Dunkelheit umgibt mich, und Stille, einsame Stille. Seit wann ich hier liege, ist ungewiss und wohl auch nicht von Bedeutung. Mein Körper liegt auf etwas Weichem, dieses wiederum auf hartem Untergrund. Es ist nur eine Vermutung, doch es muss so sein.
-Warum beginne ich zu denken?
-War es gestern schon so, oder davor?
Zeit ist merkwürdig, man kann sie nicht sehen oder fühlen...
Plötzlich werden meine Gedanken unterbrochen. Ich bin nicht mehr alleine, da vorne ist etwas! Oder vielleicht auch Jemand, doch dies ist nun nicht von Bedeutung.
Eine kleine Gestalt nähert sich. In einem rot-orangenen Mantel gehüllt, mit wallenden roten Haaren, die am Kopfansatz blau wirken. Es scheint weder männlich noch weiblich zu sein, doch das hat für mich sowieso keine Bedeutung. Gelbe Augen blicken mich an und ein Grinsen aus kleinen spitzen Zähnen zeigt sich auf dem hellem Gesicht.
„Wer bist du?", frage ich zaghaft.
„Wer weiß..."
Die Stimme der Gestalt ist weder hoch noch tief, noch von großer Bedeutung. Es ist nur eine Stimme, die Erste außer meiner Eigenen.
„Du kannst mir ja einen Namen geben, bisher warst du alleine und hattest niemanden, mit dem du dich unterhalten konntest."
Doch ich kenne keine Namen, nicht mal meinen eigenen und so entgegne ich nichts. Die Gestalt zuckt mit den Schultern. Sie ist kleiner als ich, doch die Bedeutung darin ist mir unklar. Was ist schon Größe...
„Du kannst mich Freund nennen."
Freund, wie ich es nun nennen kann, auch wenn ich nicht weiß, was es ist, setzt sich neben mich und lässt die Beine baumeln. Beiläufig legt es seine Hand auf den weichen Untergrund, auf dem ich liege.
Es ist jetzt warm. Dieses Gefühl ist neu, doch gerade nicht von Bedeutung.
Die Gestalt neben mir beginnt wieder zu reden und ich höre still zu.
„Ich war noch nie an so einem kleinen Ort, was bringt sie wohl dazu Kleines zu bauen, um darin noch kleineres zu verwahren. Aber es ist doch irgendwie schön hier, so behaglich und du hast so ein schönes Polster unter dir. Ich habe nie ein Polster von ihnen bekommen. Sie gaben mir Steine, in denen ich gelegt wurde. Sie gaben mir Nahrung, damit ich nicht starb und gingen ihren Tagen nach, während ich alleine dort saß und ihnen zusah."
Mir ist nicht klar wer 'Sie' sind, doch wenn 'Sie' die Selben waren, die mich hier hingelegt hatten, so kann ich es verstehen. Es war einsam so alleine, doch nun bin ich es ja nicht mehr und jeder Gedanke an Einsamkeit und die Zeit vor diesem Treffen, ist ohne Bedeutung.
Freund sieht mich von der Seite an und lächelt dieses spitzzähnige Grinsen. Nun kommt mir kurz die Frage in den Sinn, wie mein Lächeln aussieht.
-Ist mein Lächeln freundlich?
-Wie sehe ich überhaupt aus?
In den gelben Augen der Gestalt neben mir kann ich mich nicht spiegeln und so verwerfe ich diese Gedanken. Sie sind gerade nicht von Bedeutung.
„Woher kommst du?"
Freund blinzelt mich verwundert an, als hätte ich eine äußerst dämliche Frage gestellt und ich zucke kurz zusammen.
„Von nebenan natürlich, wie hätte ich sonst zu dir kommen können?"
Die zuvor noch so kleine Gestalt, sieht mich mit amüsiertem Blick an und ich bemerke, dass Freund größer geworden ist. Um uns herum ist es wirklich sehr warm und auch etwas heller.
Zum ersten Mal erkenne ich meine Umgebung, das helle Polster unter mir und die noch helleren Wände, rechts, links, oben und unten.
Freund lacht leise und hört nicht mehr auf, entzieht der Umgebung ihre Bedeutung...
Ich weiß nicht warum, doch der Laut wird unangenehm und ich möchte die Gestalt neben mir bitten, damit aufzuhören. Doch etwas lässt mich nicht atmen, nicht sprechen und so kann ich nur zusehen.
Freund sitzt noch immer, doch die Gestalt überragt mich fast und hinter ihr färben sich die hellen Wände schwarz.
-Ich kann mich nicht bewegen, konnte ich das jemals?
Von der Seite werde ich aus belustigten gelben Augen angesehen, nun von oben herab. Sie nehmen meinen Gedanken jegliche Bedeutung. Die wallenden roten Haare werden wie magnetisch von den einst so hellen Wänden angezogen und dies macht Freund noch größer.
„Sie sind komisch, gaben dir Flügel und doch kannst du ohne ihre Hilfe nicht fliegen. Sie gaben dir so ein hübsches Polster und so einen schönen Kasten. Wie etwas Besonderes stehst du hier oben auf diesem Brett. Es war nicht so leicht hierhin zu kommen, weißt du."
Die zuvor nicht beachtete monotone Stimme, dringt in jede meiner Fasern und soll leise sein. Ich möchte kein Lachen und auch kein Gespräch hören.
Wenn sie doch nur an Bedeutung verlieren würden...
„Nur wenige hingen dort und gaben mir eine Chance, soweit hinauf zu kommen. Wie die Steine in denen ich lag, hielten mich die Wände draußen auf. Sie sind ehrgeizig, weißt du. Sie erschaffen kleine und große Dinge, aber meist sind sie wie du. Wie du hingen und standen sie dort, alleine und oftmals auch in so kleinen Kästen."
Die bedeutungslose Geste der Hand auf meinem hellen Polster, erkenne ich nun als wichtig an. Als Freund wieder beginnt zu lachen, hebt die Hand sich und darunter ist das Polster weg. Nicht ganz weg... eine Schicht aus dunklem Staub war geblieben, schwarz heben sich die fransigen Ränder mit der fehlenden Fläche von all dem Weiß drumherum ab.
Ich fühle mich immer kleiner und kleiner, je mehr Freund wächst und die weißen Wände immer schwärzer werden.
-Sei bitte leise und lass mich wieder alleine!
Stumm und bewegungslos, stoße ich diesen verzweifelten Schrei aus. Freund hört mich nicht und lacht nur weiter. Die gelben Augen funkeln und irren umher. Um mich herum zerfällt alles Weiß und schwarzer Staub verwirbelt die Luft.
Als die letzte weiße Wand zerfällt, erkenne ich zum ersten Mal die Außenwelt und auch wie groß Freund wirklich ist. Die einst so kleine Gestalt erstreckt sich über mein gesamtes Blickfeld.
„Nun möchte ich dein hübsches Polster haben, weißt du."
Entsetzt sehe ich, wie die Ränder immer dunkler werden und das weiche Polster unter mir zu Staub zerfällt. Regungslos starre ich Freund an. Die spitzen Zähne grinsen und eine lange bläuliche Zunge schnellt heraus und fährt über die schmalen Lippen.
Die zuvor so kleine und fast nur aus bedeutungslosen Einzelheiten bestehende Gestalt, ist nun so riesig, dass ich die Bedeutung meines winzigen Körpers erkenne.
Ich kann nicht sprechen und auch nicht fliehen, nur regungslos zusehen. Alles um mich herum ist dunkel, nicht die Dunkelheit, die ich bisher kannte. Viel bedrohlicher breitet sie sich hinter dem rot-orangenen Mantel aus. Obwohl ich jetzt nicht mehr in diesem kleinen 'Kasten' bin, den 'Sie' erschaffen haben, fühle ich mich in die Enge gedrängt.
Freund's Lachen verstummt und ich höre etwas anderes.
-Sind das Schreie?
Zuvor noch so leise, dass ich sie nicht erkennen konnte, dringen sie in mich ein und zerreißen mich innerlich. Dann ist im Hintergrund auch noch ein anderer Laut zu hören, der mich an malmende Zähne erinnert.
-Seid leise!
-Lasst mich alleine!
Doch niemand kann mich hören. Meine Stimme erstickt von diesem Staub. Freund beugt sich zu mir und zückt einen Finger. Dieser berührt mich und ich spüre etwas Neues, etwas von größter Bedeutung. Wie spitze Zähne frisst sich Hitze in mich und verbrennt meine Fasern. Wie das Polster zuvor unter mir, zerfalle ich zu dunklem Staub, den Blick entsetzt und voller Angst auf das Gesicht der Gestalt gerichtet.
Freund grinst nur und ich erkenne die Bedeutung, die Mordabsicht.
Die Bedeutungen von Freund, Größe und Bewegung werden mir klar und auch die Wahrheit und Lüge in jeder Bedeutung.
Mit letzter Kraft flüstere ich meine letzten Worte.
„Du hast gelogen... du bist Schmerz."
Freund lacht hämisch und ich vernehme, während ich von der Hitze gefressen werde, die Bedeutung dieses Schauspiels. Die getäuschte Beute wird erlegt...
„Du hast nicht ganz unrecht. Du spürst Schmerz, aber ich bin das Feuer und du lediglich ein kleiner Papierkranich..."
DU LIEST GERADE
Realität oder Fiktion - Wahrheit oder Lüge
Short StoryWas ist, wenn es nicht so ist wie es scheint. Was du siehst, ist nicht was es zu sein scheint. Was du fühlst, ist nichts was du jemals gefühlt hast. - Sehe durch meine Augen, fühle mit meinen Sinnen und nutze deine Stimme für den Schrei der Verzweif...