Drake kichert wie ein Kind und steht auf. Die Wirkung setzt wohl ein. Einerseits würde ich schon gerne auf diesen gottverdammten Zaun klettern. Es ist gefährlich, obwohl kaum Züge fahren. Und ich muss auf einmal auch Kichern. „Ich will auf den Zaun klettern!", meine ich und lache. Dann stelle ich mich auch auf die Mauer. „Halt, Rachel!", ruft Jace verärgert und will auch aufstehen, doch Drake schubst ihn von der Mauer. Er landet auf seinen Füßen und flucht.
Ich greife an den Zaun und spüre, wie der Draht in meine Hände sticht.
„Rachel, ich finde nicht, dass das eine gute Idee ist!", merkt Lucee besorgt an, doch Drake macht eine wegwerfende Handbewegung. Ich muss Kichern und die Höhe lässt mich mich high fühlen, obwohl ich definitiv nichts genommen habe. Drake rüttelt an dem Zaun und ich klammere mich fester, obwohl es meine Hände zersticht.
„Drake!", brüllt mein Bruder von unten und ich blicke über meine Schulter. Ich bin gut einen Meter mit den Füßen über der Mauer und sehe Jace, wie er wieder auf die Mauer klettern möchte, allerdings wankt er etwas. „Rachel!", brüllt er noch lauter und Drake kichert. „Lass sie!", nuschelt er und es sieht aus, als ob er gleich von der Mauer stürzt, auf der er steht.
„Mach nicht so ein Drama, das ist nicht mal hoch!", sage ich und ziehe mich noch etwas höher. Der Zaun ist eigentlich ziemlich hoch, vielleicht drei oder sogar vier Meter und nicht besonders kletterfreundlich, was an dem Maschendraht liegt. Doch das Adrenalin bringt mein Blut in Wallung und ich lache. Ich neige manchmal zu leichtsinnigen Aktionen.
Ich ziehe mich bis nach ganz oben und linse über den Zaun. Der Draht sticht unangenehm in meine Hände und ich quetsche meine Turnschuhe in die Löcher des Zaunes. Im schemenhaften Licht der Straßenlaternen erkenne ich kaum etwas und ich blicke in Richtung Himmel. Hier in der Stadt sind nie Sterne zu sehen und das Bild wird von den hässlichen Häusern verdeckt.
Trotzdem muss ich grinsen, das Adrenalin verschwindet langsam wieder und ich könnte einfach lachen. Ich blende die Rufe der anderen aus und lasse meinen Blick zum kleinen Schuppen auf der anderen Seite der Gleise schweifen. Ich lebe nun schon so lange hier, sitze so oft hier und ich weiß nicht mal, was in dem Schuppen ist.
Mit etwas Melancholie denke ich zurück an meine Kindheit. Mein Leben war nicht immer so am Arsch gewesen, bis ich sieben war, war es sogar ziemlich toll. Mein Dad hatte in einem Büro gearbeitet und Mom war zu Hause geblieben und hatte sich um uns gekümmert. Aber unsere Mom hatte sich schon immer sehr um sich selbst gesorgt, manchmal mehr als um ihre eigenen Kinder. Sie machte mich sauer und ekelte mich an.
Ich klammere mich noch ein bisschen fester an den Zaun und presse die Lippen zusammen. Dann schweift mein Blick zu den Gleisen. Im Licht der Straßenlaternen glänzen die Schienen etwas, doch dort unten ist es ziemlich dunkel. Stopp!
Ich reiße meine Augen auf, um mehr Licht herein zu lassen. Eine Stelle ist viel dunkler als das Drumherum. Meine Pupillen zucken hin und her, als ich zu erkennen versuche, was dort ist. Verdammte scheiße, oder wer!
