Kapitel 11

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Als der Morgen des ersten Schultages meines letzten Jahres heranrückte, war ich gefühlt 5 kg leichter, weil ich nichts mehr hatte essen können.

Ich dachte immer wieder an die Nacht, die ich bei ihr verbracht hatte. Immer, wenn ich die Augen schloss, sah ich sie vor mir. Wie sie mit einem Lächeln auf den Lippen schlief. Dicht an mich gekuschelt und ihren Arm um mich gelegt, als hätte sie Angst, mich würde jemand klauen.

Ich hatte immer noch den Duft ihrer Haare in meiner Nase. Ihr Lachen tönte in meinen Ohren. Und ich spürte ihre Berührungen auf meiner Haut.

Heute würde sie es heraus bekommen. Ich würde auffliegen. Und alles würde kaputt gehen.

Die letzte Woche war viel mit Vorbereitungen ihrerseits gefüllt gewesen. Wir haben uns also nicht so oft gesehen, wie wir uns das gewünscht hatten.

Gestern Nacht hatte ich Nikki dann noch geschrieben. Ihr einen guten Start gewünscht ins neue Schuljahr und alles. Wir hatten auch kurz telefoniert, um einfach nochmal zu quatschen und uns dann eine gute Nacht zu wünschen.

Ich war schon seit ca. 5:00 Uhr wach. Die halbe Nacht hatte ich nicht wirklich schlafen können.

Ich sah aus wie der Tod, ehrlich.

Ohne Mist, am liebsten würde ich zu Hause bleiben. Das Abi schmeißen. Wegrennen. Auswandern. Irgendwohin, wo mich keiner kennt.

Schleppend befreite ich mich von meiner Decke, schwang die Beine aus dem Bett und wusste wirklich nicht, wo ich die Motivation für den heutigen Tag hernehmen sollte.

Ich meine...es war ja nicht mal so, dass dies eine unglaubliche Herausforderung war, die aber mit viel Glück noch erfolgreich enden konnte. Nein, es war einfach...schrecklich. Verbunden mit der Gewissheit, dass es kein gutes Ende geben würde und alles einfach nur noch schrecklicher werden würde.

Ich hatte mich in Frau Sommer verliebt.

In Nikki.

Nicole Sommer.

Die Frau, deren Name allein ein warmes Gefühl in meiner Brust auslöste.

Mein persönlicher Sommer...sozusagen.

Oder eher...mein Sommergewitter.

Ein warmer Sommerregen.

Der sanfte Sommerwind, vielleicht. Der sanft die Blätter an den Bäumen rascheln und tanzen lässt.

Ich ließ den Kopf hängen, schloss die Augen und fuhr mir durch meine wirren Haare.

Dann hielt ich es nicht länger aus, hier herum zu sitzen.

Ich schlurfte also ins Bad, immer noch nicht ganz sicher, ob ich mich nicht einfach in das Auto meiner Mutter setzen und Berlin verlassen sollte.

Das Duschen dauerte eine gefühlte Ewigkeit, da das Herunterprasseln der heißen Wassertropfen mich kurz innehalten ließ.

Dann schlüpfte ich in meine Klamotten, ging nach unten in die Küche, um eine Kleinigkeit zu frühstücken.

Weil ohne Frühstück geht sowieso nichts oder so. Auch, wenn ich wieder nur ein paar Bissen herunter bekam.

Schließlich schwang ich mich auf mein Rad und fuhr los. Man merkte natürlich sofort, dass die Ferien vorbei waren. Entsprechend war nämlich der Verkehr und ich wäre beinahe mehrfach an den Kreuzungen umgenietet worden.

Aber S-Bahn wollte ich einfach nicht fahren. Auf dem Rad war ich irgendwie flexibler. Und bekam den Kopf frei.

Auf dem Weg zur Schule schmiedete ich den Plan, dass ich versuchen würde, Frau Sommer...also Nikki...so lange es ging, aus dem Weg zu gehen.

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