4 ☾ Die Nacht in der ich mir zu viel zugetraut hatte

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"Bitte!"

Ich hielt das Handy möglichst weit von meinem Ohr weg. Diana bettelte viel zu laut.

"Bitte, bitte, bitte, bitteeeee!"

"Alles in Ordnung da oben?", rief meine Mutter von unten. Selbst sie hatte Diana gehört und ich hatte das Handy nicht einmal auf Lautsprecher. Mum machte sich in letzter Zeit ja auch wirklich wegen jeder Kleinigkeit die ich hier oben in meinem Zimmer veranstaltete Sorgen. Dabei war das hier der einzige Ort an dem ich mich mittlerweile noch sicher fühlte.

"JA, MUM!", rief ich laut in die Leere.

"Oh, sorry...", kam es kleinlaut aus dem Handy. Dann hatte sie wohl bemerkt, dass sie wohl ein ganz kleines bisschen zu laut war. "Aber bitte", fuhr Diana fort "komm doch bitte mit uns am Samstag mit! Wir haben dich schon echt lange nicht mehr außerhalb eines Hörsaales oder der Bibliothek gesehen. Es ist wirklich nur eine kleine Party bei Mikey...er will doch bloß in seinen Geburtstag rein feiern. Er hat es verdient, dass du mal wieder bei ihm vorbei kommst...er sieht dich am wenigsten von uns drei, er vermisst dich und hat auch immer noch ein schlechtes Gewissen!"

Ich schwieg. Womöglich hatte sie Recht. Auf jeden Fall hatte sie Recht. Ich hatte Michael genau zwei Mal seit dem Vorfall gesehen. Einmal, als sie alle drei bei mir im Krankenhaus vorbei gekommen waren und dann noch einmal zufällig im Flur in der Uni als ich eben auf dem Weg zur Therapie war. Und damals hatte ich nun wirklich gar keine Zeit für ihn gehabt.

"Und soll ich dann einfach so mit allen anderen besoffenen Typen einfach so heim fahren in diesem schrecklichen Nachtbus? Erst gestern hat einer behauptet meinen Rucksack toll zu finden und ich glaube der hat mich einfach nur in irgendeine Ecke zerren und mir das Gehirn aus dem Kopf ficken wollen. Und das war ein einfacher Mittwoch Abend, kein Samstag mit 100 besoffenen Kanacken im Bus!"

Ich hatte wirklich versucht hart und unnachgiebig zu bleiben. Aber die drei hatten es wirklich nicht verdient, dass ich sie mit Ignoranz und nicht-Anwesenheit bestrafte. Im Gegensatz dazu war es aber auch nicht gerade einfach aus mir heraus zu kommen und wieder alleine im Dunkeln nach hause zu gehen und in jedem Schatten jemanden zu sehen der mich vergewaltigen wollte.

Wieder ein viel zu lautes: "Bitte, bitte, bitte, bitteeeee!"

Meine Eltern würden es nicht unterstützen, dass ich dort hin gehen würde. Felicity würde mir nur sagen, dass es noch zu früh war. Aber meine Freunde, die wollten mich einfach unbedingt sehen und mal wieder etwas Spaß mit mir haben. Und wenn da nicht all diese Angst wäre, dann hätte ich das auch gewollt.

"Na gut."

Es folgte eine Ladung an glücklichen Schreien und Danksagungen. Ich legte wortlos auf, Uhrzeit und Ort hatte mir Diana schon durchgegeben. Ich würde mit ihr und Luke kochen und anschließend würden wir zu Mikey gehen und noch ein bisschen bei dem Aufbau helfen. Das hieß Diana und ich würden schön Girlanden und Schüsseln mit Chips verteilen, Mikey würde schon mit dem dritten Bier immer noch vor seiner neuesten Netflix Serie sitzen und Luke würde im Bad stehen wo sich Mikeys Mitbewohnerin fertig machen würde und sie unbeholfen anflirten. 

So war es schon immer gewesen wenn Mikeys WG eine Party geschmissen hatte, sie wurde quasi zu Dianas und meiner. Nur dieses Mal würde es anders sein. Ich würde mich an Diana klammern und mich mindestens einen Meter von jeder männlichen Person fern halten. Ich würde nur Cola trinken und Diana dazu drängen noch vor 12 zu gehen, bevor jede zweite Straßenlaterne ausgemacht wurde.

Aber damit musste sie leben, immerhin hatte sie mich dazu gezwungen. 

Doch ich musste auch damit leben, denn immerhin hatte ich mich weich kochen lassen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 28, 2019 ⏰

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Nachtbus ☾ c.h. [AU]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt