Chroniken der Wandler - Seelenbande

Die Jagd

Meine Lungen schmerzten und jeder weitere, noch so kleine Atemzug, brannte wie glühende Kohlen in meinem Innern. Der Schlag meines Herzens –rasend und holprig –, klang viel zu laut in meinen Ohren und ließ keinen Raum für andere Geräusche. Ich hustete, lehnte mich erschöpft an den dicken Stamm eines Baumes und schloss die Augen. Nur flüchtig einen Moment der Rast genießend und mich innerlich antreibend, warf ich schließlich einen Blick über meine Schulter und spähte an meiner Stütze vorbei. Die Nacht tauchte den Wald in eine gefährliche Dunkelheit und allein der Mond vermochte, einzelne Stellen zu erleuchten, wenn er durch das dichte Blätterdach drang. Ich verengte meine Augen, fuhr mit der Zungenspitze nervös über meine gesprungene Lippe und schluckte. Der Geschmack von Blut ließ mich zusammenzucken, konnte meine Aufmerksamkeit jedoch nicht  ablenken.

Sie waren dort.

Irgendwo hinter den Bäumen lauerten die dunklen Wesen und leckten sich die Lefzen nach meinem Fleisch. Ich wusste, dass sie sich einen Spaß aus all dem machten und obwohl es mich graute, obwohl ich unbändige Angst um mein Leben hatte, konnte ich mich für einen Augenblick nicht rühren. Ein dunkles, unheilvolles Heulen durchbrach die Stille der Nacht und ich riss mich aus meiner Starre. Ich war am Ende meiner Kräfte und es gab keinen Teil meines Leibes, der nicht schmerzte. Dennoch stieß ich mich mit einem Keuchen von dem Stamm ab und rannte weiter. Meine Füße schmerzten unerträglich. Steine und Geäst hatten sich in mein Fleisch gebohrt und den Saum meines Kleides zerrissen. Laub und kleinere Äste hingen in meinem roten Haar, welches zerzaust und wild in dem Wind meines Schrittes wehte. Halt suchend trieb ich mich voran.

„DerFluss ... ich muss nur zum Fluss", hallte es in meinen Gedanken und ich stöhnte, während der Schmerz des Atmens die Tränen in meine Augenwinkel trieb. Es war ein weiteres Heulen – viel näher als zuvor, welches mich dazubrachte, dass ich meinen Kopf drehte. Ein Schatten huschte durch das Unterholz, doch noch ehe ich ihn genau erkennen konnte, verlor ich den Boden unter meinen Füßen. Ein Schrei ... ein Aufprall, und die Welt begann sich unter mir zu drehen. Ich wusste nicht, wo die Erde begann und der Himmel aufhörte,wusste nicht, was mit mir passierte und als endlich alles still wurde, stieß ich die restliche Luft aus meinen Lungen. Mein Körper schmerzte und in meinem Kopf pochte es wie verrückt, während ich zur Besinnung kam und in die Nacht blinzelte.

Ein Abhang ... ich war einen Abhang hinab gestürzt.

Das Rauschen meines Blutes schwoll an und ich gab einen klagenden Laut von mir. Eine warme Flüssigkeit rann kitzelnd meine Stirn hinab und meine Rippen drückten sich gegen meine Lunge, sodass ich mich nicht bewegen konnte, ohne gleißende Schmerzen zu erleiden. Zuerst versuchte ich noch, dagegen anzukämpfen und mich aufzurichten, doch allzu bald kam mir eine Erkenntnis, die mich schaudern ließ.

Ichhatte verloren.

Dieser eine Gedanke zuckte noch durch meinen Kopf, ehe mein Leib den Kampf aufgab und ich in eine bodenlose Schwärze fiel.

- Heißer Atem traf auf kalte Haut, erweckte die Stille zum Leben und brachte Regung in den leblosen Körper -

Ächzend blinzelte ich, als ich zu mir kam und brauchte einen Moment, um wirklich zu begreifen, was ich sah. Ich spürte die bedrohlich nahe Wärme an meinem Gesicht und roch den Odem des Todes. Angst ließ mich erstarren und das Rauschen in meinen Ohren schwoll an. Mein Herz pochte so heftig und verzweifelt gegen meinen Brustkorb, dass es schmerzte. All das rückte jedoch in weite Ferne, als ich meinen Kopf leicht drehte und in golden leuchtende Augen blickte. Lefzen entblößten lange, sichelförmige Zähne und Geifer lief an derZunge hinab, während ein dunkles Grollen durch das Rauschen zu mir durchdrang und mich erzittern ließ. Vollkommen gelähmt sah ich in die Augen meines Todes und der einzige Gedanke, den ich hegte, war, dass es schnell gehen möge.