Das unsichtbare Mädchen (1)

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 Das erste Mal sah ich sie in der Schule. Wobei... 'sah' sollte man es nicht sagen. Das war es ja. Ich konnte sie eben nicht sehen. Ich schrieb grad eine wichtige Prüfung in Französisch. Ich bin mega schlecht in Französisch und auf die Prüfung hatte ich mich mehr als genug vorbereitet, denn sie macht fünfzig Prozent der Endnote aus. Ich habe also, wenn ich mich in den Klassenarbeiten auch anstrenge, eine gute Chance eine zwei auf dem Zeugnis zu bekommen und dann dürfte ich nächstes Jahr mit nach Frankreich. Ansonsten wäre mir diese Note ziemlich egal aber ich liebe Frankreich und deshalb war diese Prüfung doppelt so wichtig für mich.

Bei wichtigen Prüfungen, wie eben diese, wird jeder Schüler in einen separaten, Schalldichten Raum gesetzt der eine Glastür hat. Dort ist nur ein Tisch, ein Stuhl, Papier, ein paar Stifte und ein Wasserspender. Wir dürfen nichts Eigenes mitnehmen. Vor der Tür sitzt ein Lehrer, der darauf aufpasst, dass wir nicht doch irgendwo einen Spicker geschrieben haben. Doch mein Lehrer ging nach eineinhalb Stunden auf Toilette. Das wars dann mit Frankreich.

Denn als er aufstand nahm ich die Bewegung aus dem Augenwinkel war und blickte zur Tür. Etwa eine Minute später ging das Licht auf dem Flur wieder an und ich sah wieder dort hin. Das Licht hat einen Bewegungsmelder also dachte ich natürlich, dass mein Lehrer wieder kommt. Ich ging zur Tür weil ich ihn fragen wollte, ob ich etwas zu Essen haben darf.

Doch da kam niemand.

Auch nachdem ich schon zweimal mein Standbein gewechselt hatte, war auf dem Flur noch niemand zu sehen. Ich überlegte, ob mein Lehrer sich vielleicht um die Ecke verquatscht hatte und wollte grade gucken gehen, als mir etwas auffiel. Der Teppich vor meiner Tür war eingedrückt. So, als stünde dort jemand. Ich war verwundert, blinzelte und sah etwas genauer hin. Und dann begann der Alptraum so richtig.

Ich sah wie sich ein Fingerabdruck bildete. Und daneben noch einer. Und noch einer. Bis ich deutlich die Abdrücke von zwei Händen auf der Tür sah. Dann kamen etwa zehn Zentimeter weiter oben noch zwei Flecken dazu. So, als würde jemand sein Gesicht gegen die Tür drücken. Doch da war niemand. Der Handabdruck wurde weniger sichtbar, dann kam über dem ,Kopf' kurz ein Fleck von einer Faust. Dazu erklang das Geräusch wenn jemand gegen Glas schlägt.

Doch da war niemand.

Die Abdrücke verschwanden. Ich sah, wie sich der Abdruck auf dem Teppich bewegte.

Langsam wurde ich echt verrückt.

Da war doch niemand!

DA! WAR! NIEMAND!

Ich bekam Gänsehaut und schwitzte. Ich hatte echt Angst. Eigentlich glaube ich ja nicht an Geister aber das war SO real, dass ich sofort alle Zweifel aufgab. Scheiße, was sollte ich jetzt machen? Ich wollte irgendwas tun, damit ES weggeht, irgendwas, damit... ich nicht mehr daran denken musste. Kurzerhand setzte ich mich zurück zu meinen Aufgaben und fing an, einen langen Text zu entziffern. Doch dann schaltete sich alles in meinem Hirn um. Der einzige Schalter stand auf. Panik! Flucht! Waffen!

Denn die Tür öffnete sich.

Und da war niemand!

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