Kapitel 5

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Nachdem Emil wieder mit Rotauge und Kyra zu Mittag gegessen hatte wurde er von einem großen Muskelprotz in ein Zimmer gezerrt. Darin befand sich nur ein einziger Stuhl. Rotauge nahm platz und musterte Emil, der vor ihm stand, von oben bis unten. Außer ihnen war niemand im Raum. "Du wirst jetzt ein Lied für mich singen!", befahl der Mann. Emil antwortete etwas voreilig, ohne darüber nachzudenken: "Nein! Die einzige Person der ich vorsinge, halten sie hier irgendwo gefangen!" Verwundert zog Rotauge eine Augenbraue hoch. "Sing! Ich sag es dir zum letzten Mal!", flüsterte er in gefährlichem Tonfall. "Niemals sie Schwein!", fauchte Emil zurück. Dann sprang Rotauge vom Stuhl, sodass dieser nach hinten umkippte und verpasste dem Jungen eine schallende Ohrfeige. "Na was sagst du jetzt? Soll ich weitermachen oder singst du endlich?", brüllte der Peiniger wutentbrannt. Emil wurde schlecht, wenn er daran dachte, wie verunstaltet Kyras Körper ausgesehen hatte. Würde er nachher auch so aussehen, wenn er jetzt nicht sang? Er wollte es lieber nicht drauf anlegen, also begann er 'amazing grace' zu singen. Aber Rotauge war noch nicht zufrieden, schubste ihn und trat ihm einmal kräftig in die Rippen. Dann brüllte er: "Steh gefälligst auf und sing! Aber bitte nicht wie ein schüchternes Kindergartenkind! Lauter!" Emil tat es ohne zu widersprechen, aber er konnte nicht verhindern, dass seine Stimme vor Angst und vor Schmerzen zitterte. Natürlich entging dem Mann auch das nicht und Emil wurde erneut geschubst. Dann schmiss sich Rotauge auf ihn und schlug so lange auf ihn ein, bis er nicht mehr wusste wo oben und unten war. "Ok, genug für heute. Geh auf dein Zimmer und lass dich bis zum Abendbrot nicht mehr blicken! Roderick wird dich begleiten.", beendete Rotauge das 'Training', wie er es nannte. Sofort war Roderick zur Stelle. Es war der gleiche Mann der ihn her geschleppt hatte. Emil schätzte ihn auf Mitte zwanzig. Er hatte schwarze Haare die er hinten zu einem Dutt zusammen gebunden hatte. Seine Seiten waren kurz rasiert. Seine stählernen, blauen Augen waren auf Emil gerichtet, der noch immer wie ein Häufchen Elend auf dem Boden kauerte. Rotauge nickte Roderick zu, woraufhin dieser Emil mit Leichtigkeit hoch hob und ihn sich wie einen Sack Mehl über die Schulter warf. Der Junge wehrte sich nicht. Er hatte keine Kraft mehr. Als sie ankamen, öffnete der Muskelprotz die Tür und warf Emil achtlos auf den Boden. Dann wurde ein Schlüssel im Schloss umgedreht. Emil war eingesperrt. Mit blutender Nase versuchte er sich aufzurappeln. Aber er schaffte es nicht und stürzte erneut zu Boden. Alles tat ihm weh. Plötzlich klopfte es an der Tür. Schnell krabbelte Emil auf allen vieren unter das Bett und hielt den Atem an. Dann wurde die Tür aufgesperrt und jemand trat ein. "Emil? Wo bist du?", wunderte sich eine Stimme. Es war Kyra. Emil brachte kein Wort über seine blutigen Lippen, also klopfte er auf den Linoleum-Boden. Sofort tauchte ein Kopf direkt vor Emils Gesicht auf. "Oh Gott! Er hat dich auch geschlagen!", wisperte sie erschrocken.
Nachdem Kyra den Jungen auf das Bett gelegt und ihm mit einem feuchtem Tuch das Blut aus dem Gesicht gewischt hatte, verabschiedete sie sich von ihm und sperrte das Zimmer zur Sicherheit wieder zu. Emil schleppte sich ins Badezimmer und warf einen Blick in den Spiegel. Entsetzt starrte er den Junge vor ihm an. Er war sehr blass und sein linkes Auge war geschwollen. Er konnte seinen Blick nicht abwenden. "Kein Wunder, dass keiner dich mag! Du bist total hässlich!", sagte er seinem Spiegelbild, "Dich wird nie ein Mädchen lieben!" Dann wandte er sich ab und stolperte zurück zum Bett und legte sich mit Schuhen darauf. Langsam fielen ihm die müden Augen zu und er döste ein.

Plötzlich riss ihn eine Gestalt aus dem Bett und fesselte ihn an einen Stuhl. Wütend starrte Rotauge auf Emil herab und brüllte: "Sing! Lauter! Oder es wird Blut fließen! Lauter!" Emil wollte singen, aber er brachte kein einziges Wort über die Lippen. Er sang so laut er konnte, aber heraus kam kein einziger Ton. Dann sah er aus dem Augenwinkel, wie jemand langsam die Türklinke runter drückte. Ein kleines, fröhliches Mädchen kam herein. "Emil! Da bist du ja endlich! Ich hab dich soooo vermisst!", freute sich Lia. Dann lief sie auf Emil zu und und er schloss sie in seine Arme. Aber auf einmal würde der kleine Körper schlaff und lag leblos in den Armen ihres Bruders. Freudentränen wichen Tränen der Trauer. Er schluchzte laut auf, als er sah, dass in Lias zierlichem Rücken ein Messer steckte. Blut strömte aus der Wunde. "Nein! Lia! Liaa!", weinte Emil. Rotauge lachte schadenfroh. Entsetzt starrte Emil den Mörder an und schrie: "Sie verdammtes Monster! Sie haben meine Schwester umgebracht!" Wütend sprang er auf und schlug auf ihn ein. Dann wurde Emil an den Schultern gegen die Wand gepresst. "Was ist nur in dich gefahren Junge?", fragte Rotauge völlig verwirrt. Das brachte Emil total aus der Fassung. Hektisch sah er sich um, aber er konnte Lias Körper nirgends sehen. Noch nicht einmal Blut. Er drehte sich wieder zu Rotauge, aber dann fiel ihm mit Schrecken auf, dass er es gar nicht war, der ihn festhielt. Es war ein dunkelhäutiger Mann. Er hatte freundliche, braune Augen und weiche Gesichtszüge. Er war Mitte fünfzig und trug einen blauen Overall. "Wer sind Sie denn?", wunderte sich Emil. Der Mann ließ ihn los und fragte: "Hast du dich wieder beruhigt? Ich bin Jakob, aber du kannst mich ruhig Jim nennen. Ich bin hier eine Reinigungskraft."      Emil war verwirrt. Hatte er sich das alles nur eingebildet, oder geträumt? "Wo ist Lia?", fragte er den Mann. Er antwortete: "Ich kenne keine Lia." Enttäuscht senkte Emil den Blick. "Aber ich soll dir ausrichten, dass du das Abendessen leider verpasst hast", teilte der Alte mit.
Als der Fremde wieder weg war, beschloss Emil Lia zu suchen. Er konnte nicht zulassen, dass ihr etwas zu stieß. Er hatte sogar schon einen Flucht Plan entwickelt. Zuerst würde er Kyra nach einem Gebäudeplan fragen. Dann würde er Lia suchen. Sobald er sie gefunden hatte, würde er sich mit ihr in seinem Zimmer irgendwie einsperren. Das Bett davor schieben oder sowas. Dann würde er mit Hilfe seines Handys die Polizei verständigen und sagen in welchem Zimmer sie sich befanden und Lia, Kyra und er, könnten aus den Fängen des Monster-Adlers befreit werden. 
Er nahm sich vor, bis Mitternacht zu warten, bevor er den Plan in die Tat umsetzte, weil da nicht mehr so viel Personal unterwegs war und man denken würde er würde schlafen. Sein Plan war perfekt. Jetzt musste er nur noch die letzten vier Stunden bis dahin durchhalten.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 17, 2019 ⏰

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