Kapitel 3

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Am Donnerstag versammelten wir uns nach der Schule bei Rylee. Ich kam als Erstes von uns allen bei ihr an und deswegen wurde mir ein Tablett mit selbstgebackenen Plätzchen ihrer Mutter, der besten Köchin der Welt, in die Hand gedrückt. Ich bedankte mich und ging die Treppen runter. Rylee's Zimmer war im Keller, da sie ihre Ruhe mochte und weil im oberen Stockwerk kein Zimmer mehr für sie frei war.

Sie hatte vier Geschwister, zwei davon komplette Nervensägen. Ihre älteren Geschwister waren ganz nett, jedoch platzten sie manchmal ohne zu klopfen in ihr Zimmer rein, was sie auf 180 brachte. Rylee ist eine sehr temperamentvolle Person, wobei sie eine sehr ruhige Seite hat. Auf der einen Hand faszinieren sie spirituelle Sachen, Gott und Lebensfragen, doch auf der anderen Hand hört sie gerne Musik von Männern, die Eyeliner tragen und ihre Haare in verschiedensten Farben gefärbt und hochgegelt haben. So verschieden, wie die Haarfarben der komischen Typen auch sein können, sie übertreffen damit niemals Rylee's gespaltenen und eigenen Charakter.

Ich klopfte so gut wie es mit einem großen Tablett Plätzchen in der Hand ging, an ihrer mit Postern beklebten Tür an und drückte die Türklinke runter.

In meine Nase stieg der Geruch von Räucherstäbchen, die in einer Ecke ihres Zimmers vor sich hin glühten und ihre angenehme Wärme durch ihren Rauch im Zimmer verteilten.

Ihre Jalousien, die ihr ganzes Fenster verdeckten, waren zu und sie saß auf ihrem großen Teppich in der Mitte ihres Zimmers. Viele Teelichter waren auf ihrer Kommode aufgestellt, umrandeten ihren Bücherschrank und leisteten ihr Gesellschaft bei... was immer sie auch gerade tat.

Rylee saß dort im Schneidersitz, ihre Hände ruhten auf ihren Knien und sie hielt ihre Augen geschlossen.

Entweder hatte sie mein Klopfen nicht gehört oder sie ignorierte mich bewusst. Ich beschloss, mich auf ihr Bett zu setzen und sie zu beobachten. Sie hatte in diesem Moment eine beruhigende Ausstrahlung, ihre Atmung umspielte einen gleichmäßigen Rhythmus und Strähnchen ihrer rot gefärbten, schulterlangen Haare fielen ihr ins Gesicht. Sogar das Fallen der Strähnchen schien in einem bestimmten Rhythmus zu verlaufen.

Doch plötzlich erhob sie sich aus ihrer Position und sah mich verärgert an.

,,Ich kann mich nicht konzentrieren, wenn du mich die ganze Zeit über blöd angaffst." , schnaubte sie.

Ich murmelte: ,,'tschuldigung.",und bevor ich noch etwas erwidern konnte nahm sie sich ein Plätzchen, von dem Tablett, welches ich neben mir abgelegt hatte und zog ein Sitzkissen rüber, um sich gegenüber von mir zu setzen.

,,Na, war ja nicht deine Schuld" ,nuschelte sie mit ihrem vollen Mund. ,,Ich bekomm es einfach nicht hin, alles auszublenden, mich zu konzentrieren und garnichts zu denken."

,,Tja, dein superschlaues Gehirn kann man nicht einfach so ausschalten." ,entgegnete ich und breitete mich auf ihrem Bett aus, um gegen die Decke ihres Himmelbettes zu starren.

Es vergingen einige Minuten und wir beide hingen in derzeit unseren eigenen Gedanken nach.

Jemand klopfte an und riss uns aus unseren Gedanken.

Levi kam uns mit einem Lächeln entgegen, schob das Tablett aus dem Weg und setzte sich neben mich.

,,Was macht ihr so und wieso ist es so dunkel und parfümiert hierdrin?" ,fragte er.

,,Dich hassen. Du hast angeklopft, als ich gerade an nichts gedacht habe, ich habe es fast geschafft alles auszublenden ,und dann kamst du. Und zu der Dunkelheit und dem Geruch: Das ist eine gute Atmosphäre um sich zu beruhigen." ,meinte sie aufgebracht.

,,Anscheinend ist die Atmosphäre nicht gut genug, um dich zu beruhigen." ,lachte er.

Sie schlug ihn freundschaftlich und stahl sich noch ein Plätzchen vom Tablett.

,,Apropos, dich beruhigen.. Äh, uhm..." , sagte Levi.

Rylee lachte: ,,Sag schon, was ist los?"

,,Also, ich wurde zu der jährlichen Party der Collins-Geschwister eingeladen und..." ,begann Levi.

,,Oh mein heiliger BimBam! Du nimmst mich mit!?"

,,Äh, eigentlich habe ich schon jemand anderen gefragt."

,,Was!? Wenn ich diesen 'jemand' auch nur in die Finger bekomme..." Rylee veranschaulichte es mit ihren Fingern und ihrer Hand, die gerade qualvoll knackste.

Ich wollte nicht der 'jemand' sein, mit dem sie das anstellen würde... Doch ich war es.

,,Wer ist es?" ,fragte Rylee und ihrem Blick nach zu urteilen, würde sie aus dem jemand Hackfleisch machen.

Also aus mir.

Levi zeigte vorsichtig mit seinen Fingern auf mich.

Ihr Gesicht wurde von dem einen auf den anderen Moment, von Satan selbst zu dem Gesicht eines aufgeregten Kindergartenmädchens.

Rylee krallte ihre langen, schwarz lackierten Fingernägel in Levi's Arm und zog ihn mit einem breiten Honigkuchenpferd-Grinsen aus dem Zimmer. Die Tür schloss sich, um sich ein paar Sekunden später wieder zu öffnen.

,,Sind gleich wieder da." , sagte Rylee und sie machte mir langsam mit ihrem Dauergrinsen angst.

Ich seufzte und machte es mir auf ihrem Bett gemütlich, indem ich mich auf den Bauch legte. Ich hörte das Gemurmel der beiden durch die Tür dringen, jedoch war es zu leise, um etwas zu verstehen.

Ich verstand Rylee und ihre Stimmungsschwankungen manchmal echt nicht... aber naja.

Ich wusste natürlich wieso er nicht Rylee mitgenommen hatte. Es war ihr größter Traum, einmal zu einer der jährlichen Collins-Partys zu gehen und ich verabscheute diese eher. Aber ihr Schwarm hat Levi letztens angesprochen und ihn gefragt, ob er ein Treffen mit Rylee organisieren könnte.

Und weil wir so tolle Freunde sind, haben wir uns einen Plan ausgedacht:

Also, Rylee weiß von dem Treffen nichts und denkt sie würde mit Noah, unserem Kumpel ins Kino fahren. Dann, kommt ihr Schwarm und Noah lässt die beiden alleine.

Tadaa, bester Plan aller Zeiten! ...

Okey, vielleicht doch nicht, aber mindestens haben wir uns die Mühe gemacht, einen Plan zu schmieden.

Bevor ich weiter in meine Gedanken versinken konnte, kam auch schon wieder Levi rein.

,,Wo ist Rylee?" ,fragte ich. ,,Du hättest sie nicht gleich umbringen müssen, knebeln hätte viel mehr Spaß gemacht."

,,So schön diese beiden Vorstellungen auch sein mögen, sie ist nur was zum Trinken holen." ,lächelte Levi.

,,Und jetzt mach' gefälligst Platz." ,fügte er noch scherzend hinzu.

Ich rückte ein Stück auf dem Himmelbett von Rylee und er setzte sich auf die Bettkante mit dem Rücken zu mir.

Rylee kam mit vier Trinkpäckchen (wahrscheinlich eher für ihre kleinen Geschwister gedacht) auf uns zu und warf uns jeder eins hin.

Hinter ihr, im Türrahmen stand ein durchgefrorener Noah, der sich uns schnell begrüßte und sich schnellstmöglich in eine von Rylee's Decken einhüllte.

Ich sah ihn belustigt an, mit den Schneeflocken in seinen braunen Haaren und seiner roten Rudolf-Nase. Er war vergleichsweise zu Levi ungefähr 10cm größer und überragte damit Rylee deutlich, die sich neben ihn setzte.

,,Also, was ziehst du an?" ,fragte Rylee mich.

,,Weiß ich noch nicht. Nichts zu extravagantes." ,entgegnete ich.

,,Wie du weißt es noch nicht? Heute ist D-O-N-N-E-R-S-T-A-G." , sie betonte dabei jeden Buchstaben des letzten Wortes. ,,Am Samstag ist doch schon die Party."

Ich rollte nur mit den Augen und sie sagte, dass wir morgen shoppen gehen würden.

Ich willigte unfreiwillig ein, denn Widersprechen war bei ihrer Sturheit sinnlos.

Jetzt fragte sie irgendwas an Levi gewandt, doch ich hörte nicht mehr richtig zu. Ich beobachtete Levi's Gesichtszüge, sein weiches Gesicht und seine dunkelblonden Haare, als ich langsam zu Müde wurde und einschlief...

The other Lizard.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt