beziehungsweise Luxuriöseres leisten können, wollte es aber nur auf das Nötigste beschränken, da ich sowieso ständig umziehen musste und nie länger an einem Ort blieb.
Als ich den Lichtschalter endlich gefunden hatte, musste ich drei Mal mit Gewalt gegen diesen verdammten Schalter schlagen, bis die kleine, lose Glühbirne über meinem Esstisch fahles Licht in das Zimmer warf, welches Schlafzimmer, Wohnzimmer und Küche in einem darstellte.
Ich stolperte zu meinem kleinen Kühlschrank, um meine halb leergetrunkene Flasche Wodka rausholen und meine Gedanken damit zu ertränken.
Gerade am Abend beziehungsweise in der Nacht ließen diese mir keine Ruhe. Sie schienen mich zu erdrücken, in den Wahnsinn treiben zu wollen.
Ich fand keinen Schlaf, Nacht für Nacht.
Das Einzige, was diese alltäglichen Momente erträglich machte, war Alkohol.
Als ich die Flasche geleert hatte, schaffte ich es gerade noch so, zu meinem Bett zu kriechen und schon war ich weg.

Sonnenstrahlen schienen mir durch das verschmutzte Dachfenster direkt ins Gesicht. Langsam schlug ich die Augen auf und bereute es sofort. Mein Kopf fühlte sich an, als würde er gleich platzen. Hastig schloss ich meine Augen wieder und fuhr mir mit der Hand übers Gesicht.
Jeden morgen die gleiche Scheiße.
Das lautstarke Klingeln meines Telefons zwang mich schließlich doch dazu aufzustehen.
Qualvoller Schmerz durchzog meinen Kopf als ich mich schwerfällig aus dem Bett hievte.
Mit einem genervten „Ja" nahm ich den Anruf entgegen.
„Spreche ich mit Victor?"
Jetzt wird's interessant.
Immerhin kennen nur meine Kunden meinen zugegebenermaßen bescheuerten Decknamen.
„Genau der. Wo drückt der Schuh?"
Kurz herrschte verwirrte Stille, als er oder sie sich fasste und sagte: „Ich will, dass Sie jemanden für mich töten."
Die Stimme wurde von einem Rauschen beinahe übertönt, weshalb ich nicht erkennen konnte, ob mein Auftraggeber ein Mann oder eine Frau war.
„Was? Echt? Wie kommen Sie denn auf so was?!", erwiderte ich sarkastisch.
Kurz hörte ich ein Fluchen, dann ertönte die Stimme am anderen Ende der Leitung erneut.
„Oh, ich entschul-"
Gott, wie dumm.
Um meiner geballten Dummheit freien Lauf zu lassen, vielleicht waren es aber auch noch Nachwirkungen des Alkohols vom Vorabend, unterbrach ich ihn oder sie: „Wissen Sie. Ich betreibe einen Biobauernhof und verkaufe Schafsmilchseife mit Rosengeruch und selbstgestrickte Wollunterhosen. Haben sie vielleicht Interesse?"
Innerlich schrie ich vor Lachen.
Erneut herrschte eine verwirrte Stille.
Wie unfassbar unterbelichtet kann eine Person sein?!
Da es nicht so schien, als würde diese Person jemals darauf kommen, dass so etwas wie Sarkasmus existierte, beschloss ich, das Ganze aufzulösen. Ich kann es nicht riskieren, den Auftrag zu verlieren, nachdem der letzte schon ins Wasser gefallen war.
„Das war sarkastisch, mein Gott! Ja, ich bin ein Auftragskiller - übrigens der beste, den sie finden konnten - und nein, Sie haben sich nicht verwählt. Um wen handelt es sich bei der Zielperson?"
Offensichtlich überrascht von der unerwarteten Wendung stammelte der Unbekannte: „Ja...wie dem auch sei. Morgen um Punkt fünf Uhr wird eine Friedensverhandlung zwischen den zwei Höfen an der Grenze stattfinden. Ihre Aufgabe wird es sein, den Botschafter des Südens umzubringen."
Sofort horchte ich auf.
„Oho, also einer der feinen Herren. Das wird dann wohl auch teurer werden."
Mein Gesprächspartner lachte auf: „Das wird kein Problem sein. Wie viel wollen Sie und wo findet die Übergabe statt?"
Er macht das offensichtlich nicht zum ersten Mal.

Es wird mir eine Freude sein, mit ihm Geschäfte zu machen...

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: May 31, 2019 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Only mine || *pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt