Die erste Verabredung

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Am nächsten Morgen wurde Evelyn von der aufgehenden Sonne geweckt, die durch das Fenster in Sophies Schlafzimmer fiel. Sie blinzelte. Ein leichter, dumpfer Schmerz machte sich in ihrem Kopf bemerkbar. Sie hätte nicht soviel trinken sollen. Evelyn drehte sich im Bett, um zu sehen, ob ihre Freundin auch schon wach war. Sie hatten gemeinsam in Sophies riesigem Doppelbett geschlafen. Ihre Freundin schlief noch, ihr Atem war tief und gleichmäßig. Eine Strähne ihres blonden Haares hing ihr ins Gesicht und hob und senkte sich bei jedem Atemzug. Evelyn beschloss ihre Freundin noch schlafen zu lassen und allein in die Küche zu gehen. Sie brauchte dringend einen Kaffee. Sie versuchte so lautlos wie möglich aufzustehen und schlich auf Zehenspitzen aus dem Zimmer. Sanft schloss sie die Schlafzimmertür hinter sich. Evelyn drehte sich nach links und ging den Flur entlang und bog dann rechts in das Zimmer ab, in dem sich die Küche befand. Per Knopfdruck schaltete sie die Kaffeemaschine ein. Die Maschine begrüßte sie mit einem mechanischen Geräusch und mit den Worten "Heizt auf" auf dem Display. Während die Maschine sich für den Einsatz bereit machte, ließ Evelyn den Blick durch die Küche schweifen. Über die cremefarbenen Küchenmöbel mit den fast schwarzen Arbeitsplatten. Ihr Blick blieb an ihrer Handtasche auf dem Küchentisch hängen. Sie war umgefallen und der Inhalt ergoß sich über den Tisch. Mitten in einem Durcheinander aus Geldbeutel, Handy, Schlüssel, Taschentücher, Lippenstift und Kaugummis, sah sie die Visitenkarte von Thomas durchblitzen. Sofort hatte Evelyn den intensiven Blick von Thomas vor Augen. Und selbst jetzt, wo er nicht einmal hier war, wurde sie ganz nervös. Sie nahm die Visitenkarte in die Hand und drehte sie zwischen ihren Fingern hin und her. Sie konnte sich an das Gespräch mit Sophie auf dem Rückweg erinnern und dass sie sagte, sie würde Thomas wiedersehen wollen. Auf der Rückseite der Karte stand eine Telefonnummer. Evelyn kramte ihr Handy aus ihrer Handtasche und entsperrte es. Ihre Hände zitterten leicht, was sollte sie ihm bloß sagen? Sollte sie ihn gleich um eine Verabredung bitten, oder sollte sie zuerst ein bisschen Smalltalk versuchen um herauszufinden, ob er sich immer noch mit ihr treffen wollte?
"Was ist los? Hast du die Kaffeemaschine nur zum Spaß angemacht oder hast du auch noch vor uns welchen zu machen?", ertönte Sophie's Stimme hinter ihr. Evelyn fuhr zusammen und drehte sich ruckartig um. "Verdammt Sophie! Hast du mich erschrocken. Ich wollte nur den Inhalt meiner Handtasche wieder in die Tasche selbst zurückbefördern. Wenn du einen Kaffee möchtest, naja,  du weißt ja wo deine Maschine steht", antwortete sie ihrer Freundin. Die beiden grinsten sich an. Sophie's Blick fiel auf die Visitenkarte in Evelyns Hand und sie fragte:"Und? Hast du ihn schon angerufen?" Evelyn drehte die Karte noch einmal zwischen ihren Fingern hin und her:"Nein, ich weiß nicht was ich ihm sagen soll." Das war die Wahrheit und keine Ausrede. Sie war nie gut in solchen Dingen gewesen. Im Gegensatz zu Sophie. Ihre Freundin wusste in jeder Situation die richtigen Worte zu wählen. Auch jetzt:"Ach Evelyn. Das ist doch völlig egal. Ruf ihn einfach an und frage wie es ihm geht. Der Rest ergibt sich ganz von selbst."
Evelyn seufzte:"Du hast ja Recht. Ich werde ihn nachher anrufen sobald ich wieder zu Hause bin. Aber zuerst, brauche ich einen Kaffee!"

