Nur schwer hob sich mein Blick gen Spiegel.
Nur langsam schaffte ich es tatsächlich meine Augen zu öffnen und dem entgegen zu blicken, was sich dort widerspiegelte. Nur luftanhaltend hielt mein Blick für einige Sekunden stand.
Denn wer sich mir darbot war niemand anders als ich selbst.
Meine Haare waren noch vom Schlaf verwüstet, meine Klamotten waren verrutscht und entblößten so meine grässlich helle Haut, die jeden anderen hätte blenden können. Mich nicht. Ich war es gewöhnt. Stattdessen fixierte ich mich auf den neuen Pickel in meinem Gesicht.
Na toll, wer hätte gedacht es könnte noch schlimmer werden?
Ich schloss meine Augen, legte meine flache Hand an den sauberen Spiegel.
Wieso sah ich nur so aus?
Wieso dachte ich darüber nach, wie ich aussehe?
Hör auf dir vor Augen zu halten, wie du aussiehst.
Fette Beine. Kaum Muskeln. Hier und da ein paar Leberflecken, die auf deiner papierweißen Haut wie Schmutzflecken wirkten. Deine blassen Lippen, die vor Kälte völligst aufgerissen waren. Deine Klamotten, die – trotz einhalten des aktuellen Trends – nur mehr unterstrichen, dass schöne Dinge nicht zu dir passten. Deine Narben, die aufgrund deiner damaligen Naivität und der daraus entstandenen Enttäuschung entstanden waren.
Meine Hand ballte sich zu einer Faust und zerstörte den Spiegel.
Hör verdammt nochmal auf so zu denken!
Hastig stürmte ich aus dem Bad, eilte zurück in mein kleines Zimmer, das wie immer eisigkalt war, da unsere Heizung nicht funktionierte. Ich knallte die Tür hinter mir zu, schnappte mir ein paar Tücher und presste sie gegen meine Knöchel.
"Wieso bist du auch so dumm..", nuschelte ich eher zu mir selbst. Ich holte tief Luft, trottete zu meinem Kleiderschrank und suchte mir meine Kleidung für die Schule zusammen. Meine Mutter hatte mal wieder nicht gewaschen.
Ich ging ins Bad und hielt dort Ausschau nach meinem Lieblingsoberteil, in dem ich mich wenigstens halbwegs wohlfühlte. Wo war es nur?
Als es mir unter dem Wäscheberg entgegenblitzte, wusste ich nicht, ob ich nun froh oder wütend sein sollte. Ich hatte es gefunden, aber es stank sicherlich. Rasch schüttelte ich meinen Kopf.
Du hast doch sowieso nichts anderes, das zum momentanen Trend passt. Ich zog es aus diesem Berg empor, sprühte es mit meinem Deo ein und schlüpfte hinein.
Jetzt stinkst du bestimmt.
Erneut griff ich zu meinem Deo.
Super, und jetzt denkt jeder, du hast Wochen nicht geduscht, weil du so viel von dem Sprühzeug benutzt!
Ach, halt doch die Klappe, verdammt!
Ich warf die Dose zurück ins Regal, huschte wieder aus dem Bad und erlaubte mir beiläufig einen Blick in das Zimmer meiner Eltern, um die Uhr von deren Wecker abzulesen.
In 10 Minuten kommt dein Bus.
"Kommst du frühstücken?", ertönte es durch unsere mikrige Wohnung. Ich verneinte. Meine Haare waren noch nicht gestylt und meine Zähne noch nicht geputzt, das hatte Vorrang. So steckte ich also mein Glätteisen in die Steckdose und föhnte mir, während es erhitzte, die Haare passend. Wie sagten sie neulich zu mir? Die Frisur sah gut an mir aus? Meine Haare waren toll? Wieso konnten andere so über mich denken, aber ich selbst nicht?
In 3 Minuten kommt dein Bus.
Hastig stopfte ich mir einen Verband in meine Jacke, steckte sowohl Handy als auch Kopfhörer in meine Hosentasche, schulterte meinen Rucksack und spurtete zur Tür.
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#SomethingWrong // Short-Story
Short StoryEine Kurzgeschichte, die sich mit den Themen beschäftigt, die im Alltag stark vertreten sind, aber trotzdem kaum angesprochen werden. Die Geschichte ist aufgrund des obigen Tags enstanden. ---- Ein Ausschnitt aus dem Alltagsleben.