Über dem Asphalt in der Einfahrt flimmerte die Luft, das kurz gemähte Gras unter mir war schon komplett gelb gefärbt. Nicht ein Vogel war am Himmel zu sehen, er war wolkenlos seit Tagen und die Sonne knallte förmlich auf uns hinunter. Es war mein erster Sommer in den USA und die kalifornische Sonne machte mich stark zu schaffen. Meine Freundin Sina, bei deren Mutter ich zu der Zeit arbeitete ist ein eher südlicher Typ. Sie wird braun, ich werde rot. Es war schon immer so. Sie brachte mir auch bei wie man auf Bäume klettert und so kam ich auch in diese Situation. Kopfüber in den Ästen des alten Apfelbaumes hängend hörte ich mir Musik an und versteckte mich im Schatten vor der sengenden Mittagshitze. Ich war gerade dabei vollkommen in der Musik abzudriften als ich ein lautes Geräusch von der Straße hörte und so selbst ein lautes Geräusch verursachte: nämlich das dumpfe Aufschlagen meines Körpers auf das vertrocknete Gras.
Für ein paar Sekunden stand ich etwas unter Schock und musste mich erst einmal wieder orientieren. Der Fall war nicht tief, aber die Staubwolke umso größer. Ich stand auf und klopfte mir den Dreck von den Kleidern und fand nun endlich die Zeit mich zur Straße zu drehen und den Ursprung des zuerst gehörten Geräusches ausfindig zu machen. Vor der Einfahrt stand ein Auto aus dessen offener Motorhaube weiße Rauchschwaden aufstiegen. Das Wetter schien auch dem Auto nicht gut zu bekommen. Ich lief automatisch auf sie Szenerie zu und begann den Mann, welcher neben seinem liegengebliebenen Gefährt stand, zu mustern. Er trug ein weißes T-Shirt und blaue Jeans, seine Haare waren etwas länger und von einem dreckigen blond. Ich zögerte einen Moment bevor ich ihm zurief. „Hey, kann man dir irgendwie behilflich sein?"
Ich bin relativ schwer zu schocken was Kontakt mit Fremden angeht. Das wäre auch bei meiner Arbeit im Gästehaus von Sinas Mutter ziemlich schlecht. Und eigentlich lasse ich mich auch nicht vom Aussehen von Personen beeinflussen, allerdings soll es ja für alles ein erstes Mal geben. Und dieses erste Mal war an diesem Tag gekommen.
Der Fremde drehte sich etwas verwirrt zu mir um und irgendwas an ihm sorgte dafür, dass ich sofort lächeln musste. Er wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn und lächelte mir erleichtert zu. „Ich muss ein echter Glückspilz sein vor dem einzigen Haus weit und breit liegengeblieben zu sein... Leo mein Name!" Er hielt mir die Hand zum Gruß hin und ich schlug ein. „Ich heiße Ally. Und ob das Glück war werden wir gleich sehen." Ich warf einen Blick in den Motorraum und zog besorgt eine Augenbraue hoch. Leo stellte sich belustigt an meine Seite. „Was sagt die Frau Fachmechanikerin?" „Dass das ein verdammt schönes Auto mit verdammt seltenen Ersatzteilen ist. Was für ein Modell ist das genau?" „Das ist der alter Audi 100 Coupé S von meinem Vater... welcher toben wird wenn er das erfährt." „Wird er nicht. Man hat hier draußen nämlich absolut kein Netz." Ich strich über die sonnenblumengelbe Lackierung des Wagens und wand mich wieder um. In der Zwischenzeit hatte der Fremde ein besorgtes Gesicht aufgesetzt. Immer noch ein hübsches Gesicht, keine Frage. „So hatte ich mir den Beginn meiner Reise nicht vorgestellt." „Wohin wolltest du eigentlich?" „Los Angeles, meine Eltern leben dort. Ich war beruflich in San Diego und wollte die Rückfahrt als eine Roadtrip gestalten um mal den Kopf freizubekommen, naja. Jetzt bin ich hier." „Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Welches magst du zuerst hören?" „Die schlechte." „Die nächste Stadt ist 3 Stunden von hier entfernt." Seine blauen Augen weiteten sich. „Allerdings hat vorgestern ein Trucker bei uns eingecheckt. Vielleicht kann der dir helfen. Komm doch erstmal rein, du siehst so aus als ob ein wenig Ruhe und eine kalte Dusche gebrauchen könntest." Er blickte für einen Moment in den Himmel und überlegte. Er sah zu mir hinunter und sein Lächeln kam zurück. „Weißt du was? Ich glaube damit liegst du gar nicht mal so falsch." Er ließ den Deckel der Motorhaube wieder hinunter und ich wies ihn an mir ins Haus zu folgen.
„Joyce? Bist du hier unten?" „Ja darling, ich bin in der Küche!" Ich lächelte Leo ermutigend zu und ging mit ihm in die Küche. „Schau mal was ich auf der Straße gefunden habe!" Leo winkte meiner Chefin zu. „Huch, hast du den aus den 70ern oder 80ern entführt?" Ich lachte und er strich sich ein paar Strähnen aus dem Gesicht. „Nein, aber sein Auto kommt aus der Zeit. Und das ist vor unserer Tür liegengeblieben. Aber jetzt wo du es sagst, er hat schon was 80er mäßiges." Beim Lächeln sah man seine weißen und fast schon zu perfekten Zähne aufblitzen. „Ich hoffe das ist etwas Gutes. Oder seh' ich schon etwas eingestaubt aus?" Er wusste genau dass er so ziemlich das Gegenteil von eingestaubt aussah. Aber das musste ich ihm ja jetzt nicht unbedingt unter die Nase reiben. „Och... ein bisschen schon." Ich tat so als ob ich ihm Staub von der Schulter streichen würde. Normalerweise wäre ich nur angetrunken so offensiv, aber er schien sich nicht an meiner Offenheit zu stören und gab mir nur sein böses Bubengrinsen. Joyce räusperte sich hinter mir. „Wie wäre es wenn ihr das Auto von der Straße holt und ich in der Zeit etwas zu Essen mache? Nicht dass einer von euch noch vom Fleisch fällt. „Ihre Gastfreundlichkeit rettet mich, ich danke Ihnen vielmals!" Joyce lächelte. „Jetzt seht zu dass ihr die Straße freiräumt!" Ich grinste und rannte zurück auf die Straße.
„An die Arbeit!" „Wie sollen wir das Ding denn jetzt von der Straße bekommen? Ich glaube zu weit schieben bringt relativ wenig." „Wer hat denn etwas von schieben gesagt?" Ich kletterte auf den Zaun neben dem Hauptwohnhaus und reichte ihm die Hand. Mit fragendem, aber durchaus neugierigem Blick ging er darauf ein und kam mit mir auf die andere Seite. In lockerem Tempo joggten wir hinüber zu einer der Scheunen und ich öffnete das Tor. „Willst du einen Traktor als Zugmittel benutzen?" „Das würde funktionieren, macht aber nur halb so viel Spaß wie das was ich vorhabe." Ich drückte ihm ein Zuggeschirr in die Hand und schnappte mir ein Halfter von der Wand." Er begann zu lachen. „Was denn, gabs' in den 80ern noch keine Pferde?"
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Dulcet. - Die etwas andere Liebesgeschichte
RomanceDie 21 Jährige Ally arbeitet im Rahmen eines Auslandsaufenthaltes in einem Gästehaus mitten im Nirgendwo in Kalifornien. Alles läuft gut, sie findet schnell Freunde an ihrem Arbeitsplatz und auch die Arbeit mit den Gästen und Tieren bereitet ihr gro...