Ich stoße einen markerschütternden Schrei aus und meine Freunde werden still. Meine Turnschuhe rutschen ab. Ich falle. Der Draht schneidet meine Handflächen auf, es brennt. Ich schreie und mein Herz läuft einen Marathon. Da unten liegt ein verdammter Mensch! Ich finde wieder Halt und klammere mich an dem Zaun fest. Mein ganzer Körper zittert und ich schnappe nach Luft. Als ich wieder Boden unter den Füßen habe, breche ich praktisch auf der Mauer zusammen und Tränen schleichen sich in meine immer noch aufgerissenen Augen.
Da liegt ein Mensch. Und seine Glieder stehen in so unmöglichen Winkeln ab und er wirkt so schrecklich bewegungslos. „Scheiße!", flüstere ich und spüre plötzlich Hände an meinen Schultern. Ich blicke auf und sehe Lucees besorgtes Gesicht. „Rachel, alles klar?", fragt sie und versucht die Panik in ihrer Stimme zu unterdrücken, aber ich bemerke sie trotzdem. „Ein Mensch!", stammele ich nur und atme tief Luft ein. Ich benehme mich lächerlich, ich muss endlich mein Hirn unter Kontrolle bekommen.
„Scheiße, da liegt ein verdammter Mensch auf den Gleisen!", fluche ich dann mit festerer Stimme. Dann füge ich hinzu: „Und ich fürchte, ihm geht's beschissen!"
Lucee starrt angestrengt durch den Zaun, aber der Winkel war zu stumpf. Heather tut es ihr gleich. Drake ruft: „Lol!" und Jace war etwas verwirrt, da er immer wieder einen Schritt zu mir und dann einen zu Drake machte. Er lacht kurz, schaut dann aber ernster. Lucee ist etwas erschüttert, doch Heather bewahrt wie immer einen kühlen Kopf.
„Bist du dir sicher?", fragt sei kritisch und blickt mich eindringlich an. „Natürlich!", meine ich barsch, „Ich bin weder blind, noch gestört noch zugedröhnt!" Natürlich nicht ohne einen Blick auf die Jungs zu werfen und den Kopf zu schütteln. Stellt euch dieses Facepalm-Video vor, was immer in YouTube-Videos reingeschnitten wird. So würde ich jetzt gerne reagieren, aber ich bin schließlich nicht ganz so geschmacklos wie Drake.
„Was machen wir denn jetzt?", fragte Lucee hilflos und Jace kam etwas auf uns zu. Drake lachte sich währenddessen einen ab und ich habe keine Ahnung. Was sollen wir denn machen? „Hallo?", brülle ich laut in die Nacht, doch eigentlich weiß ich, dass der Mensch vermutlich bewusstlos ist. Oder schlimmer...nein, wir müssen ihm helfen!
„Ich kann nochmal da hochklettern!", plappere ich verzweifelt drauf los, „Vielleicht...vielleicht...ich kann..." „Nein.", unterbricht mich Heather gefasst, „Wir müssen einen Krankenwagen rufen!" Das ist...ziemlich schlau.
Heather zieht ihr Handy aus der Tasche und wählt eine Nummer. „Hallo?", meldet sie sich. „Halt! Was ist, wenn dann die Polizei kommt, ich meine-", sage ich viel zu schnell und stolpere über meine eigenen Worte. Heather guckt mich etwas ungehalten an und hält sich den Zeigefinger vor die Lippen, dann dreht sie sich weg und redet weiter. Lucee scheint endlich ihre Stimme wiedergefunden zu haben: „Oh mein Gott." Sie fährt sich nervös durch die kastanienbraune Mähne. „Oh mein Gott!"
Da ich nicht an Gott glaube, würde ich diese Situation wohl etwas anders betiteln. „Ach du beschissene scheiß Scheiße!"
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TOP TEN TO DIE - ich wünschte, du wärst tot
Misterio / SuspensoDiese Geschichte wird gerade überarbeitet. Es kommen also erstmal keine Kapitel mehr. „Rachel Collins ist ne' verschissene Schlampe" So steht es geschrieben. Zwar nicht in der Bibel, sondern auf der Innenseite der Kabinentür in einem versifften Sch...