Mein Interesse gilt deinem großen Herzen.

18 1 0
                                    

Wenn ich auf die Gesamte Zeit zurückblicke, muss ich lächeln. Wir haben es nämlich weit geschafft. Weiter, als ich selbst je gedacht hätte.

In der Nacht, in der ich dich kennenlernte, plagte mich elende Langeweile. Ich war im Internet unterwegs und war grade dabei durch eine Social Media Plattform zu scrollen und stoppte. Mein Blick blieb an einem Post mit der Bildunterschrift: „Heyy, noch wach? Lasst uns einen Chat in den Kommentaren starten.", hängen. Ich sah mir die Kommentare an. Aus einem mir unerfindlichen Grund, stach mir dein Kommentar sonderlich ins Auge. Du hattest deinen Kommentar der Administratorin der Seite gewidmet und schriebst, du hättest Hunger. Du hattest rum gescherzt, dass sie dir was zu Essen bringen solle. Ich hatte beschlossen dir auf deinen Kommentar zu antworten und spaßeshalber angeboten, was zu Essen vorbeizubringen. Also spieltest du mit und nanntest mir einen Standort, zu welchem ich das Essen möglicherweise bringen könnte. Du wolltest mir deine Adresse nicht so öffentlich und erst recht nicht im Internet präsentieren, was für mich verständlich war. Ich bot dir an, es liefern zu lassen, und erwähnte, dass es etwas schwierig wäre mit einer Gehbehinderung zu deinem besagten Standort zu kommen. Zumal wir ziemlich weit voneinander wohnten. Du schienst überrascht. Ich meine, klar. Keiner würde vermuten, dass jemand körperlich verhindert ist, und dann davon spricht, jemand fremdem was zu Essen zu besorgen. Du hast mich gefragt, was die Ursache meiner Behinderung wäre und ich hatte dir erklärt, dass diese durch eine Frühgeburt zustande kam. Das war der Punkt, an dem wir richtig ins Gespräch kamen und du mir privat schriebst. So ging ich tiefer in die Materie ein und erzählte dir die Dinge, nach denen du fragtest. Und wenn ich jetzt daran zurück denke, glaube ich, mich noch nie besser gefühlt zu haben überhaupt davon erzählt zu haben. Ich wusste erst nicht, dass du ein Junger Mann bist. Als ich es jedoch rausfand, war ich am überlegen, gar nicht erst weiter den Kontakt zu aufzubauen. Doch letzten Endes, bin ich froh, dass ich mich dagegen entschieden habe. Ich bin mir nicht mehr sicher, doch glaube, dass wir in die Nacht hinein schrieben. Ich erfuhr in dieser Nacht, dass du halb Engländer, halb Russe bist, und war einwenig skeptisch und fasziniert zugleich. Allerdings mehr fasziniert, als skeptisch. Nur um das mal erwähnt zu haben. Meine Faszination galt der Mischung deiner zwei Nationalitäten. Ich hatte vorher noch nie von so einer Mischung gehört. Meine Skepsis galt - und das mag jetzt wohl möglich seltsam klingen - der einfachen Tatsache, dass ich mich vorher noch nie mit einer männlichen Person unterhalten habe, der kein Südländer war.
Du erzähltest mir von deinen Hobbys, was mich entscheidend dazu brachte, meine Skepsis endgültig beiseite zuschieben. Zu deinen Hobbys zählten also nicht nur zu skaten und BMX zu fahren. Genauso zählte es zu deinen Hobbys, Musik zu hören, Gitarre zu spielen und mit deinen Freunden rumzuhängen. Und ich erinnere mich genau daran, wie ich dich fragte, was für Musik du eigentlich hörst. Aus irgendeinem Grund erahnte ich deine Antwort schon. Und da schriebst du es: „Metal, Hardrock und ein bisschen Punk". Ja, ich glaube, so hattest du es ungefähr geschrieben. Nicht, dass ich etwas gegen jegliche Musikrichtung hätte, nein. Aber das war zu dem Zeitpunkt überhaupt nicht meine Richtung. Musik spielte in meinem Leben allerdings schon immer eine große Rolle.
Du hast mich gefragt, wie ich sowas erahnen konnte. "Ich hatte es einfach im Gefühl.", schrieb ich. Viele Dinge, die du mir erzähltest (oder auch nicht erzähltest), erahnte ich oft schon im Voraus. Jedesmal, wenn also etwas passierte, machte sich ein ungutes Gefühl in mir breit. Es fühlte sich immer ziemlich seltsam an. So als würde ich erdrückt werden und wissen, etwas stimmt nicht. Von innen heraus, oder nach oben aufsteigend, ohne jegliche Möglichkeit entweichen zu können. Du hattest mir auf meine Nachfrage hin, ein Bild von dir geschickt und schriebst dazu: „Okay, flieg nicht weg, wenn meine Hässlichkeit blendet." ich musste grinsen, denn ich war ganz offensichtlich anderer Meinung. „Der arme, er sagt hässlich" gab ich zurück. Auf dem Schwarz weißen Bild erkannte ich schon, dass du etwas größer bist. Deine Statur hat es mir verraten. Wie ich später einmal erfuhr, warst du zu dem Zeitpunkt als du das Bild aufnahmst, etwas jünger.

