Eingesperrt

6 3 0
                                    

An dem Tag als mir zum ersten Mal wirklich klar wurde das ich wohl nie wieder in die Welt außerhalb des Zaunes gehen dürfte, brach alles für mich zusammen. Als ich damals hier her kam , war ich 16 Jahre alt. Ich hatte so viele Hoffnungen, Wünsche und Ziele was ich in meinem Leben machen wollte. Ich wollte mein Leben genießen. Doch als ich dann eines Morgens hier hergebracht wurde, und die Tore des unüberwindlichen Zaunes sich hinter mir schlossen, blieben all diese Ziele, diese Wünsche, diese von mir erträumte Zukunft, davor. 

In der ersten Zeit die ich hier verbrachte, wollte ich das alles nicht wahr haben. Ich war ängstlich und erschrocken. Und so hoffte ich Tag für Tag darauf das ich diesen Ort endlich verlassen könnte. Doch das dürfte niemand der einmal hier er kam. 

Ich hatte hier eine eigene kleine Wohnung bekommen. Sogar mit einem kleinen Garten in dem blühende Blumen standen. Doch ich hatte alle meine Sachen abgeben müssen. Was ich an Klamotten am Leib trug und die paar Erinnerungsstücke die ich in der Eile eingepackt hatte. Zum anziehen hatte ich zunächst einen grauen Kittel bekommen. wodurch ich mich noch fremder fühlte. 

Diese kleine Siedlung hier liegt mitten im Wald. So konnte ich jeden Tag die Vögel zwitschern, und die Blätter der Bäume rauschen hören. Oft sah mal Waldtiere vor dem Zaun herumlaufen. Doch ihr Anblick machte mich nur noch trauriger. Sie konnten laufen wohin immer sie wollten. Die kleinen Vögel die ich täglich vor meinem Fenster fliegen sah waren auch nicht an diese Grenzen gebunden. 

Im Gelände konnte man sich weitestgehend frei bewegen, solange man dem Zaun nicht zu nahe kam. Als ich nach den ersten paar Wochen das Gelände zu erkunden begann, begegnete ich vielen die das gleiche Schicksal mit mir teilten. Manche waren älter und manche jünger als ich. Auch sah man das die Krankheit bei allen in unterschiedlichen Stadien war und in unterschiedlichen Ausmaßen. Zunächst konnte ich mich nicht mit diesen Leuten identifizieren deren Füße oder Hände verkrüppelt waren oder denen die Nase abgefallen war. Doch schon bald bemerkte ich wie sich meine eigene Haut veränderte. Wie die gefühllosen Flecken immer größer wurden. Und dann sah ich den Ausdruck in den Gesichtern der Leute. Er kam mir bekannt vor. Es war der selbe traurige und hoffnungslose Gesichtsausdruck den ich jeden Morgen sah wenn ich in den Spiegel blickte. 

Eine ganze Weile verschwendete ich Gedanken an eine Flucht. Doch es waren nur die kläglichen Versuche eines Hoffnungslosen, mit seiner Situation als lebenslänglicher Gefangener klar zu kommen. 

Ich brauchte ein Jahr um mich daran zu gewöhnen. Langsam hatte ich gelernt mit meiner Situation umzugehen. Ich lernte neu zu leben. Ich begann viele Bücher zu lesen und versuchte fremde Sprachen zu lernen. Ich wollte alles was ich nun nicht mehr erleben konnte wenigstens irgendwie kennenlernen. So stellte ich mir selbst Aufgaben. Und lernte neue Leute kennen. 

Inzwischen sein drei Jahre vergangen. Drei Jahre sind eine lange Zeit. Doch im Nachhinein betrachtet denke ich das ich diese drei Jahre relativ gut genutzt habe. Dennoch sehen ich mich danach meine Familie endlich wieder zusehen. Ob ich sie jemals wiedersehen werde. 

Inzwischen bin ich 19 Jahre alt und mit meiner Krankheit hat es sich zum guten wie zum schlechten entwickelt. Einerseits ist sie weiter fortgeschritten, andererseits arbeitet man an einem Wirkstoff der uns von dieser Krankheit befreien kann. 

Er ist Frühjahr und die Bäume blühen wunderschön. Und wenn ich sie jetzt so betrachte kommt es mir vor als sei die Zeit stehengeblieben. Es kommt mir vor als erwache ich aus einem langen Traum. Ein rätselhafter Traum, über den man kurz nach dem aufwachen eine Zeit lang nachdenkt, doch dann steht man auf und lebt weiter wie bisher , ohne sich Gedanken zu machen. Und irgendwann hat man diesen Traum vergessen. 

Und solange ich diese Blüten betrachtete vergaß auch ich für einen Augenblick wo ich mich befand und träumte ich wäre zu Haus. Doch als ich erwachte und mich umsah, ließ ich diesen Traum für immer los und lebte weiter. 



Hinter dem ZaunWo Geschichten leben. Entdecke jetzt