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C H A P T E R 4
miracle
★☆★☆★☆★☆★Als ich die Augen aufschlage, bin ich im ersten Moment erschrocken darüber, wie fremd mir alles ist. Im zweiten Moment bin ich überwältigt davon, wie bekannt mir alles vorkommt.
Die helle Wandfarbe, die mich immer an den Himmel an einen hellen Sommertag erinnert, ist ein wenig ausgeblichener, doch sie erinnert mich immer noch an den Baumarktbesuch mit Harry vor all den Jahren. Es ist einer der wenigen Tage gewesen, in denen wir uns keine Gedanken machen mussten, nicht über mein Studium, nicht über seinen Job, nicht über die ungewisse Zukunft. Stattdessen stürzten wir uns einfach in vierundzwanzig Stunden voller Glück. Wir richteten dieses Haus ein in unseren Gedanken, als hätten wir eine Ewigkeit. Wir verschlossen die Augen vor der bitteren Wahrheit, die uns schließlich erdrückte.
Auch das Bett im Gästezimmer ist immer noch dasselbe, weiße Gitterstäbe, die mich an meine Kindheit in Frankreich erinnern. Ich weiß noch, dass Harry damals meinte, dass das hier mein Reich sei und ich mich austoben sollte.
Die Stoffvorhänge sind dieselben, die Duftkerzen auf den Nachtischen, die längst keinen Geruch mehr verströmen, sind ebenfalls nie ausgetauscht worden.
Das hier ist mein Zimmer und gleichzeitig doch wieder nicht. Denn auch wenn ich es eingerichtet habe, ist es immer bloß für Gäste bestimmt gewesen.
Mein Reich hat sich einmal auf der anderen Seite des Flures befunden, mit gigantischem Blick hinaus in den Garten und über die Dächer Londons hinweg. Wenn man ein wenig die Augen zusammenkneift, dann kann man von dort sogar das London Eye in weiter Ferne erahnen, das der Dunkelheit der Nacht stetig trotzt. Sicher und für alle Ewigkeit.
Doch dieses Zimmer gehörte mir nicht mehr, sondern bloß nur noch dem Jungen, der mir einmal alles bedeutete.
Es war meine begrenzte Zeit und der Umzug nach Frankreich, die uns letztendlich auf schmerzhafteste Weise über den Abgrund warfen. Hätte ich Harry nicht geliebt, wäre es einfacher gewesen, aber das tat ich mehr als alles andere. Wahrscheinlich tue ich es immer noch irgendwie.
Mein Herz krampft sich zusammen, während meine Finger sich in die Bettlaken bohren, als hätten sie Angst, dass sie viel zu schnell bereits wieder loslassen müssen.
Das Bett fühlt sich plötzlich unendlich groß an, während ich jämmerlich in den Laken versinke. Wenn ich die Augen schließe, mich auf den Geruch des Shirts konzentriere, das Harry mir gestern Abend überlassen hat, kann ich mir einen Augenblick lang vorstellen, dass er sich direkt neben mir befindet. Es schockiert mich, denn das habe ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr getan. In den ersten Wochen nach unserer Trennung andauernd, bis sein Geruch vom Leben fortgeweht wurde. Danach habe ich all seine Shirts in den hintersten Teil meines Kleiderschrankes verbannt, wo sie heute noch ihr tristes Dasein fristen.
Doch anscheinend braucht es nur einen einzigen Tag voller Weihnachten und Harry, um mich wieder in alte Gewohnheiten zurückzuwerfen. Es macht mir Angst, denn das Klopfen meines Herzes rennt viel zu schnell.
Langsam schwinge ich meine Beine über den Bettrand, bis sie auf den federweichen Teppich treffen, der sich wie eine Schicht Wolken unter meinen Füßen anfühlt. Barfuß tapse ich zu dem Kleiderschrank herüber, der in der Zimmerecke zur rechten der Tür sein Zuhause gefunden hat und suche nach den Kuschelsocken, die ich vor langer Zeit einmal hier vergessen habe. Ich brauche nur eine einzelne Schublade zu öffnen, denn ich weiß, wo sie sein sollten und zu meiner Erleichterung befinden sie sich immer noch dort.
Unsicheren Schrittes überquere ich die paar Meter Flur, die Harry und mich heute Nacht getrennt haben. Doch als ich schließlich vor dem Hauptschlafzimmer stehe, das einmal meins gewesen ist und nun nur noch eine dunkle, bittersüße Erinnerung, da traue ich mich nicht anzuklopfen. Ich bin nicht bereit dazu, all die zerstörten Träume hinter diesen Türen zu sehen. Bevor ich entscheiden kann, was ich stattdessen tue, höre ich ein Geräusch aus der unteren Etage, das mir verdeutlicht, dass Harry sich bereits in der Küche befindet.
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ρeut-être ❄ h.s. ✓
Fanfic"Vielleicht, ganz vielleicht, existieren Weihnachtswunder wirklich noch. Vielleicht muss man nur nah genug hinsehen, um sie zu entdecken." Victoire Beaufort ist das Weihnachtsmädchen. Sie liebt nichts mehr, als durch die beleuchteten Straßen Londons...