Ich seufze und sauge an meinem Strohhalm. Mein Blick gleitet über das Wasser, während der eisige Wind über mein blasses Gesicht fegt. "Oh wow, schönes Oberteil, wo hast du das her?" Ein Mädchen stellt sich vor mich und nimmt ihre Sonnenbrille ab, mustert mich. "Aus so 'nem Underground-Store in Japan." Sage ich. Ihre Haar-und Augenfarbe muss dunkel sein. "Das rot sticht sofort ins Auge." Sagt sie verzaubert. Ich blicke auf mich herab. Mein Oberteil ist also rot. "Ja, finde ich auch. Als ich es gesehen habe, musste ich es einfach haben. Knallige Farben mag ich sehr gerne." Lüge ich sie an und sauge erneut an meinem Strohhalm. "Tatsächlich." lächelt sie. "Wie lange schon?" fragt sie. Diese Frage musste kommen. "Seit der dritten Klasse." antworte ich.
"Erstaunlich, wie gut du lügen kannst." Ein Junge setzt sich neben mich und starrt das Mädchen vor mir an. Augenblicklich verändert sich ihre Miene und schnellen Schrittes verschwindet sie in der Menschenmasse. "Von dir will ich gar nicht erst anfangen." lacht der Typ und unbehaglich rücke ich ein Stück von ihm weg. "Dein Shirt ist übrigens grün." Informiert er mich. Erneut nehme ich einen Schluck von meinem Latte und ignoriere ihn. Es ist schon peinlich, wenn man erwischt wird. "Keine Panik, ich weiß das auch nur durch meinen Kumpel." Er deutet mit dem Daumen hinter sich, ich lehne mich vor und ein junger Mann grinst mich breit an. "Du bist also auch noch nicht fündig geworden." sage ich und fühle mich augenblicklich ein wenig wohler. "Nein. Schwer, hm?" Er sieht mich an, ich schenke ihm ein zaghaftes nicken. "Nicht aufgeben, kleine. Bald kommt unsere Zeit" Grinst er und Grübchen kommen zum Vorschein. "Man sieht sich." sagt er, als ich nicht antworte. Langsam erhebt er sich, sein Kumpel ebenfalls. Ihre Silhouetten schützen mich für kurze Zeit vor dem Sonnenlicht. Dieses Wetter habe ich am liebsten. Kalt und dennoch strahlt die Sonne auf uns herab.
"Was macht dich da so sicher?" rufe ich ihm nach. Er dreht sich um, bleibt jedoch nicht stehen. "Das nennt man Schicksal." ruft er zurück und deutet mit dem Finger zuerst auf sich selber und dann auf mich. Ich kann nichts anderes machen, als zu lächeln und meinen Kopf zu schütteln.
Menschen wie er sind selten. Wie schafft er es so fröhlich zu sein, obwohl seine Welt so trostlos ist? Sollten wir uns tatsächlich wiedersehen, muss er mir sein Geheimnis verraten. Und doch, für einen kurzen Moment fühle ich eine wärme in meinem Inneren. Muss der Latte sein, denke ich mir und erhebe mich ebenfalls. Ziellos laufe ich durch die Innenstadt und sehe mir die Klamotten in den Schaufenstern der Boutiquen an. Ich muss an den Jungen denken. Wie ist sein Name? Ob ich ihn tatsächlich bald wiedersehen werde? Ich muss lächeln. Das ist Schicksal.
Augenblicklich höre ich auf, wie ein Trottel vor mich hin zu grinsen. Nein. Wäre das Schicksal würde meine Welt nicht immer noch so trostlos sein.Ich betrachte die Menschen um mich herum. Man kann sofort erkennen, wer seinen Seelenverwandten schon gefunden hat. Sie strahlen Glückseligkeit aus und jemand, dessen Welt noch grau in grau ist, fühlt sich alles andere, als Glücklich. Sie sind verbittert und wütend. Sie sind ungeduldig und wollen endlich Leben. Wie ich. Doch der Junge vorhin, er ist irgendwie anders. Er hat soviel Energie und Freude ausgestrahlt, es war schon ansteckend.
Vielleicht werde ich ihn ja tatsächlich wieder begegnen.
Und dann werde ich ihn nach seinem Namen fragen.
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let me know || h.s
Fanfiction•Doch warst Du es, der meine Welt zum strahlen brachte. Ich habe Angst. Wenn du mich verlässt, wirst Du alle Farben mitnehmen. Bitte, verlass' mich nicht.•