Mit ihrem Smartphone in der Hand kam meine Schwester völlig schockiert in mein Zimmer, entsetzt fragte sie mich: „Kennst du noch Mehmet? Mehmet aus dem Ort XY?“, mit ganz vielen Fragezeichen im Kopf antwortete ich: „Ja, aber was ist mit dem? Wie kommst du auf ihn?“. Ich kannte Mehmet vom hören und sehen, ein großer und gut gebauter Kerl, zu dem auch noch unter den jungen Mädchen sehr bekannt. Mehmet sah nämlich sehr gut aus, dazu war er sehr modebewusst, was natürlich die Herzen der Mädchen höher schlagen lies. Ich möchte nichts falsches erzählen, dass Mehmet ein moderner, westlich geprägter junger Deutschtürke war steht jedenfalls fest. Sie schaute mich mit ganz verwunderten Blicken an und konnte gerade einmal drei Worte von sich geben. „Er ist tot!“. Es gibt kaum einen Menschen, der sich vom Tod anderer nicht abschrecken lässt. Vor allem der Tod junger Menschen ist immer eine Tragödie. Man spürt sehr schnell eine tiefe Trauer im Herzen. ‚Er war jung, er hätte noch so viel erlebt in seinem Leben, er hätte studieren können und heiraten’, mir schossen plötzlich tausende Gedanken durch den Sinn, die er hätte machen können. Ich fiel in mich hinein und vergaß zu fragen, was denn der Todesgrund sei. Meine Schwester bemerkte es und fügte hinzu: „Er war in Syrien, er schloss sich der IS(-IS) (Islamsicher Staat(-im Irak und in Syrien)) an. Er sprang sich in die Luft, einen Selbstmordattentat hat er verrichtet und das sogar freiwillig!“. Ich konnte dem, was meine Schwester eben von sich gab nicht ganz folgen. „Wie? Syrien? Selbstmord? Ist jetzt nicht dein Ernst?“ erwiderte ich und befand mich schon auf seinem Facebook-Profil. Mehmet war nicht mehr der alte, er sah ganz anders aus. Einen langen Bart, einen weißen Umhang, kurze Haare. Es war nicht nur das Aussehen, was sich verändert hat. Seine Statusmeldungen machten deutlich, dass er von seinen Taten völlig überzeugt ist und dem „Khalifen“ Abu-bak-r Al Baghdadi hatte er seine Angehörigkeit und Unterwerfung zu geschworen.
Die ISIS und der islamische Terror waren uns noch nie so nah, sie sitzt uns im Nacken. Wir sollten nun akzeptieren, dass einige viele jugendliche deutsche Muslime mit oder ohne Migrationshintergrund diese Geschehnisse mit Sympathie betrachten und die Vorgehensweisen legitimieren. Selbstverständlich haben u.a. einige aus der Salafisten-Szene den Finger mit im Dreck stecken. Bekannte Prediger aus der Szene äußern sich nicht zu der IS und behaupten, es sei nicht richtig über Dinge zu reden, die man nicht mit eigenen Augen sieht etc. Fakt ist, sie können sich von Ihnen nicht distanzieren! Und das reicht dazu aus, dass sie dem, was die Terroristen dort verrichten neutral zustimmen. Ich muss gestehen auch ich als muslimisch geborener Deutschtürke war ein bewegender Zuhörer der bekannten Prediger. Ich war gerade einmal 11 Jahre und schaute mir auf YouTube faszinierend Vorträge an. Ich wurde sehr konservativ, streng kulturell erzogen. Ich war dem auch nicht abgeneigt, da meine Eltern mir alles mit Liebe entgegenbrachten. Ich muss meinen Eltern danken, da sie mir den Weg der Integration in die Gesellschaft gezeigt haben. Respekt und Vernunft anderen gegenüber war stets meine Richtung. Jedoch hatte ich als Kind Probleme mit der türkischen Sprache. Islam und Koranunterricht erhielte ich auf Türkisch und war daher den deutsch-islamischen Terminologien nicht mächtig, um mich auszudrücken. Daher griff ich immer wieder zu den deutschen Predigern und ihren Vorträgen. Ich lernte schnell viele wichtige Fakten des Islam, das Leben des Propheten sowie Gottesbeweise aus dem Koran. Jedoch gefielen mir mit der Zeit einige Aussagen und Auslegungen des Islams dieser Prediger nicht, sie widersprachen sich mit den, was ich in der türkischen Moschee, die der DITIB angehören, lernte. Somit distanzierte ich mich und begann auf eigene Faust mich mit dem Islam zu beschäftigen. Was aber geschah mit Mehmet? Mehmet hatte vielleicht kein fundiertes Grundwissen im Islam, Mehmet besuchte vielleicht nicht mal die Moschee und hatte bisher keinerlei Interesse mit der Religion und der Glaubensgemeinschaft? Mehmet hatte vielleicht grundlegende Prinzipien nicht verstanden? Einen Islam, der den Frieden mit auf den Weg gibt, der ausdrücklich sinngemäß vorschreibt, dass das Töten von einem unschuldigen dem Töten der ganzen Menschheit gleicht, solch einen Islam kannte er nicht. Er kannte den großen Djihad nicht, diesen der den Kampf mit sich selbst, dem Gewissen vorschreibt! Wenn ich gute Taten verrichte, und schlechte Taten vermeide habe ich den größten Djihad verrichtet, so wird es von dem Propheten überliefert. Er ist heiliger als der kleine Djihad, der Kampf für die Verteidigung, auf denen sich die IS-Milizen berufen um ihre Taten zu rechtfertigen. Was ich damit sagen möchte ist, dass auf den Hinterhofmoscheen selbstverständlich nicht nur Djihadisten ausgebildet werden, jedoch sind es die einzigen Orte an denen der Islam auf Deutsch gepredigt wird. Türkisch-Islamische Gemeinden sollten schnellstmöglich dafür sorgen, dass Sie die Jugendlichen vor falschen und gefährlichen Wissen schützen. Das Bildungsministerium sollte endlich agieren und den Islamunterricht als Teil der Schul- und Allgemeinbildung verstehen und einführen. In den Medien wird undifferenziert und subjektiv über den Islam, den Salafisten und der IS berichtet, so dass eine ganze friedliche Glaubensgemeinschaft traurigerweise darunter leidet. Ich fühle mich als Muslim bedroht, denn jegliche Maßnahmen und Vorkehrungen gegen die IS und ihrer Szene in Deutschland könnten mich treffen und mir mein Leben als praktizierender Muslim schwer machen. Die Rechte der Glaubensfreiheit möchte ich aber in vollen Zügen, friedlich genießen.
Das Problem ist die Unwissenheit und die mangelnde Bereitschaft der Institutionen und Verantwortlichen dagegen anzukämpfen. Vielleicht wäre Mehmet nie der IS beigetreten? Aber vielleicht werden der IS und anderen radikalen Gruppierungen noch tausende Mehmets aus dem Ruhrgebiet beitreten. Wie sehr muss Mehmet geblendet worden sein, sich freiwillig selbst das eigene Leben und das Leben unschuldiger zu nehmen?
Wenn das Islam-Bashing so weiter geht und Redakteure weiterhin undifferenzierte Berichte erstellen, dann befürchte ich werden wir als „Deutschland“ und ihre multikulturelle Gesellschaft vor großen Problemen stehen. Denn vergessen wir eins nicht, solange keine Akzeptanz und Einsicht erfolgt, kann man diese Jugendliche nicht für sich gewinnen und sie werden ihren Platz immer auf der Gegenüberstehenden Seite einnehmen. Angriffe und Überfälle sowie Brandstiftungen an deutsche Moscheen ist ein Produkt der von den Medien einhergeleiteten Islamophobie, die ebenfalls ihre Spuren in der Unwissenheit hat.
Wenn wir nicht wollen, dass die Straßen von Neuköln, Kreuzberg, Hamburg oder Frankfurt in Flammen aufgehen, müssen wir gemeinsam handeln. Reicht uns einfach die Hand!
- Wir brauchen keine Aufklärung im Islam, wir brauchen die Aufklärung der Menschen im Islam! -
Cihad Ebrar - Dortmund – 09.09.2014
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Die Gefahr der Unwissenheit - Der Islamische Staat im Nacken?
Historia CortaDies ist keine Geschichte, sondern beruht auf einer wahren Begebenheit!