Schneeflöckchen Weißröckchen ...

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Mit großen Schritten stapfte Minerva durch den knöchelhohen Schnee. Die kleinen Schneeflocken, die wie tausende Federn vom Himmel herabsegelten, verfingen sich in ihren langen schwarzen Haaren mit violetten Spitzen und ihren Wimpern. Das Mädchen liebte diese Kälte. Sie konnte einfach nicht verstehen, warum all ihre Freunde den Sommer mit seiner elendigen Hitze so mochten. Im Winter war es doch so viel gemütlicher. Man konnte sich seinen Lieblingspullover anziehen, sich eine heiße Tasse Tee oder Kakao machen, sich in die gemütlichste Decke kuscheln, entspannt ein Buch lesen und nebenbei Weihnachtskekse essen.

Was sie allerdings an der Vorweihnachtszeit hasste, waren nicht etwa die übertrieben kitschige Dekoration an jedem Haus oder die Weihnachtslieder, die im Radio und in jedem Einkaufszentrum auf Dauerschleife liefen, sondern der ganze Stress wegen den Geschenken. Jeder dem sie begegnete war entweder gehetzt, gereizt oder verzweifelt, oder auch alles zusammen. Die meisten Leute, die mit jemandem telefonierten, schrien sich die Kehle heiser um den Lärm, oder die anderen telefonierenden Personen, zu übertönen, was zu noch mehr Lärm und noch lauter schreienden Leuten führte. Ein ewiger Teufelskreis…

Fernab von all dieser Unruhe lebte die Teenagerin. Es gab nur wenige Nachbarn in ihrer Straße, alle schon im Alter von Großeltern, aber es waren nette Großeltern. Die größte Fläche ihres Heimatortes war von Feldern und Wäldern bedeckt, weshalb man eher selten anderen Leuten begegnete. Mit kleinen Schwierigkeiten öffnete Minerva das vereiste Gartentor, welches mit Ornamenten verziert war. In dem kleinen Haus, das sich seinen Platz in einem märchenhaften Garten mit ein paar Bäumen und Rosenbüschen teilte, wohnte das Mädchen mit ihren Eltern. Da aber jene auf Geschäftsreise waren, verbrachte sie die letzte Woche vor Weihnachten, und somit wahrscheinlich auch Heiligabend, alleine.

Als Minerva schon die Schlüssel aus der Tasche ihres schwarzen Mantels zog, hielt sie jedoch in ihrer Bewegung inne. Verwundert blickte sie zu einem der Rosenbüsche, der in den wärmeren Jahreszeiten schneeweiß blühte. Sie war sich ziemlich sicher, gesehen zu haben, wie sich die gefrorenen Blätter bewegt hatten, obwohl nicht der leiseste Windhauch zu spüren war. Verunsichert trat sie auf die Pflanze zu. Auf einmal vernahm Minerva ein leises Stöhnen und Wimmern. Trotz ihrer Angst fasste sich die Jugendliche ein Herz und ging langsam weiter.

Plötzlich entdeckte sie im Schnee eine Hand, die leicht zuckte, wenn eine Schneeflocke auf ihr landete. Dann sah sie den Rest des Körpers, auf dem schon eine dünne Schicht Schnee lag. Es war ein Junge, etwa in ihrem Alter, vielleicht ein bisschen älter. Er lag bewusstlos auf dem Rücken, den Kopf zur Seite gedreht. Seine Kleidung war strahlend weiß, seine Haut blass und seine mittellangen Haare blond mit einem leichten Goldschimmer. Das Mädchen konnte im ersten Moment keinen klaren Gedanken fassen, aber eines war ihr klar: Sie musste ihm helfen. Hektisch kramte sie ihr Handy hervor und wollte einen Krankenwagen rufen. „Verdammte Scheiße, warum muss ausgerechnet jetzt der Akku leer sein!?“, fluchte Minerva entnervt. Sie wusste nicht, was sie machen sollte. Selbst wenn sie jetzt noch auf irgendeine Weise die Rettung rufen würde, könnte es für den Fremden schon zu spät sein, wenn sie endlich ankäme.

Der Junge brauchte Hilfe, und zwar so schnell wie möglich, am besten sofort. Minerva seufzte laut. Es half alles nichts. Sie rannte zum Haus und schloss die Tür auf. Danach lief sie zurück zu dem Bewusstlosen, zog ihn hoch, sodass sie ihn gut abstützen konnte und ging, so schnell es ihr möglich war, mit ihm ins Haus. Sobald beide im Flur standen, fiel die Haustür hinter ihnen ins Schloss.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 05, 2018 ⏰

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