Türchen 4 oder Kurzgeschichte Teil 1: Das Dorf

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Hiiii ihr Lieben,

Heute kommt das Türchen etwas später, da ich arbeite und es vor 17 Uhr selten schaffe 🙄
Aber hier habe ich für euch Teil 1 der diesjährigen Geschichte. Es wird nur eine geben, bestehend aber aus mehr Kapiteln.
Viel Spaß:

Die königliche Kutsche ruckelte jedes Mal, wenn ihre Räder über einen Stein oder ein Stück vereiste Oberfläche rollten. Alissa kuschelte sich in die dicken Tierfelle, die ihr Vater bei seinen letzten Jagdausflügen mitgebracht hatte. Die samtenen Kissen federten die harten Bewegungen des Gefährts ab. Trotz, dass sie nicht alleine in der Kutsche saß, unterhielt sie sich kaum ein Wort mit der Hofdame, die sie mit zum Landsitz begleitet hatte.

Stattdessen ging ihr Blick in die Ferne. Hinaus ins Schneetreiben. Die fernen Berge waren kaum zu erkennen. Lediglich die wunderschöne weiße Schneelandschaft sah man in alle Richtungen.

Die Äste der Tannen zu ihren Seiten bogen sich weit nach unten unter der Last abertausender Schneeflocken.

Alissa wäre gerne noch länger fort vom Schloss und all den Pflichten geblieben. Sie wusste, dass man als Adelige kaum eine andere Wahl hatte, dennoch nutzte sie die Zeiten, in denen sie weder zu irgendwelchen Ratssitzungen, Unterrichtsstunden zum Thema Sticken und Nähen oder sonstigen für sie nichtigen Dingen musste. Lediglich Reiten und Bogenschießen machte sie seit jeher wirklich mit Leidenschaft.

Nach einigen Minuten Fahrt verließen sie wieder den Wald und die kleine Kolonne, bestehend aus der Kutsche und sechs Reitern, die die Prinzessin schützen sollten, schlängelte sich über Wiesen und Felder.

Es begann bereits zu dämmern, als sie ein kleines Dorf erreichten, welches sie auf ihrem Weg unweigerlich passieren mussten.

Während ihre Hofdame Minna sich einem Buch widmete, musterte Alissa die schiefen kleinen Holzhütten mit morschen Balken wenige Meter vom Weg entfernt. Diese Häuschen boten wohl kaum genug Schutz vor der eisigen Kälte, das wusste sie.

Dicker dunkler Rauch stieg aus den Schornsteinen auf und vermischte sich mit dem Grau des Himmels.

Die Prinzessin konnte das Leid, welches sich ihr darbot kaum ertragen.

Schon seit Wochen beschäftigte sie dieser eine Gedanke. Diese quälende Gewissheit, über etwas, vor dem viele ihres Standes die Augen verschlossen. Das Volk litt. Und das schlimmer als jemals zuvor, denn der Winter war der härteste seit Menschengedenken und die Steuern so hoch.

Als Alissa nun in ihrer wunderschönen Kutsche saß, auf den roten Samtkissen und dick eingepackt in die warmen Felle, fühlte sie sich einsamer denn je. Sie hatte noch nie zu denen gepasst, die die Augen verschlossen und Ausreden erfanden, um zu rechtfertigen, dass man im Saus und Braus lebte, während andere an Hunger und Unterkühlung starben.

Der Winter hatte die Welt fest im Griff. Doch während sich die meisten Adeligen einfach in ihren Häusern verkrochen, erkannte sie viele Menschen zwischen den Häuschen, die keine andere Wahl hatten, auch bei diesem Wetter zu arbeiten.
Ein paar kleine Kinder in Lumpen spielten im Schnee fangen. Ein Lächeln huschte über Alissas Gesicht, als sie die vergnügten Schreie und das ausgelassene Lachen vernahm.

"Halt an", rief sie dem Kutscher unvermittelt zu und wartete nicht, bis das Gefährt vollends zum Stehen gekommen war. Schon war sie draußen im Schnee mit einem Beutel voll Plätzchen, die normalerweise als Reiseproviant dienten.
“Prinzessin, bitte kommt zurück. Ihr holt Euch noch den Tod", rief ihr die Zofe nach. Ihren verärgerten Unterton nahm Alissa zwar wahr, ignorierte ihn aber gekonnt.

Die Reiter hielten ebenfalls und blickten ihr etwas ratlos hinterher.

Auch sie fand es unfassbar kalt hier draußen auf freiem Feld, ohne schützende Berge und Bäume, doch wenn sie daran dachte, dass all diese Menschen hier Jahr ein Jahr aus lebten und nie eine andere Wahl gehabt hatten, so würde sie auch in diesen wenigen Minuten nicht krank werden.
Sie hob ihr langes Kleid mit den Unterröcken an und lief in ihren kleinen Schühchen durch den kniehohen Schnee.

Alissa spürte die Kälte und Feuchtigkeit durch ihre Beine hinauf kriechen. Doch während sie sich später gemütlich vor dem Ofen im großen Saal aufwärmen konnte, würden die Menschen hier draußen in der Kälte bleiben.

Gekicher erfüllte die Luft. Erst sehr spät erkannten die Kinder die junge Adelige. Viele Erwachsene empfanden eine gewisse Scheu ihr gegenüber, doch die Kinder wussten nicht viel von all den Regeln, Sitten und Ordnungen und so packte ein kleines Mädchen sie lachend am Arm. "Willst du mit uns spielen? ", fragte sie. Ihre vollen Backen leuchteten rot vor Kälte, ihre blauen Augen strahlten Glück und Zufriedenheit aus. Mehr als sie jemals empfunden hatte. Nicht bei ihrer Kindheit.
Alissa lächelte:" ein anderes Mal gerne, ich habe leider keine Zeit, doch schau mal, was ich für dich habe."
Mit ihren behandschuhten Fingern öffnete sie die Kordel um den Beutel und reichte dem Mädchen ein Plätzchen. Dieses konnte ihr Glück kaum fassen. Binnen weniger Sekunden war sie umringt von Kindern. Lachend verteilte sie die Kekse und wünschte ihnen allen schöne Weihnachtstage.

Viel zu spät bemerkte sie, was sich hinter ihr abspielte. Erst durch laute Zurufe, sie solle sofort zurück in die Kutsche steigen, richtete sie ihren Blick weg von den Kindern hinter sich. Noch einige Meter entfernt, erkannte sie ein paar Männer mit Mistgabeln und Fackeln, die sich sichtlich aufgebracht Richtung Kutsche bewegten. Die Prinzessin im Schnee schienen sie noch nicht bemerkt zu haben.

Die Pferde vor der Kutsche begannen nervös hin und her zu tänzeln, als die lauten Rufe näher kamen.

Erschrocken stand Alissa aus dem Schnee auf und begann zu rennen. Sie mussten schnell hier weg, das hatte sie sofort begriffen. Doch was genau die Bauern und anderen Dorfbewohner so aufgebracht zu ihnen kommen ließ, war ihr zu diesem Zeitpunkt noch schleierhaft.

Die eisige Kälte stach ihr in die Lungen, als sie durch den tiefen Schnee watete. Einer der Reiter war abgestiegen und eilte ihr entgegen, während sich die anderen schützend mit gezogenen Schwertern, der immer näher kommenden Meute entgegen stellten.

Der Ritter hatte sie erreicht und griff ihr unter den Arm, um sie schneller durch den Schnee zu geleiten.

Minna riss die Tür zur Kutsche auf und zog Alissa zu sich hinein. Keuchend ließ sich die Prinzessin auf die Bank fallen. Ihre Lungen brannten, das Herz schlug ihr bis zum Hals, doch nicht nur wegen des Abhätzens, nein eine gewisse Angst erfüllte sie, was hätte passieren können, wenn die Männer sie zuerst erreicht hätten.
Binnen weniger Sekunden setzte sich die Kutsche in Bewegung. Diesmal mit einem deutlich schnelleren Tempo, dass sich die beiden Frauen festhalten mussten.

“Was war das gerade? Was wollten die Männer von uns?“, fragte Alissa, als sie wieder einigermaßen zu Atem gekommen war.

“Das waren verärgerte Bauern”, sagte Minna schlicht und in einem Tonfall, der Alissa vermittelte, das dies etwas vollkommen Normales sein sollte.

Verwirrt musterte Alissa ihre Hofdame.

“Durch die Erhöhung der Steuern kommt es im ganzen Land im zu immer mehr Protesten”, erklärte diese schließlich weiter.
“Viele Eurer Untertanen sehen keine andere Möglichkeit mehr als sich so Gehör zu verschaffen. Wir hätten niemals anhalten dürfen, dann wäre das Ganze nicht passiert.”

Minnas Blick war wütend und keineswegs verständnisvoll.

Sie sah, wie viele ihrer Schicht, keinen Zweck darin Kindern etwas Gutes zu tun. Generell Menschen zu helfen, die sich nicht in ihrem Verwandtenkreis befanden. Und ohne Eigennutz passierte noch weniger.

Durch diese furchteinflößende Erfahrung wurde Alissa erst jetzt richtig bewusst, was ihr Vater getan hatte. Noch nie hatte sie gehört dass so etwas jemals geschehen war. Nicht in diesem Ausmaß. Das einfache Bauern eine Kutsche angriffen. Dass das Volk so unzufrieden gewesen war, dass es sich begann aufzulehnen. Sie wusste dass sie etwas tun musste, denn so ging es doch nicht weiter.

Es durfte nicht sein, dass sie Angst haben musste das Schloss zu verlassen. Früher war sie gerne in die Dörfer gereist und hatte die Untertanen besucht, ihnen Geschenke gebracht und mit den Kindern der Dörfer gespielt. Nun war sie ein erwachsene Frau mit anderen Pflichten, die sie einzuhalten hatte.

Nach einigen Minuten Fahrt traute sie sich wieder aus dem Fenster zu blicken. Zu ihrer Erleichterung war keiner der Bürger mehr zu sehen, das Dorf war im Schneegestöber versunken.

Ich hoffe euch hat es bis hierhin gefallen. Da mir gerade keine andere Frage einfällt, frage ich euch einfach, wie ihr denkt, was weiter geschehen könnte? 😂

Einen schönen Abend euch,

Eure Cristina

Mein Adventskalender für euch 2018✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt