Chapter 2 ~ Age of Plastic

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Noch immer war es still. Einzig das leise Schnurren des Tieres war zu hören. Es wischte mit seinem Schweif hin und her und betrachtete die Umgebung. Seine Krallen hatte es fest verankert und es fühlte sich tatsächlich wohl, dort wo es saß. Es wusste selbst noch nichts über die neue Welt, doch fand es diesen Platz ganz angenehm.
Diese Welt sollte es zwar mit seiner Gruppe zusammen erkunden, doch war es schon immer neugieriger gewesen und hatte sich noch nie wirklich etwas vorschreiben lassen; zumindest nicht von einem seiner Artgenossen.

„Katie! Beweg dich nicht“, riet ihr Marco flüsternd. Er war sich nicht sicher, ob das Wesen, wenn es denn ein Drache war, auch Katie attackieren würde.
Das Mädchen hingegen bekam den Schmerz der Krallen zu spüren und wollte diese kleine Bestie deshalb von sich herunter haben: „Dir tut das Viech ja nich weh! Die Krallen sind verdammt scharf, Mann!“
Um es endlich von sich runter zu bekommen bewegte sich Katie schüttelnd hin und her. Selbst wenn sie am Ende bluten würde, hätte sie ihre Schulter wieder und das kleine Schwergewicht wäre verschwunden.
Nur anscheinend gefiel es der kleinen Echse dort, wo es war, denn als Reaktion bekam Katie nur seinen Schweif ins Gesicht geschlagen.
Entrüstet stoppte Katie ihr Handeln und zischte dem kleinen Wesen mies gelaunt etwas zu: „Entweder du lockerst deine verdammten Krallen oder du verschwindest komplett da runter!“
Das kleine Ding sah sie nur neugierig an und ließ eine lange Zunge aus dem Mund heraushängen. Diese klatschte es sich dann gurrend an die Augen.
Katie konnte nicht mehr. Sie verstand die Welt nicht mehr. Wieso musste sich ein solches Ungetüm ausgerechnet auf ihr festsetzen? Das war doch nicht gerecht!
„Locker deine Krallen verdammt!“ Jetzt fing Katie auch noch an zu gestikulieren. Sie krümmte ihre Hand, so als hätte sie Krallen und hielt sie dem Tier vor die Augen. Danach lockerte sie ihre Hand und hielt sie normal hin. Das musste doch funktionieren, oder?
Das grüne Tier verdrehte den Kopf und beobachtete sie genau. Es wusste anscheinend noch immer nicht ganz, was sie von ihm wollte.
Seufzend hob das Mädchen ihren ausgestreckten Zeigefinger an und kam damit auf das Reptil zu. Dieses begann darauf gefährlich zu knurren.
Erschrocken erstarrte Marco neben ihr: „Hey, hey, willst du nicht erstmal gucken, ob es nicht anders geht? Es mag sicher nicht so angefasst zu werden!“
Murrend sah Katie den Braunhaarigen an. War es jetzt sein Ernst? Das Vieh auf ihrer Schulter würde es früher oder später sowieso attackieren. Früher war besser, also war es für sie klar. „Willst du den jetzt füttern oder was? Denkst du, dann ist es netter zu mir?“
„Genau! Sicher hat es lange nichts mehr gegessen. Es hat Hunger und wenn du ihm etwas gibst, dann geht es bestimmt wieder weg.“ Oder es blieb für immer bei ihr, doch diese Möglichkeit fügte er mal nicht noch hinzu.
„Tch. Geh ihm halt was holen, aber mach schnell.“ An das Gewicht des Flugtieres hatte sie sich ja fast schon gewöhnt, aber die Krallen waren sowieso ein noch viel größeres Problem. Und wenn sie es angreifen würde, bräuchte man nicht einmal zu raten, wer am Ende gewinnen würde; es war vermutlich ja auch ein wirklicher Drache.
Sie sah, wie Marco davonlief und höchstwahrscheinlich in Richtung Mensa rannte. Dort gab es eigentlich jeden Tag Fleisch für die reichen Kinder. Hätte er etwas Verstand in der Birne, würde er auch das dann holen.

Neben ihr ertönte ein unruhiges Gurren.
„Was ist denn jetzt schon wieder?“ Augenrollend starrte Katie das Tier auf ihrer Schulter an. Das ignorierte sie jedoch und starrte mit wild zuckenden Ohren zum Eingang des Gebäudes. Danach verstärkte es den Druck mit seinen Krallen und ließ die Blondine keuchen.
„Sag mal spinnst du? Du dummes Reptil!“, fauchte sie ihm entgegen. Es jagte ihr jedoch nur den Schweif um die Ohren und gluckste zweimal in Richtung Schuleingang.
Nervös starrte Katie ebenfalls dorthin. Was war denn da, dass ein Drache Angst davor hatte?
Sicherheitshalber trat sie zwei Schritte nach hinten, drehte sich herum und sprintete auf die nächste Grünanlage hinter einen Baum.
Was wenn dort noch größere Drachen waren? Im Schulgebäude drin? Aber wie waren sie hinein gekommen?
Die Fragen wurden beantwortet, denn im nächsten Moment wurde die Tür aufgeschoben. Katie und die Echse auf ihrer Schulter lugten vorsichtig in die Richtung, aus der das Böse kommen sollte.
Statt jedoch, dass ein Drache oder ein Dämon oder sonstige böse Kreatur hinaustrat, stolperte ein ängstlicher Jack die Stufen hinunter. Katie musste sich das Lachen verkneifen, denn sein Gesicht sah mit den Pflastern alles andere als gut aus. Ihr Lachen wurde jedoch komplett ausgewischt, als hinter ihm noch zwei Lehrer hinaustraten.
Sie redeten auf den Reichen ein, doch er fuchtelte nur wild mit den Armen herum.
Ihr kleiner Haufen auf der Schulter, stupste sie auffordernd mit dem Kopf an. Katie nickte nur leicht abwesend in seine Richtung: „Du hast recht. Lass uns gehen.“
Vorsichtig lief sie durch die Grünanlage und folgte schließlich dem kleinen Kies Pfad, der zu ihrem Wohnblock in der internatseigenen mini-Siedlung führte. Ihr eigenes Zuhause war zu weit weg, also teilte sie sich eine der Wohnungen mit einer Zimmergenossin.

Als sie die Tür zu ihrer Wohnung erreicht hatte, bemerkte sie, wie der kleine Grüne auf ihrer Schulter langsam nervös wurde. Er war wohl noch nie in Gebäuden gewesen.
Plötzlich fing er laut an zu kreischen. Erschrocken riss Katie die Tür auf und warf sich, wie auch den Drachen, hinein. Mit einem lauten Knall trat sie die Tür am Ende wieder zu.
„Sei still, du kleiner Kreischer! Du bist ja ein richtiger Albtraum!“
Genervt tapste die Blauäugige den Flur entlang und schlich in die Küche. Wenn sie ihn nicht bald ruhig bekäme, dann wäre sie geliefert.
„Nixi? Bist du da?“ Unruhig ließ sie ihre Augen schweifen. Als keine Antwort kam, atmete sie erleichtert auf. Wenn ihre Zimmergenossin nicht da war, hatte sie ein Problem weniger zu bewältigen.
Zuversichtlicher trat sie einen Schritt auf den viel zu großen Kühlschrank zu und öffnete ihn.
Sobald sie ihn geöffnet hatte, drang der Geruch von Essen hinaus und sie sah gerade noch so, wie sich ein kleiner, grüner Ball auf das Fleischabteil stürzte.
„He! Warte! Alter, da ist noch Plastik drum!“ Grummelnd hatte sich das schuppige Tier in ein in Plastik eingeschweißtes Stück Fleisch verbissen.
Entnervt griff sie flink nach einem anderen Stück und ging zur Spüle. Dort schnitt sie es auf und lief mit dem rohen Stück Fleisch in ihren Händen zurück zu der kleinen Nervensäge, die bis eben auf ihrer Schulter gesessen hatte.

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