Evelyn wühlte in ihrer Handtasche nach ihrem Schlüssel. Nachdem sie gemeinsam mit Sophie noch einen Kaffee getrunken hatte, hatte sie sich gleich auf den Weg nach Hause gemacht. Währenddessen stellte sie sich ein mögliches Telefonat mit Thomas vor. Sie überlegte hin und her was sie am besten sagen könnte. Aber alles klang abgedroschen und lächerlich. Mit einem entnervten Schnaufen fand Evelyn endlich den Schlüssel und schloss die Haustür zu ihrer Wohnung auf. Sie streifte sich die Schuhe von den Füßen und pfefferte sie in die Ecke. Sie nahm ihr Handy in die Hand. Die Visitenkarte hatte sie vorhin schon in die Tasche ihrer Jeans gesteckt. Nervös griff sie nach der Karte.  Sie fand es schon lächerlich, dass sie überhaupt so nervös war Thomas anzurufen. Was sollte schon passieren? Sie atmete noch einmal tief ein und aus und wählte dann seine Nummer. Es klingelte. Einmal, zweimal. Vielleicht war er gar nicht zu Hause. Ein Teil von ihr hoffte, dass er nicht ans Telefon ging, ein anderer Teil betete, dass er endlich den Hörer abnahm. Sie wollte gerade auflegen, als es in der Leitung knackte. Evelyn erstarrte.
"Thomas Field?", ertönte die tiefe Stimme von Thomas am anderen Ende der Leitung. Evelyn schluckte. Ihr Kopf war leer. Was sollte sie bloß sagen?
"Hallo? Wer ist dran?", fragte Thomas am Telefon.
"Äh, hi, ich, also, hier ist Evelyn. Ich weiß nicht, ob du dich an mich erinnern kannst. Ich war gestern auf der Party. Wir haben uns eine Weile unterhalten und du hast ein Foto von mir gemacht", sprudelten die Worte aus Evelyn heraus.
"Evelyn! Natürlich erinnere ich mich an dich. Wie könnte ich eine so hübsche Frau vergessen? Was gibt es?"
"Ähm, danke. Ich wollte nur fragen, ob du gestern noch gut nach Hause gekommen bist. Aber da du ans Telefon gegangen bist, gehe ich stark davon aus", stammelte Evelyn nervös vor sich hin. Was sollte sie bloß sagen? Ihr fiel absolut kein Gesprächsthema ein. Sie wusste nicht einmal, was Thomas Hobbies oder Vorlieben waren. Trank er gerne Kaffee oder doch lieber Tee? Thomas lachte auf der anderen Seite:" Danke, dass du frägst, aber ja, ich bin gut heimgekommen. Und es freut mich, dass du mich angerufen hast. Aber ehrlich gesagt, habe ich in zehn Minuten ein Shooting." Evelyn ließ enttäuscht ihre Schultern hängen. Sie hatte es vermasselt. Er versuche sie abzuwimmeln. "Aber gegen Abend werde ich fertig sein. Was hältst du davon, wenn wir uns zum Abendessen treffen? In der Stadt hat ein italienisches Restaurant letzte Woche aufgemacht. Wollen wir das zusammen ausprobieren?" Evelyns Knie wurden ganz weich, zum Glück saß sie bereits auf ihrem Sofa. Sie nickte aufgeregt, dann fiel ihr ein, dass Thomas sie nicht sehen konnte und sagte:" Ja, natürlich! Sehr gerne, ich würde mich sehr freuen."
Sie vereinbarten noch Uhrzeit und Treffpunkt und dann legte Evelyn auf. Ihre Hände zitterten immer noch leicht, sie ließ sich gegen die Sofakissen fallen, schlug die Hände vor die Augen und fing an kindlich zu kichern. Sie hatte ein Date. Sie freute sich unheimlich Thomas näher kennen zu lernen.

!PAUSIERT! - Es war meine SchuldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt