Bruderkrieg

Kapitel 2

Tom ging zu seinem Pferd. Es war, wie noch fünf weitere, an der Veranda angebunden. Er schob den Brief in die rechte Satteltasche, nahm die angebundenen Zügel in die Hand führte das Tier einen Meter nach hinten aus der Reihe heraus und saß auf. Wenn er sich richtig erinnerte lagerte Tylor im Norden der Stadt. Glücklicherweise war Fairfax nicht allzu groß und ließ sich schnell durchqueren. Die Straßen waren nicht allzu dunkel, da in einigen Häuser noch Licht brannte. Verständlich, da viele der Bewohner der Stadt nicht schlafen konnten, denn keiner wusste was passieren würde. Wenn auch nicht weit von Washington entfernt, gehörte Fairfax zu Virginia und damit zu den Südstaaten. Die Bewohner von Fairfax waren daher sich nicht froh die „gegnerische Armee" direkt vor der Haustür zu haben. MacDowell hatte bereits bei seinem Einmarsch, den Stadtverordneten klar gemacht, dass sich seine Armee nur zur Erhaltung der Union in der Stadt befand und keinerlei Kampfhandlungen gegen Fairfax vorhatte, konnte damit aber nicht besänftigen. Schließlich befand man sich in den Südstaaten, welche aus dem Grund nicht zur Union gehören zu wollen, aus der Union ausgetreten waren.

Die 35.000 Soldaten der MacDowell Armee lagerten an den Rändern der Stadt und hatten in verschiedenen Himmelsrichtungen ihre Läger aufgeschlagen.

MacDowell hatte sein Quartier, wie bereits schon erwähnt, im südlichen linken Stück mit den drei Brigarden von Colonel Heintzelmann aufgeschlagen. Links daneben lagerten die Truppen von Colonel Miles und Brigadier Runyon. Die nördlichen beiden Ecken teilten sich die Soldaten von Brigadier Tylor und Colonel Hunter. Selbstverständlich nahmen die Truppen nicht die inneren Bereiche der Stadt ein, sondern lagerten auf den Wiesen direkt an der Stadtgrenze. Da MacDowell ein sehr vorsichtiger Mann war, hatte er das Entzünden von Feuern in den Lägern vor der Stadt verboten. Diese waren nur innerhalb der Stadtgrenze erlaubt. Sein Befehl beruhte auf der Annahme eines Angriffs der konföderierten Truppen, da man sich nur unweit von diesen befand. MacDowell wusste, dass er gegen Beauregard in der Überzahl war, fürchtete jedoch durch kleine, gezielte Übergriffe des Feindes Männer zu verlieren, welche er für eine mögliche bevorstehende Schlacht gebrauchen konnte.

Die Späher der Union hatten unterschiedliche Einschätzungen über die Stärke der feindlichen Truppen gemacht. So ging man laut dem was Tom in den vergangenen Tagen mitbekommen hatte von 18.000 bis 22.000 Mann aus. Zudem befanden sich nordöstlich die Truppen von General Johnston, welche jedoch keine Gefahr darstellten. Tom wusste durch die verschiedenen Späher, welche sich mit ihm unterhielten bevor sie zum General gelassen wurden, dass General Patterson mit seinen 18.000 Mann den Befehl hatte Johnstons Armee in kleineren Scharmützeln auf Trapp zu halten wusste, damit dieser sich nicht mit Beauregard vereinigen konnte. In diesem Falle würden die Karten neu gemischt werden, das ein ziemlich gleiches Verhältnis der beiden Kräfte gegenüber stehen würde. Wahrscheinlich würde somit nur die bessere Strategie des jeweiligen Oberbefehlshabers über Sieg und Niederlage entscheiden.

Aber soweit musste es erst einmal kommen, dachte Tom. MacDowell war ein vorsichtiger Mann, der sich nicht so schnell aus der Reserve locken lassen würde und erst im letzten Moment zuschlagen würde. Daher glaubte Tom jetzt noch nicht an eine Schlacht. Vielleicht würden die Konföderierten auch einfach die Beine in die Hand nehmen und wegrennen wie die kleinen Jungen wenn sie die Armee von MacDowell sahen. Wer weiß. 

Tom ritt einen leichten Trap die größte Straße der Stadt entlang. Schneller war es wegen der Dunkelheit nicht möglich, wollte er nicht wie Heintzelmanns Bote enden. Fairfax war quasi von zwei großen Straßen, eine von Norden nach Süden und die andere von Westen nach Osten, in vier etwa gleichgroße Teile aufgeteilt. Immer wieder zweigten links und rechts der Hauptstraßen, kleinere Gassen ab in denen sich weitere Häuser befanden. Tom befand sich nun direkt in der Mitte der Stadt. Den Platz den er überquerte mochte sicher 15 Meter Durchmesser haben, soweit man es in der Dunkelheit beurteilen konnte. Seit seinem Aufbruch von MacDowells Quartier hatte Tom keine Menschenseele auf den Straßen gesehen, weder Soldaten, noch Männer, Frauen oder Kinder.