Prolog

31 0 1
                                    

Eins... Zwei... Ich laufe weiter den endlos dunklen Flur entlang. Vorsichtig und mit Bedacht. Die einzige Lichtquelle ist ein warmer flackernder Kerzenschein unter dem Türspalt auf den ich zugehe. Wie in Trance tragen mich meine Beine weiter nach vorn. Leise und monoton gesprochene Worte dringen mir entgegen. Eine Männerstimme. Tief und verführerisch. In mir kommen gemischte Gefühle auf. Neugier und Furcht. Eine gefährliche Kombination. Doch mein Körper schleicht nach wie vor über die kalten Holzdielen und scheint nicht stoppen zu wollen.

"Warst du ein braves Mädchen?" Ich halte Inne. Meint er mich? Mein Kopf nickt automatisch und ich scheine keine Kontrolle über meinen Körper zu haben.  "Sehr gut. Dann hast du dir eine Belohnung verdient." Die feinen Härchen auf meinen Armen stellen sich auf. Meine Kopfhaut beginnt zu prickeln. Er kann unmöglich mich meinen.

Ein lauter Knall ertönt. Vor Schreck kommt ein kurzer Schrei aus meinem Mund. Oder war es der einer anderen Frau? Alles in mir ist bereit umzudrehen und zu flüchten. Doch ich stehe höchst angespannt vor der Tür. Leise Schritte ertönen hinter ihr und ein Schatten huscht durch das einzige Licht. Ich halte den Atem an. Die Silhouette eines Mannes ist deutlich unter dem Türschlitz sichtbar. "Lauf Tilda," flüstere ich wie ein Mantra, wieder und wieder.

Ein sehr leises, fast schon flehendes Winseln kommt durch die Tür. Weiblich und erregt. Doch dann spüre ich eine fremde Hand auf meinem Mund und ich weiß das der Schrei zuvor nicht von mir war. Eine weitere Hand legt sich fest auf meine Augen und ich werde von der Tür weggezogen. Ein dumpfes, immer lauter werdendes Klopfen lässt mich meine Augen öffnen.

"Mathilda, alles in Ordnung bei dir?" dringt die Stimme meiner Mutter durch die geschlossene Badezimmertür. Ich schnappe nach Luft und richte mich ruckartig auf. Ich sitze in der Badewanne und bin zu Hause bei meinen Eltern. Noch immer klopft meine Mutter, fast schon panisch, an die Tür. "Ja, alles gut," krächtze ich aus meinem Mund, "habe nur ein Video geschickt bekommen. Du kennst doch Izzy. Sie wollte mich erschrecken." Das sollte sie erstmal überzeugen. Wie gut, das ich so schnell einen klaren Kopf fassen kann. "Und ich hatte schon Angst du würdest in deinem Badewasser ertrinken. Du weißt ja was für eine schlechte Schwimmerin du bist." Ein kurzes und herzliches Lachen ertönt. "Denk bitte daran dich zu beeilen, Mathilda. In einer Stunde kommt die Familie. Und man wird schließlich nicht nur einmal im Leben zwanzig Jahre alt." Und schon ist sie weg.

Doch die Erinnerungen an meinen Traum werden mich in den nächsten Tagen weiterhin verfolgen.



Tilda's Bestimmung - Incubror 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt