Naom starrt den ungewöhnlich gekleideten, hellhäutigen Fremden an, der neben Salei steht. Plötzlich fühlt sie sich schwindelig und hat das Bedürfnis, sich hinzulegen, während in rascher Folge unverständliche Bildfetzen durch ihre Gedanken zucken.
Da ist der farbige, sich drehende Schlund aus ihrem Traum, in dem sie zu ersticken droht. Daneben tauchen andere wirre Bilder auf, die sie nicht zuordnen kann. Ein windgepeitschter Berggipfel im Regen, ein Raum mit weißen Wänden und hellblauen Vorhängen, eine Vase mit Sonnenblumen auf einem festlich gedeckten Tisch.
Fahrig wischt sie mit der Hand über die Augen, versucht die splitterhaften Visionen zu vertreiben, die sich wie ein Netz klebriger Spinnweben zwischen sie und die Realität schieben. Ihre verzweifelten Bemühungen bleiben ohne Erfolg.
Da taucht in den Bildern plötzlich dieser großgewachsene Mann auf, der am Rand der Lichtung steht. Sie sitzen zusammen in einem silbernen Wagen und streiten sich. Worüber? Es muss etwas Wichtiges gewesen sein, erinnerte Wut krampft einen kurzen Moment lang ihren Magen zusammen, bevor das Bild verblasst. An seiner Stelle glaubt sie nun die liebevolle Umarmung des Mannes zu spüren, seine Lippen auf den ihren. Ein stechender Schmerz zuckt durch ihren Kopf und wie aus weiter Ferne dringt Naliqs besorgte Stimme zu ihr durch.
„Naom? Geht es Dir gut?"
Die Berührung des Jungen an ihrem Ellbogen holt sie schlagartig in die Gegenwart zurück. Fröstelnd aber erleichtert verschränkt sie die Arme vor der Brust, versucht eine Barriere zwischen sich und dem Wechselbad von Emotionen aufzubauen, die auf sie einstürmen. Mit zusammengebissenen Zähnen starrt sie zu Boden, nicht bereit, den Fremden, der dieses Gefühlschaos auslöste, noch einmal anzusehen. Aber ist er denn überhaupt ein Fremder?
Langsam hebt sie die Augen, bereit, sich jeden Moment wieder abzuwenden oder sogar in den Wald zu flüchten. Dennoch weiß sie, dass sie die Situation akzeptieren muss, dass sie sich dieser Begegnung stellen muss. Hier ist die Chance, auf die sie solange wartete, die Gelegenheit, endlich etwas über sich selbst zu erfahren.
Unwillkürlich sucht ihr Blick die vertraute Präsenz von Salej, dessen gewohnt mürrischer Gesichtsausdruck für einmal eine beruhigende Wirkung auf sie ausübt. In den vergangenen Tagen lernte sie den Jäger besser kennen und damit auch schätzen. Weniger quirlig und fröhlich als Haqaj führten seine solide, geradlinige Art und uneingeschränkte Hilfsbereitschaft dazu, dass sie Vertrauen zu ihm aufbaute. Mit seiner Unterstützung wurde der Hausbau von einer abschreckenden Herausforderung zu einem spannenden Abenteuer.
Als er ihren Blick bemerkt, entspannt sich das Gesicht des Jägers zu einem angedeuteten Lächeln. Es ist dieses geheime Lächeln, das ihr Herz jedesmal etwas höher schlagen lässt.Ermutigt lässt Naom ihre Augen zu dem zweiten Mann wandern. Nein, das ist kein Fremder. Sie kennt dieses Gesicht mit dem kurz geschnitten Haar und Bart, dieses herausfordernde und etwas arrogante Grinsen. Das ist...
Wie vom Blitz getroffen zuckt sie zusammen, als mit dem Namen ihre gesamten Erinnerungen zurückkehren und sie überwältigen. Es wird ihr schwarz vor den Augen und Louisa bricht bewusstlos zusammen.
~ ~ ~
Kaum sind sie unterwegs, versucht Melanie ein weiteres Mal, Tom zu erreichen. Wenn er nur endlich ihren Anruf entgegennehmen würde! Sie fürchtet sich davor, bei KHTravel anzukommen und vor verschlossenen Türen zu stehen, ohne Möglichkeit, Tom zu warnen.
Das kann durchaus passieren, nach allem was Tom über die Sicherheitsvorkehrungen der Firma erzählte. Er machte sich sogar etwas lustig darüber und behauptete, sie seien strenger als diejenigen in seiner Bank. Falls das stimmt, werden weder sie noch Alfred Einlass erhalten, um mit Tom oder dieser Karo, von der er so schwärmt, zu sprechen. Sie wirft Alfred einen nervösen Seitenblick zu während sie das Handy wegsteckt.
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Schlüssel zu den Welten | Wattys 2018 Gewinner
AdventureAuf der Suche nach neuen Destinationen für ihr Reisebüro durchquert Louisa das experimentelle Weltenportal. Nach einem Zwischenfall findet sie sich ohne Gedächtnis in einem tropischen Paradies und muss sich in einer technologielosen Gesellschaft zu...