Während ich langsam zu mir kam, nahm ich schemenhaft wahr, wie jemand eine Melodie summte. Ich konnte sie nicht direkt bestimmen, doch ich wusste genau, dass ich sie kannte. Mir liegt es doch geradezu auf der Zunge... Himmel, ich kenne das doch! Frustriert gab ich ein Stöhnen von mir.
Abrupt hörte die Melodie auf und ein paar hastige Schritte kamen auf mich zu. Ich öffnete die Augen und zuckte beinahe zusammen, als sich jemand tief zu mir herabbeugte.
"Katherine?" Eine junge Frau, vielleicht einige Jahre jünger als ich, demanch ungefähr Anfang Zwanzig, lächelte mich aus wenigen Zentimetern Entfernung an.
"Kae", korrigierte ich sie nach kurzem Schweigen. "Einfach nur Kae."
Ihr Lächeln wurde breiter. "Klar!", nickte sie, richtete sich auf und kritzelte etwas auf ein Klemmbrett. "Einfach nur Kae", murmelte sie dabei. Sie trug eine weiße Uniform, die mich an nichts anderes als eine Krankenschwester aus den fünfziger Jahren erinnerte. Sie vertrug sich jedoch wunderbar mit ihrem zartrosa Haar, das in einem wüsten Flechtzopf zusammengefasst war. An ihren molligen Armen fand ich einige Tattoos, unter anderem eins, das Betty Boop auf einem Cupcake zeigte. Mit Mühe unterdrückte ich ein Schmunzeln.
Als ich mich dann im Raum umsah, brauchte es nicht lange, bis ich erkannt hatte, wo ich mich befand. Die gesamte Möblierung war in sterilem Weiß gehalten und das Bett, in dem ich lag, war unbequem wie Hölle. Ganz klar ein Krankenhaus.
Die Schwester sah von ihrem Klemmbrett wieder zu mir. "Du warst nicht lange weg. Eine Nacht. Also, eine halbe, wenn man es genau nimmt, also..." Sie schüttelte kurz den Kopf, als müsse sie ihre Gedanken sortieren. "Es ist drei Uhr nachmittags. Dein Aufnahmekampf war gestern Nacht."
Meine Augenbrauen schossen in die Höhe. "Aufnahmekampf?"
Wie ein Vogel legte sie den Kopf schief. "Ja. Wurde dir noch gar nicht, ich weiß nicht... gratuliert oder so?"
In die Ferne starrend dachte ich an die letzte Nacht zurück. Nur langsam kamen die Erinnerungen wieder. Der Wolf, sein Blick, als ich ihm die Kehle aufschlitzen wollte. Meine schlagartige Ohnmacht. Und die bedrohliche Stimme unmittelbar an meinem Ohr, die meinen Namen betont hatte, als wäre er ein schlechter Scherz.
"Doch...", raunte ich nickend. "Mir wurde gratuliert." Innerlich durchlebte ich nochmal die vergangenen Ereignisse, da sie einfach nicht richtig bei mir ankamen. Es fühlte sich eher an, wie ein nicht richtig einzuordnender Traum. Einen Augenblick lang herrschte Stille.
"Ähm... Cool!", brach die Frau das Schweigen, ein Wenig verwirrt umherblickend. Ohne zu zögern fuhr sie fort. "Deine Wunden sind wirklich gut verheilt, ja, mir sind fast die Augen aus dem Kopf gefallen, als ich gesehen habe, wie schnell du heilst. Karlsson meinte aber, dass das normal wäre, aber wiedemauchsei, den Verband an Hand und Schulter würde ich trotzdem noch bis heute Abend dran lassen, nurfürdenFall, und pass auf, die Verbandsklammern sind manchmal lose..." Ihre planlose Weise zu reden gepaart mit ihrer wilden Gestik war ein einmaliges Bild. Sie kam mir vor wie ein Flummi mit ADHS. "Achso, ich bin übrigens Liv, Krankenschwester auf der Krankenstation im Hauptsitz der Red V!"
Ich hielt die Luft an. Das war das einzige, was ich aus dem wirren Geplapper meines Gegenübers herausfilterte. Haupteinheit. Ich befand mich in der Haupteinheit der Organisation, in der ich mein Leben lang als Kriegerin trainiert hatte. Das ging kaum in meinen Kopf, so unwirklich hörte es sich an. Es passiert tatsächlich. Ich bin in der Red V Elite.
Plötzlich kam mir ein weiterer Gedanke. "Der Kampf gestern. Dieser Werwolf. War der einer von uns?"
Liv summte leise, während sie nachdachte. "Ja, das war ein Red V, klar war das einer. Natürlich... Mir fällt nur gerade nicht ein..." Mit einer Grübelfalte zwischen den Augenbrauen kaute sie auf ihrer Lippe herum. Dann schoss ihr Finger in die Höhe. "Ich weiß es! Beverly Gatwick! Liegt momentan auf Zimmer 4."
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Red V
FantasyKae lebt als Kriegerin in einer Organisation bestehend aus mystischen Kreaturen. Als sie unerwartet in die Elite befördert wird, muss sie sich an eine komplett neue Art des Lebens gewöhnen, was sich als ziemlich knifflig herausstellt - zumal während...