Stephanie
Stephanie wurde am nächsten Morgen durch ein lautes Schrillen aus dem Schlaf gerissen und tastete mit halboffenen Augen in Richtung der Stelle, wo sie ihren Nachttisch erwartete, nur um festzustellen, dass dort nichts war. Erschrocken schlug sie die Augen nun vollständig auf und setzte sich hastig im Bett auf. Ihr stockte der Atem bei dem Anblick, der sich ihr bot. Sie lag in einem großen Himmelbett mit meerblauen Bettbezügen und weichen Kuschelkissen in dunklen Grautönen. Strahlend weiße Wände blickte ihr entgegen und eine große Fensterfront ließ die erste morgendliche Helligkeit ins Zimmer. Überall hingen Bilder von einem Mädchen, das ihr vollkommen unbekannt war. Mittelblonde gelockte Haare, schlank, mit einem sehr sportlichen Körperbau. Eine Menge Pokale zierten ein Regal über dem Bett und ein geradezu penibel sauberer Schreibtisch ließ vermuten, dass in diesem Zimmer ein besonders fleißiges Mädchen zuhause war. Stephanies gedanken überschlugen sich. War sie am gestrigen Abend zu einem fremden Mädchen mit nach Hause gegangen? Doch wo war das Mädchen nun? In diesem Moment platzte eine Frau mittleren Alters ins Zimmer, sie hatte die gleichen Haare wie das Mädchen auf dem Foto und strahlend blaue Augen, die in diesem Moment jedoch alles Andere als freundlich dreinblickten. "KIMBERLY", rief die Frau wütend und lief zum Bett. Stephanie war so verwirrt von der Situation, dass sie sich immer noch nicht rühren konnte.
Erst jetzt fiel ihr auf, dass der Wecker, der, wie sie nun bemerkt hatte, auf einer Ablage am Kopfende ihres Bettes stand, immer noch laute und unangenehme Geräusche von sich gab. Die Frau hatte das Schrillen endlich abstellen können und baute sich wütend vor dem Mädchen auf. "Was denkst du dir dabei, Madame? Du weißt doch ganz genau, dass Martin seinen Schlaf braucht. Er ist doch noch so klein. Kimberly, was ist denn nur los heute? Du bist doch sonst die rücksichtsvolle große Schwester. Bist du krank?" Stephanie war sprachlos. Offenbar verwechselte die Frau sie gerade mit einem Mädchen namens Kimberly, allerdings musste sie doch sehen, dass sie eben nicht diese Kimberly war. Steph konnte nur den Kopf verneinend schütteln als Antwort auf die ihr eben gestellte Frage und richtete sich noch etwas gerader im Bett auf. "Naja, wird wahrscheinlich einfach die Aufregung sein, dass heute dein 17. Geburtstag ist. Herzlichen Glückwunsch mein großer Schatz!" Mit diesen Worten umarmte die Frau Stephanie und streichelte ihren Rücken. "Du hast Glück, dass heute Samstag ist, da können wir gemeinsam frühstücken. In einer halben Stunde werde ich dein Geburtstagsfrühstück vorbereiten, sobald dein Bruder aufgewacht ist. Komm dann einfach nach unten. Papa ist ja leider schon zur Arbeit, er wollte dich nicht wecken. Er hat heute morgen zwei wichtige OPs, will aber am Nachmittag zum Kaffee wieder da sein, wenn Oma und Opa kommen."
Stephanie nickte, immer noch etwas überwältigt von der Situation und blickte der fremden Frau nach, die nun wieder das Zimmer verließ und die Tür hinter sich ins Schloss fallen ließ. Kaum war sie wieder allein hüpfte sie hektisch aus dem Bett und rannte zu einem großen Spiegel, der an der Tür hing. Erschrocken sprang sie zurück. Sie konnte nicht glauben, was ihr aus dem Spiegel entgegenblickte. Da stand ein Mädchen mit mittelblonden Haaren, die zu einem Dutt zusammengebunden waren, welcher vom Schlaf leicht zerzaust war. Ein schlanker Körper, mit sportlichen Proportionen stach ihr ins Auge. Ungläubig in den Spiegel starrend, tastete sie den fremden Körper ab. Das war nicht sie, Stephanie, das war das Mädchen, was sie bereits auf den Fotos gesehen hatte. Angst überkam sie. Panisch lief sie im Zimmer auf und ab und rieb sich dabei immer wieder die Augen und versuchte sich mithilfe von leichten Kniffen in ihren Arm aus diesem Alptraum aufwachen zu lassen. Es war unmöglich. Wie auch immer das passieren konnte, sie war in einem fremden Körper gefangen. Zitternd ließ sie sich aufs Bett zurückfallen und atmete tief ein. Erst jetzt spürte sie einen starken Schmerz in ihrem Kopf und ein leichtes Schwindelgefühl, was sie ganz klar als einen Kater vom gestrigen Abend identifizieren konnte.
Immerhin zeigte ihr dieser Schmerz, dass sie nicht vollkommen verrückt geworden war und sie tatsächlich am vorherigen Abend noch in ihrem eigenen Körper gesteckt hatte und mit ihren Freunden feiern gewesen war. Sie befahl sich selbst, ruhig zu bleiben und die Situation zu analysieren. Das letzte, an das sie sich erinnern konnte, war, dass sie mit ihren Freunden um Punkt zwölf Uhr anstoßen wollte auf ihren Geburtstag. Danach war alles schwarz. Nun war sie in einem fremden Zimmer, einem fremden Körper aufgewacht. Der Körper eines Mädchens, welches offenbar Kimberly hieß, einen Arzt als Vater hatte und einen kleinen Bruder namens Martin. Ein Blick zur Uhr zeigte ihr, dass bereits eine Viertelstunde vergangen war, seit sie auf die fremde Frau, welche die Mutter gewesen zu sein schien, getroffen war. Eigentlich hatte sie ganz sympathisch gewirkt. Ihr blieben noch 15 Minuten, um das Mysterium zu lösen, in dem sie steckte, denn dann war das Geburtstagsfrühstück angesagt. Also ließ Stephanie ihren Blick durchs Zimmer schweifen und blieb am Schreibtisch hängen. Dort lag ein Stück Pergament, mehrmals zusammengefaltet. Sie wusste nicht warum, aber dieses Blatt hatte eine enorme Anziehungskraft auf sie, sie musste einfach hingehen und schauen, was sich darauf verbarg.
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Ein Jahr sind 365 Tage
Teen FictionStephanies Leben ist die reinste Katastrophe. Drogen, Alkohol, rauchen und Partys sind Alltag in ihrer Familie. Der Jugendlichen gefällt es, einfach nur in den Tag zu leben und zu feiern, ich meine, wer braucht denn schon Schule? Kimberly ist genau...