Yixing
Stumpf starrte ich in den Topf. Kleine Luftbläschen stiegen im Wasser auf wie Perlen.
Wow.
Dass es für mich schon zu einer annehmbaren Beschäftigung geworden war, Wasser beim Aufkochen zu beobachten - und das bereits nach einem Tag - sprach eindeutig für sich. Es würde furchtbar werden. Immerhin hatte ich in der Küche meine Ruhe, bis auf Kyungsoo, der neben dem Herd an der Anrichte stand und schweigend Gemüse kleinschnitt. Das unauffällige Klappern des Messers auf dem Schneidbrett und das leise Rauschen des zu kochen beginnenden Wassers waren das Einzige, was man wirklich hören konnte.
Wir beide waren dafür zuständig, die Meute mit Futter zu versorgen bevor sie sich angingen wie ein Rudel hungriger Löwen. Wenn man sie sich so ansah, konnte man annehmen, dass eben dies nicht mehr besonders lange dauern würde. Sie benahmen sich wie Kinder, die nicht ausgelastet waren, und ich war kurz davor gewesen, in das gleiche Verhaltensmuster zu fallen, wenn nicht Kyungsoo mich gerettet hätte. Also stand ich jetzt - mehr oder weniger dankbar - vor dem Topf und wartete darauf, die Nudeln ins Wasser schmeißen zu können.
"Wir müssen Holz auflegen!", rief jemand aus dem Wohnzimmer.
"Was 'wir', mach's doch selber!", blökte jemand aus dem Schlafzimmer zurück.
"Ich bin nicht für das Feuer zuständig!"
"Niemand ist zuständig, jetzt mach doch einfach!"
Eine Stimme aus dem Badezimmer schaltete sich ein: "Könnt ihr mal aufhören durchs ganze Haus zu schreien?"
"Du schreist doch selber, du Idiot!", pflaumten die anderen beiden im Chor zurück.
Ich seufzte und kippte die Nudeln ins Wasser, die zischend und blubbernd versanken und kurz das Geschrei übertönten.
Aber nur kurz.
"WIR HABEN KEIN HOLZ MEHR!"
Verdammte Axt!
"Dann geh welches holen!"
"Geh doch selber!"
Genervt knallte ich den Deckel auf den Topf, ließ Kyungsoo in der Küche allein und wappnete mich dafür, mich einzumischen.
"Leute. Merkt ihr nicht, dass diese Diskussion zu nichts führt?"
"Wooow, passt auf, jetzt kommt der große Diplomat.", lästerte Sehun.
"Wooow, seit wann kennst du solche hochgestochenen Worte?", konterte ich, ehe ich mich umsah. Es war tatsächlich kein Holz mehr da.
"Okay. Irgendwer von euch Pappnasen muss raus, Holz holen."
"Warum gehst du nicht sel-"
"Halt die Klappe, Jongin, ich hab keine Lust auf diese Diskussion."
Jongdae erhob sich seufzend.
"Ich gehe. Aber nicht alleine."
"Wie alt bist du, fünf? Aber alleine aufs Klo gehen kannst du schon, oder?", stichelte Tao.
"Ich gehe mit.", unterbrach Baekhyun ihn und stand auch auf.
Die beiden verschwanden, um sich die warmen Sachen anzuziehen und sich gegen den noch immer tobenden Sturm zu wappnen, und griffen sich beide einen Holzkorb.
"Dann mal los. Auf dass wir als Eiszapfen zurückkehren." Chen hob den Korb und stapfte entschlossen zur Tür.
"Auf dass wir überhaupt zurückkehren...", nuschelte Baekhyun und folgte ihm.
"Bis gleich." Ich nickte den beiden dankend zu, ehe ich mich gezwungenermaßen umwandte und einem "VERDAMMT....AUA!" eilig in die Küche folgte.
Kyungsoo kämpfte mit dem überkochenden Wasser und hatte sich augenscheinlich die Hand verbrannt, denn er wedelte hektisch damit in der Luft herum.
"Kann ich dir irgendwie helfen?"
"Wonach sieht's denn aus?", schnappte er und ließ den Deckel auf den Topf zurückkrachen.
"Sorry...", nuschelte ich und griff nach seinem Handgelenk. Die Haut war gerötet, doch es sah nicht nach einer schlimmen Verbrennung aus.
"Haben wir irgendwo Brandsalbe?"
Ich zuckte die Schultern. "Ich geh nachsehen..." Ich ließ seine Hand los und begab mich auf die Suche nach einem Erste-Hilfe-Kasten, den ich schließlich im Badezimmer auch fand.
Ich schnappte mir die Salbe und einen dünnen Verband, kehrte zurück und wollte mich eigentlich um Kyungsoos Hand kümmern, als er sie wegzog.
"Ich hab mir die Hand verbrannt, ich bin nicht schwerverletzt."
"Sorry.", murmelte ich wieder und rührte in der Soße, während er sich die Hand verband.
-
Wenigstens ein Mal war die Bande still. Solange sie was zu kauen hatten, blökten sie wenigstens nicht herum. Wie die Kinder. Ich kam mit den letzten zwei Schüsseln ins Esszimmer, doch es kam niemand, um sie mir abzunehmen.
Komisch... Hatte ich mich verzählt?
"Leute, wer hat noch nichts?"
Schweigen. Kauen. Mehr Schweigen.
"Verarscht ihr mich jetzt oder-", ich brach ab. "Verdammt!"
Ich warf einen Blick aus dem Fenster. Nicht einmal die Baumreihe, die nur ein paar Meter von der Tür entfernt war, konnte man sehen.
"Wo sind Baekhyun und Jongdae?"
Ich hoffte, dass ich mich vertat. Ich hoffte es inständig. Ich betete, dass mir jetzt jemand sagte, die beiden seien lediglich schlafen oder duschen gegangen. Irgendetwas.
"Nicht hier.", stellte Chanyeol entsetzt fest.
"Wie lange sind die jetzt da draußen?"
"Wie spät ist es überhaupt?"
Schweigen. Wir hatten die Handys zum Großteil ausgeschaltet, um für den Notfall Akku zu sparen, nicht dabei - oder Ersteres hatte nicht funktioniert und der Akku war eben leer.
Niemand hatte eine Ahnung.
"Ehm..." Minseok stand auf und begann, herumzukramen.
"Was machst du denn jetzt?"
Er zog ein Kettchen hervor, an dessen Ende ein schwerer Anhänger hing. Er hatte mir von der Uhr erzählt.
"Aber... Die war doch stehen geblieben?"
Wie die Zeit hier oben....
Er nickte. "Ich hab sie wieder aufgezogen.", antwortete er und klappte die Uhr auf.
Wir hielten alle unwillkürlich die Luft an.
"Es ist drei.", verkündete er schließlich leise.
Die anderen hatten aufgehört zu essen. Uns war der Appetit vergangen und Sorge füllte den Magen.
"Das heißt..."
"Sie sind seit fast einer Stunde da draußen."
Schweigen.
Chanyeol stand auf.
"Wir müssen sie suchen. Sofort."
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Der (nicht ganz so) traurige Versuch eines Adventskalenders.
FanfictionDie Idee: 24 Kapitel für 24 Tage. Die Entscheidung: am 30. November um kurz nach 11. Abends. Nunja, da bin ich jedenfalls. Nehmt dieses Projekt bitte nicht ganz so ernst, denn das Risiko, dass es in drei Tagen schon seinen Sinn verliert ist ziemli...