Der Neustart

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Die letzte Kiste war gepackt. Rachel nahm ihren Rucksack und ihren Koffer und brachte sie zum Taxi. Ihr Vater Adam brachte die Kiste zum LKW, in dem bereits die übrigen zahllosen Kartons, Möbel, elektronischen Gerät bereit zur Abfahrt waren. Sämtliche Habseligkeiten von Rachel waren in ein einziges Fahrzeug gepackt, um einmal quer durch die USA transportiert zu werden.
Mit einem freudigen und einem weinenden Auge stand die 18-Jährige an der Haustier. Vor ihr stand mit Tränen in den Augen ihre Mutter Sarah. Sie musste ihre einzige Tochter ziehen lassen. Zwar wohnten Rachels Brüder David und Noah noch Zuhause, aber es tat der Mutter dennoch weh. Ihre kleine Rach war das erste Kind, das ausziehen würde und dann auch noch ans andere Ende des Landes.
Ihre Eltern hatten nie wirklich verstanden, warum Rachel weit weg wollte. "Du kannst doch auch in Harvard oder Princeton deine Wunschfächer studieren. Warum muss es Seattle sein?" hatten sie immer wieder ihre Tochter gefragt.

Doch Rachel wollte endlich auf eigenen Beinen stehen. Sie wollte nicht mehr wie ein kleines Kind behandelt werden. Die junge Frau war schon immer ein freier Geist gewesen, der eigenständig sein wollte. Ihre Eltern hatten sich ein kleines, gastronomisches Unternehmen aufgebaut. Sie führten eine kleine Diner-Kette in Maine. Ständig waren sie unterwegs und wenig da für ihre Kinder. Rachel musste daher quasi dauerhaft auf ihre beiden Brüder aufpassen. Für eine Teenagerin war das sehr anstrengend auf einen Neunjährigen und einen Zehnjährigen zu achten, während sie stattdessen lieber an Strand von East End gefahren wäre, um dort Zeit zu verbringen. Im Winter wäre sie gerne im Café gewesen, um in Ruhe ein Buch zu lesen. All das war für Rachel nie wirklich möglich gewesen. Ihre Brüder hatten immer Vorrang. Sie hatte nur Zeit für sich, wenn sie lernen musste. Sarah und Adam haben immer Wert auf eine gute Schulbildung ihrer Kinder gelegt, umso begeisterter waren sie, als sie erfahren haben, dass Rachel Jahrgangsbeste sein würde und ihr sämtliche Colleges offenstanden.

Für die Abschlussschülerin war Seattle die einzige Chance endlich das Elternhaus zu verlassen und weit weg zu studieren. Nach zahlreichen Diskussionen hatten ihre Eltern Rachels Entscheidung akzeptiert und halfen ihrer Tochter den Umzug zu organisieren. Adam kannte einige Gastronomen in der Stadt, sodass Rachel recht schnell einen Aushilfsjob in einem kleinen Café gefunden hatte. Die Studiengebühren wollten unbedingt ihre Eltern zahlen. Da ließen sie nicht mit sich diskutieren. Vermutlich hätte Rachel es auch nie geschafft die Studiengebühren zu bezahlen. Fast 52.000 Dollar sind für die 18-Jährige viel Geld, obwohl sie in ihrem Leben immer das Neuste vom Neuen besaß. Darauf hatte sie aber nie Wert gelegt.

Nun standen die fünf an der Haustür. Auf der Straße wartete der ungeduldige Taxifahrer, der bereits genervt auf dem Lenkrad rumtippelte. Der LKW-Fahrer hatte Adam die letzte Kiste abgenommen und auf der Ladefläche verräumt. Auch er hatte es eilig. Schließlich wartete auf ihn eine mehrtägige Fahrt quer durch das Land. Er hatte sich vermutlich nur darauf eingelassen, weil Rachels Eltern ihn überdurchschnittlich dafür bezahlt hatten. Vor der Abfahrt ließ er sich ein Dokument unterschreiben, verschwand er wortlos ohne ein Wort des Abschieds in der Fahrerkabine und brauste davon in Richtung Route 95. Der Taxifahrer wurde dadurch noch ungeduldiger und hupte aufdringlich.

Sarah umarmte ihre Tochter, während der Vater ihr zaghaft auf die Schulter klopfte. "Wir sind so stolz auf dich", presste Rachels Mutter heraus, bevor sie sie wieder losließ. "Ich melde mich, wenn ich angekommen bin bei euch", versprach Rachel mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, bevor sie ihren Koffer nahm, um zum Taxi zu gehen. Ihre Mutter, die zwischenzeitlich ein Taschentuch voll geschnäuzt hatte, erwiderte: "Und bitte auch bevor du ins Flugzeug steigst, Rachi!" Rachel verdrehte die Augen. Sie konnte es nicht ausstehen, wenn ihre Mutter sie "Rachi" nannte und so überfürsorglich war - dabei waren die Eltern in den letzten Jahren kam da gewesen. "Ja, Mom", versprach Rachel leicht genervt, wandte sich von den Eltern ab und ging zum Taxi. Der Fahrer machte keine Anstalten, der brünetten Frau zu helfen. Also musste Rachel ihren großen, schweren Koffer alleine in den Kofferraum des Fahrzeug hieven. Nachdem das Gepäck verstaut war, wischte sich Rachel eine Träne aus den Augen. Ganz so einfach fiel ihr der Abschied doch nicht, wie sie eigentlich tat.

Bad Love InterestWo Geschichten leben. Entdecke jetzt