Er lag auf einem Bett. Vermutlich seinem. Unter ihm war ein Stück der gestreiften Bettwäsche zu sehen, auf der er lag. Er hatte seinen Arm hinter seinen Kopf gelegt, welchen er etwas schräg hielt. Er hatte ein markantes Gesicht, frei von Unreinheiten, mit einem runden, vielleicht etwas spitz zulaufendem Kinn. Seine Augen, welche eigentlich grün waren wie ich später erfahren sollte, wirkten dunkel. Das lag aber sicherlich an den Lichtverhältnissen und dem Filter, mit welchem er das Bild bearbeitet hatte. Sie waren leicht verengt und seine natürlichen hellen Augenbrauen, hatte er leicht zusammengezogen. Er hatte also einen ziemlich ernsten Blick drauf. Ich fand schon immer, dass er eine schön geformte Nase hatte, welche ich persönlich weder zu groß noch zu klein fand. Sein schmaler Nasenrücken formte sich zu einer, leicht, spitz zulaufenden Nase. Unter ihr befanden sich seine vollen Lippen, welche zu einer Linie geformt waren, was seinen ernsten Ausdruck nur noch verstärkte. Auf anderen Bildern seines Profils sah ich, dass er große Hände hatte . Ich hatte glaube ich schon immer einen fable für große Männer Hände.

Du fragtest mich also, woran ich meine Vermutung bezüglich deiner Größe festmachen würde. Ich schrieb dir, dass man es deinen langen Fingern sah. Und du fandest meine Vermutung gar nicht mal so schlecht.

Während die nächsten Wochen wie im Flug vergingen und wir uns immer besser kennenlernten, sprachen wir eines Abends über etwas tiefgründigere Themen. Du erzähltest mir, dass du mit 18 zu deiner Tante gezogen bist, weil du alles andere, als ein gutes Verhältnis zu deiner Mutter hast. Du hast mir von einigen der Streitigkeiten, die du mit deiner Mutter hattest erzählt. Aber auch, dass du mittlerweile bei deiner Tante ausgezogen und nun alleine in Köln lebst. Als du gemerkt hast, dass ich einen Drang zur Hilfsbereitschaft habe und stets versuche mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, wolltest du mich über einiges aufklären. Du wollte sicher sein, dass ich weiß worauf ich mich einlasse. Du hast mir erzählt, dass du viele Dinge tätest, die nicht in Ordnung wären. Ich hab dir daraufhin gesagt, dass es mir nichts ausmacht, denn jeder täte ab und zu Dinge, die er nicht tun soll. Du fügtest auf meine Antwort hinzu, dass du diese Dinge immer wieder tätest, auch wenn du weißt, dass diese falsch sind. Aber das machte mir nun mal nichts aus. Du hattest mir von deinem Drogenkonsum erzählt. Doch ich machte deutlich, dass ich dich nicht dafür verurteile. Und egal wie schlecht du dich selbst gemacht hast. Es zählte für mich lediglich, dass du von Grund auf ehrlich zu mir warst. Ich sagte dir also, dass deine schlechten Angewohnheiten rein gar nichts darüber sagen könnten, ob du im Herzen ein guter Mensch bist oder nicht. Ich muss schmunzeln, wenn ich daran  zurückdenke, wie du aus allen Wolken gefallen bist. Du hast die Welt nicht mehr verstanden, hast mich nicht verstanden. Und kurze Zeit später, sollten sich meine Äußerungen bezüglich deines großen Herzens bewahrheiten. Ich erinnere mich, dass ich am weinen war, spät Nachts. Obwohl du zu dem Zeitpunkt High warst und ganz offensichtlich nicht ernst bleiben konntest, hast du dich dafür entschuldigt und trotzdem versucht zu helfen, so gut du eben konntest. Du brachtest mich durch süße Worte noch mehr zum weinen. Doch gleichzeitig musste ich auch einwenig Lächeln. Ich war froh, dass du da warst. Somit war klar, dass mein Interesse nur deinem großen Herzen galt, welches quasi schon an Tag eins, einwenig zum Vorschein trat.

Gemeinsam kann man es nur besser machenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt