Kapitel 2

150 8 1
                                    

Endlich, nach stundenlanger Fahrt waren wir bei unserer Tante angekommen. Wir mussten im Auto warten, während der Polizist bei dem verwahrlosten, kleinen Haus anklopfte. Ich hatte Maryanne schon ewig nicht gesehen. Früher wie ich noch kleiner war, besuchten wir sie öfters und auch nach der Geburt meine Zwillingsschwestern. Doch seit fünf Jahren waren wir nicht mehr bei ihr gewesen. Bis zu dem Tod ihres Mannes. Nachdem ihr Mann, Onkel Charles, an einer unheilbaren Krankheit, von der ich damals noch nicht viel verstand, starb, sah ich sie nur noch ein einziges Mal. Ich weiß noch wie Mum vor der Tür stand und ich, genau wie jetzt, im Auto warten musste. Als plötzliche eine Frau in der Tür stand, die mir schreckliche Angst eingejagt hatte. Sie hatte ein weißes Leibchen an, zumindest sollte es einmal weiß gewesen sein. Es war überseht mit Flecken, ihre Haare standen völlig zerzaust in jede Richtung und erst der Gestank! Ich konnte diesen beißenden Alkoholgeruch der vermischt mit Schweiß war, bis ins Auto durchs offene Fenster riechen. Aber was wirklich angsteinflößend war, war ihr Gesichtsausdruck. Ihre Augen waren angeschwollen und rot, von dem vielen trauern um ihrem Mann. Ihr Gesicht, blass und eingefallen. So abgemagert wie der Rest ihres Körper der nicht von Kleidung verdeckt war. Doch ihr Blick der mir eindeutig sagte, dass diese Frau, die ich als lebensfreudige, liebe Tante kannte, großen Schmerz empfunden hatte. Sie hatte eindeutig zu viel Getrunken und das bestimmt nicht nur an diesem Tag. Tante Maryanne erinnerte mich an eine Obdachlose, die ich sah, als Mum und ich einst durch die Straßen der nächst größten Stadt gingen. Sie saß vor einem Becher mit ein paar Münzen darin. Es war ein prägender Moment für mich damals als kleines Mädchen, denn ich hatte noch nie zuvor, in dem Kaff, wo wir wohnten, so etwas gesehen. Ich musste noch sehr lang an diese Frau denken ohne Dach über dem Kopf. Ich durchbohrte meine Mutter mit tausenden von Fragen. Wieso saß sie alleine am Boden? Wieso war sie so traurig? Genauso ungepflegt und traurig wie Tante Maryanne vor fünf Jahren. Doch dann begann meine Tante herumzubrüllen, zu weinen und zu kreischen. Es sah ein paar Mal so aus als wurde meine Tante Mum schlagen wollen. Die Furcht, die ein kleines sensibles Mädchen, wie mich damals, empfand war riesig. Ich musste mir die Ohren zu halten und presste die Augen ganz fest zusammen bis ich sicher war, dass es vorbei war. Schließlich kam Mum zurück zum Auto. Tränen standen ihr in den Augen. Von da an war ich mir sicher, dass ich sie nie wieder sehen würde oder besser gesagt: Sie nicht wieder sehen wollte!

Ich schrak hoch und wurde aus meinen Gedanken gerissen. Ein dumpfes Geräusch ertönte neben mir. Der Polizist klopfte an die Fensterscheibe und deutete mir, dass wir kommen könnten. Ein einziger Blick zu meinen Schwestern genügte, dass mir wieder die Tränen kamen. Was sollte bloß aus ihnen werden wenn Tante Maryanne immer noch aggressive Alkoholikerin war? Emilys Kopf lag auf Dianas Schulter. Unschuldig schliefen sie tief und fest. Ich wollte sie nicht aus ihren Träumen holen und in die harte Realität bringen, wo sie noch nichts ahnend von dem Tod ihrer Eltern leben mussten. Doch mir blieb nichts anderes übrig. Das Leben ist hart und kein Kinderspiel wie Mum oft gesagt hatte. Also weckte ich sie und informierte Emily und Diana über unsere Ankunft.

Sie blickte uns Mitleidig an als wir durch die Tür schritten. >Hallo, wie geht es euch? < sagte sie etwas traurig. Stumm schaute ich mich um. Gerne hätte ich ihr geantwortet: Na wie wird's mir wohl gehen wenn ich heute erfahren habe, dass meine Eltern gestorben sind. Aber ich ließ es dann doch bleiben. Mir war nicht wirklich danach eine solche Bemerkung abzugeben. Das kleine Haus war gar nicht so verwahrlost wie ich mir eigentlich gedacht hätte. Maryanne wandte sich zu dem Polizist, kurz darauf verschwandt der Beamte in seinem Auto und sie schloss die Tür. > Wollt ihr etwas zu trinken? Ich hab nicht viel zu Hause aber...< versuchte sie gastfreundlich zu wirken bis ich sie unterbrach. >Wasser reicht aus. <ich bemühte mich ein Lächeln über die Lippen zu bringen. Unsere Tante gab meinen Schwestern und mir ein Glas mit kaltem Wasser in die Hand und sagte zu Emily und Diana, die beide verschlafen aussahen. > Geht ihr schon mal ins Wohnzimmer ich muss mit eurer Schwester noch etwas besprechen. Fühlt euch wie zu Hause. < Das wird es ab jetzt auch sein, fügte ich in Gedanken hinzu. >Ich hab es ihnen noch nicht erzählt. < gab ich stumpf von mir. >Ich weiß es ist schwer aber wir müssen es ihnen sagen, so schnell wie möglich. Wenn du willst kann ich es natürlich sagen. < >Danke, ich glaub ich hätte es nicht geschafft ihnen über...< ich musste unterbrechen um die Tränen zu unterdrücken: > Danke. <sagte ich ehrlich erleichtert.

Maryanne setzte sich gegenüber von uns auf die Couch. >Emily, Diana wir müssen euch etwas mitteilen. Heute Nacht...< begann unsere Tante. >Eure Eltern hatten heute Nacht einen Autounfall, sie sind dabei gestorben. <


Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 02, 2016 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Mein Wissen ist dein TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt