Kapitel 1

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"Emil", rief ihn seine genervte Lehrerin Frau Kruse auf. Sie war schon ca 55 Jahre alt, trug eine Brille, die mit einer Schnur vorm runterfallen gesichert war und  hatte einen grauen Kurzhaarschnitt. (So wie oben im Bild. Da sieht sie eigentlich ganz nett aus, ist sie aber nicht)
"Ähm... Wie war noch mal die Frage?", erkundigte sich Emil, der nicht aufgepasst hatte. Aufgebracht antwortete sie : "Ich habe gefragt, wie man den Flächeninhalt eines Dreiecks berechnet."
"Achso. Also man muss glaub ich 1/2 mal g mal h rechnen."
"Ganz genau! Warum denn nicht gleich so? Also ich rate euch allen gut aufzupassen, weil es durchaus möglich wäre, dass wir in naher Zukunft mal wieder eine Stehgreifaugabe zu Papier bringen!"
Emil schnappte ein paar Worte seiner Mitschüler auf : "Nur wegen Emil"; "Keine Ex" ; "Muss die immer so geschwollen reden?"
Es schien so als gäben ein paar Schüler ihm die Schuld, aber er war sich sicher, dass Frau Kruse das schon länger plante.
Emil (der Junge auf dem Cover) saß ganz alleine in einer vierer Reihe, weil anscheinend keiner Bock hatte sich neben ihn zu setzen. Ist ja nicht so, als hätte er die Pest oder so ähnlich. Er war doch einfach nur ein ganz normaler Junge, wie die anderen auch. Für seinen Geschmack sah er sogar gar nicht mal so schlecht aus. Vielleicht mag das für den ein oder anderen jetzt komisch klingen, aber wenn er es sich nicht selbst sagte, wer dann. Seine Klassenkameraden bestimmt nicht und auch kein anderer aus der Schule. Seine Eltern hatten besseres zu tun, seine 2 Jahre ältere Schwester sagte nur manchmal, dass er süß sei und seine kleine Schwester war erst 3 Jahre alt und verstand von daher auch wahrscheinlich noch nicht einmal was Aussehen bedeutet. Aber das könnte er ihr wirklich nicht übel nehmen.
Emil ertappte sich selbst, wie er schon wieder in seinen Gedanken versank und zwang sich dazu aufzupassen.

[Wer Mathe auch nicht mag, kann ja ein Vote dalassen ;)]

Endlich ertönte der Gong zum Schulschluss. Alle packten hektisch ihre Sachen ein und stürmten wie wilde aus dem Klassenzimmer der 7b. Nur Emil ließ sich Zeit, verabschiedete die Mathe Lehrerin (aber nur weil er ein Gentleman war) und schlenderte den Flur entlang. Warum sollte er sich auch beeilen? Zuhause erwartete ihn sowieso wieder nur das Gestreite seiner Eltern. Meistens ging es dabei um Geld. Emils Papa hatte seiner Mom vor kurzem eine sehr teure Kette geschenkt, aber sie hatte nur gesagt "Bist du verrückt geworden! Das ist doch viel zu teuer! Sowas können wir uns momentan nicht leisten. Du spinnst doch völlig!"  Emil könnte die Erwachsenen einfach nicht verstehen. Wenn er ein tolles Geschenk bekommen würde, würde er sich bedanken und überglücklich sein, aber die Erwachsenen suchten seines Erachtens immer nur Streit.
Komischerweise sah er keine Menschenseele, außer den Lehrern in ihrem Lehrerzimmer. Emil stemmte sich gegen die Tür, um sie zu öffnen, aber sie war verschlossen. Stirnrunzelnd versuchte er es auch bei den anderen Türen, aber vergebens. Ungläubig warf er einen Blick auf seine Garmin-Uhr. Es war erst viertel nach eins. Ein bisschen genervt ging er zurück zum Lehrerzimmer und klopfte an. Herr Friedrich öffnete und sah ihn erwartungsvoll an. "Ähm.. Ich komme nicht mehr aus der Schule raus, weil alle Türen verschlossen sind", erklärte Emil. Herr Friedrich legte den Kopf schief, kam dann aber mit und versuchte es auch noch mal, aber auch bei ihm gingen sie nicht auf. Emil ärgerte es, dass der Lehrer ihm nicht gleich geglaubt hatte und verdrehte unmerklich seine grünen Augen. Dann bückte sich der Mann und schaute durchs Schlüsselloch: "Zu! Sieht aus wie Zement. Da hat sich wohl jemand einen teuren Spaß erlaubt"  "Heißt das, wir sind hier eingesperrt?", stellte Emil entsetzt fest. "Ich werde jetzt erst mal zum Direktor gehen und ihm berichten was Sache ist", entschloss Herr Friedrich, "Ich würde vorschlagen, dass du ins Lehrerzimmer gehst. Dann kannst du dich erst mal auf die Couch setzen und deinem Erziehungsberechtigtem bescheid geben. Dazu darfst du außnamsweise dein Handy benutzen. Wenn die Türen offen sind dann komm ich dich holen." Ohne zu widersprechen machte sich Emil auf den Weg zum Lehrerzimmer, in die entgegengesetzte Richtung des Direktorats. Er hatte überhaupt keinen Bock mit den Lehrern abzuhängen, vor allem nicht am Freitagnachmittag. Wenn seine Mitschüler das wüssten, hätten sie ihn wahrscheinlich ausgelacht vor Schadenfreude.
Bei den Lehrern angekommen begrüßten sie ihn und er musste erklären was los war. Danach zückte er sein Handy und rief schnell seine Mom an. Die war geschockt und fragte auch ob sie ihn nachher abholen sollte. Da sagte Emil natürlich nicht nein. Dann kam seine Mathe Lehrerin mit einem Arbeitsblatt über Flächeninhalt und Umfänge verschiedener Figuren. Sie drückte Emil das Blatt und einen Kulli in die Hand und sagte dazu: "Dann kannst du sogar gleich für die Stehgreifaufgabe studieren. Das ist doch erstrangig!" Das sagte sie mit einer so großen Begeisterung, dass Emil fast schlecht wurde. Sie zeigte ihm auch wo er sich hinsetzen konnte und da er keine andere Wahl hatte machte er sich lustlos an die Aufgaben.
Nach einer gefühlten Ewigkeit kam Herr Friedrich zurück, um ihm mitzuteilen, dass die Feuerwehr die Türen jetzt aufgemacht hatte. Emil war wirklich erleichtert, denn er hätte es wirklich keine Minute länger mit diesen fragenstellenden Kreaturen (Lehrern) ausgehalten. *ENDLICH FREIHEIT!!!*, dachte er sich.
Seine Mom wartete bereits draußen in ihrem Golf+ und tippelte ungeduldig aufs Lenkrad: "Jetzt erzähl mal genau! Wie ist das denn passiert?"
"Irgendwelche dummen Kinder ham halt Zement in die Schlüssellöcher gefüllt. Und weil ich so getrödelt hab, ist der scheiß Zement halt schon getrocknet." Eigentlich redete er nie so unhöflich, aber er war wirklich sowas von genervt von dieser ganzen Situation. Als sie zu Hause ankamen warf er sich sofort ins Bett und hörte Musik durch seine neuen JBL-Kopfhörer. Er liebte es einfach nur die Augen zu schließen und genau auf die Sounds zu hören. Immer wenn er sagte, dass das sein Hobby sei, wurde er nur komisch angesehen. Und sowieso hatte er einen ganz anderen Musikgeschmack. Die meisten Jungs aus seiner Klasse möchten Heavy Metal. Er dagegen hasste es. Er fand es klang einfach nur wie hirnloses Geschrei und nicht wie Gesang, aber das ist ja Geschmackssache. Ohne es wirklich zu merken begann er leise mit zu singen. Was er dabei nicht bemerkte war, dass seine 2 Jahre ältere Schwester Hannah lauschte und eine Audio aufnahm. Sie hielt sich vor erstaunen den Mund, weil sie einen Junge noch nie so schön hatte singen hören.

(Danke fürs Lesen 😊)

Fortsetzung folgt

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