The Truth Untold | YOONMIN (pausiert)

*9*

Schnell kippt er sich das Wasser hinter, in der Hoffnung, dass es die Röte, die sich in seinem Gesicht ausgebreitet hat, etwas zurück gehen lässt.
Langsam dreht er sich um und schaut Jimin direkt in die Augen. Er sieht wirklich putzig aus, mit seinen verwuschelten Haaren. Wahrscheinlich hat er probiert zu schlafen.
Der Junge ist ihm in der kurzen Zeit sehr ans Herz gewachsen. Nicht nur das. Anscheinend hat er sich sogar in ihn verknallt. So wie für ihn, hat er bis jetzt in seinem Leben nur einmal gefühlt, doch genau diese Gefühle haben ihm auch das Herz gebrochen und soweit darf er es nicht nochmal kommen lassen.

"Hey Yoongi, ist alles okay?", fragt er und kratzt sich dabei etwas verlegen am Hinterkopf.
Schnell wendet Yoongi den Blick von ihm ab. Er hat wohl etwas lang Jimin angestarrt. Auch seine Gedanken sind etwas in die Vergangenheit abgedriftet. Rasch bemerkt er, dass seine Augen mit Tränen gefüllt sind. Wie unangenehm, dass ihm das genau vor Jimin passiert. Sowieso hasst er es, wenn andere ihn schwach oder sogar weinen sehen.

Aus dem Augenwinkel kann er sehen wie Jimin seinen Mund kurz öffnet, aber genauso schnell wieder schließt. Sicherlich wollte er nur sowas sagen wie 'du kannst immer mit mir reden' oder so.  Zum Glück hat er sich das gespart, denn so eine Art von Mitgefühl ist das Letzte, was er jetzt will.
Um nicht tiefer in das Thema einzutauchen entgegnet er nur ein ausdrucksstarkes 'passt schon'.

Jimin räuspert kurz bevor er weitererzählt. "Naja, ich habe gerade schon versucht zu schlafen, aber ich bekomm es einfach nicht hin. Und als ich dich dann hier her laufen gehört hab, dachte ich, dass es dir ja anscheinend ähnlich geht und wollte fragen, ob wir noch was zusammen machen wollen oder ich heute wieder bei dir schla-" Bevor er seinen Satz überhaupt beenden kann, wird er von Yoongi unterbrochen. "Ach Jimin, lass mich doch einfach in Ruhe.", erwidert er und geht, ohne sich umzudrehen, aus der Küche in sein Zimmer.

Auch wenn er ihn nicht sehen kann, spürt er Jimins fassungslosen Blick auf sich. Natürlich ist es ungerecht ihn jetzt einfach abzuweisen, aber es ist das Beste, was er jetzt tun kann. Er kann nicht immer nur an die anderen denken, sondern muss dieses Mal auf sich Acht geben.
Es schmerzt auch jetzt, ihn abzuweisen, aber umso mehr Zeit er mit ihm verbringen würde, umso schwerer würde sein Verlust werden.

Man könnte zwar sagen, dass es einen Versuch wert ist, doch er würde es wohl oder übel diesmal nicht überstehen, so eine wichtige Person zu verlieren. Mit Sicherheit würde er wie letztes Mal den Drogen verfallen, aber nicht mehr aus der Sucht fliehen können, denn sein Bruder ist ja nun nicht mehr da, um ihm zu helfen.
Mittlerweile laufen seine Tränen über sein ganzes Gesicht. Um die anderen nicht zu wecken, versucht er leise in sein Kissen zu weinen.

Sein Bruder Min Jun Ki hat ihm aus seiner Drogensucht geholfen, bevor er drei Monate später, für Yoongi urplötzlich, an einem Gehirntumor starb. Er hatte Yoongi nichts erzählt gehabt, um ihm nicht zusätzlich zu Last zu fallen, denn als er selbst davon erfahren hat, sagten ihm die Ärzte, dass er keine Chance mehr hat, da der Tumor schon gestreut hat.

Das Jahr nach seinem Tod, war das schwerste in Yoongis Leben. Er machte sich selbst so viele Vorwürfe. Wäre er nicht so viel mit sich beschäftigt gewesen, hätte er seinem Bruder die schönsten letzten Monate bereiten können oder zumindest mitbekommen, dass mit ihm etwas nicht stimmt.
Doch nach dem leeren Jahr, wo er sich nur selbst verschanzt hat, hat er sich nun diesen Studienplatz geholt, um, wie sein Bruder sich es gewünscht hat, sein Leben ordentlich weiter zu führen.

Natürlich vermisst er ihn immer noch, aber er stellt sich vor, dass sein Bruder ihn weiterhin beobachtet und versucht ihn somit stolz zu machen. Eigentlich glaubt er nicht an so etwas wie den Himmel, aber die Hoffnung, dass sein Bruder ihn sehen kann, gibt ihm Kraft.
Auch deshalb ist er damals, als er mit seinen Depressionen und Selbstmordgedanken zu kämpfen hatte, in Therapie gegangen.

Mittlerweile weiß er sich selbst zu helfen. Wenn ihn wieder mal so viel plagt, schreibt er Songtexte. So auch diesmal. Leise holt er sein Notizbuch raus.
Viele von den Liedern könnte man sicherlich auch gut rausbringen. Besonders das Lied 'The Last' ist ihm gut gelungen, aber es scheint ihm doch etwas zu privat. Außerdem, wer würde sich schon ausgerechnet seine Musik anhören...
Obwohl, vielleicht wäre es ja doch einen Versuch wert, seine Musik aufzunehmen und einfach mal auf YouTube hochzuladen.

Er hat schon öfter darüber nach gedacht und sich sogar einen Namen überlegt, aber nie den Mumm gehabt, die Musik wirklich zu veröffentlichen. Doch vielleicht ist jetzt genau die Zeit dafür.