"Dad du fährst zu schnell! Mach langsam wir sind doch total pünktlich!" Mit aller Kraft klammere ich mich am Armaturenbrett fest. Plötzlich werde ich nach vorn geschleudert. Zum Glück bin ich angegurtet. Dads Vollbremse hätte mich sonst beinahe an die Windschutzscheibe befördert. "Entschuldigung. Ich bin nur sehr nervös. Meine kleine Tochter zieht aus und fängt ihr eigenes Leben an." "So wie du gerade gefahren bist, könnte man meinen, bloss ausziehen genügt dir noch nicht. Ausserdem bin ich ja nicht aus der Welt. Bloss in Schottland." "Ja ja ich weiss. Aber trotzdem. "Meine Anspielung auf einen Mordversuch an mir, überhört er einfach.
Bis wir ins Parkhaus fahren, sagt keiner von uns mehr ein Wort. Aber wenigstens fährt er nicht mehr wie ein Verrückter. Gemeinsam steigen wir aus dem Auto aus und wuchten meine beiden Koffer und die grosse Sporttasche aus dem Kofferraum. Jeder von uns nimmt einen Koffer und Dad hängt sich noch die Sporttasche über die Schulter. "Dad, die kann ich doch nehmen." Will ich gerade protestieren. Doch der wirft mir seinen Ich-will-keine-Widerrede-hören-Blick zu und ich breche den Satz mittendrin ab. Stattdessen greife ich nach meiner Handtasche und folge ihm zum Fahrstuhl. "Hast du auch bestimmt alles eingepackt?" Ich glaube Dad ist noch aufgeregter als ich. "Ja, ich hab alles dabei. Sieh dir doch mal die beiden riesen Teiler an und dann hab ich ja auch noch die Sporttasche. Und falls ich doch etwas vergessen haben sollte, kannst du es mir ja per Post zuschicken." Im 4. Stock öffnen sich die Türen und geben den Blick frei auf den Empfangstresen. Hinter dem Tresen an der Wand steht in grossen Lettern "UADC" und etwas kleiner darunter "United Agency for Digital Crime". Clark ist schon da. Die Empfangsdame Mrs. White drückt ihr gerade zwei dicke Schlüsselbunde in die Hand. "Hey Jones, du kommst genau richtig!" ruft uns Clark entgegen. "Hier fang." Sie wirft einen Schlüsselbund im hohen Bogen auf mich zu. Geschickt packe ich ihn mit der rechten Hand und lasse ihn in meine Handtasche gleiten. Clark verstaut den Ihren ebenfalls und quetscht sich dann zu uns in den Aufzug. Mit drei Personen, einer Sporttasche und drei Koffer wird es ziemlich eng in der kleinen Kabine. So zusammen gepfercht fahren wir wieder zurück in die Tiefgarage.
"Soooo, wo stehen den jetzt unsere Autos?" Ahm keinen Schimmer. Suchend sehe ich mich um. "Ich würde es mal mit den Parkplätzen der Agents versuchen." Mischt sich mein Dad ein. "Grossartig! Und wo sind die?" Ohne ein Wort bewegt sich Dad zielstrebig in eine Richtung. Tatsächlich stehen wir schon bald vor einer langen Reihe identischer Autos. "Ich glaube es fährt hier einfach jeder entweder einen Jeep oder einen BMW kann das sein?" Stellt Clark fest. "Nö die neuen Agents." berichtigt Dad sie sofort. Clark verdreht die Augen. "Von mir aus. Aber welche beiden von denen sind jetzt unsere?" Mir kommt eine Idee. "Die Autos haben bestimmt fern Entriegelung. Wir schliessen sie einfach auf und sehen welche reagieren." Gesagt getan. Clark drückt auf den Knopf für den Jeep und ich für den BMW. Im hinteren Teil blicken zwei Rücklichtpaare auf.
Bei den Autos angelangt wird schnell klar, meine Gepäck bringe ich nie im Leben alles in dieses Auto. "Ich kann die Koffer nehmen wenn du willst. Bei mir ist genug Platz." Bietet Clark an. Dankend sehe ich sie an. Mein Vater hilf uns noch schnell alles zu verstauen. Dann setzt sich Clark in den Jeep und mich in den BMW. In jedem Auto ist ein GPS und ein Videotelefon integriert. Beides schalte ich ein. Auf dem oberen Bildschirm erscheint eine Karte und auf dem unteren Clarks Gesicht. "Bereit?" Ihre Stimme klingt durch den Apparat etwas verzerrt. Ich hoffe die kriegen da noch eine bessere Qualität hin. "Jap." Erwidere ich. Clark drückt irgendwas auf ihrem GPS rum. "Unsere Wohnung ist sogar schon als Heimatsort abgespeichert." Ich weiss nicht, wieso sie das erstaunt. Das war doch klar. Ich sage jedoch nichts. Stattdessen stelle ich das Fahrziel ein und lasse den Motor an. "Können wir?" Auch Clark startet den Motor. "Jup, kann losgehen."
Wir sind jetzt bestimmt schon vier Stunden unterwegs. Ich habe die Führung übernommen und Clark folgt mir. Wir haben das Telefon ausgeschaltet. Stattdessen ist das ganze Auto erfüllt von Liliana Stone und ihrer Band. So langsam bekomme ich Hunger. Kein Wunder es ist ja auch schon nach 13.00 Uhr. Ich schalte das Radio aus und rufe Clark an. "Hey, ich bin am Verhungern. Wie wär's mit ner Pause?" "Jop, bin dabei." "Da vorn ist ne Raststätte." Telefonat beendet. Als Clark und ich unsere Autos auf den Parkplatz stellen, werden wir von den Blicken einer Horde Jungs verfolgt. Acht Typen zwischen 16 und 18 Jahren stehen um zwei alte VWs und gaffen. Wir steigen beide aus und sofort sind Pfiffe zuhören, ob wegen uns oder wegen der Autos oder wegen beidem in Kombination kann man schwer sagen. Aber eins weiss ich, es ist echt nervend und echt typisch. Clark wirft mir einen vielsagenden Blick zu. Offensichtlich sieht sie das genauso. Sie wird mir ein Stück sympathischer. Mit erhobenem Haupt und Blick geradeaus stolzieren wir an den Trotteln vorbei. Doch als einer der Deppen anfängt mein Baby zu betatschen, greife ich nach seinem Arm, drehe ihn auf seinen Rücken und drücke ihn mit dem Gesicht nach vorne auf den Wagen. "Finger weg von meinem Baby du Penner.", sage ich mit ruhiger Stimme. Um meinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen ziehe ich ihn mit solcher Wucht zurück, dass er beinahe das Gleichgewicht verloren hätte. Der Typ starrt mich geschockt und wütend an. Clark hingegen muss sich ein Lachen verkneifen. Mir ist allerding alles andere als zum Lachen zu mute. Grimmig starre ich zurück. Irgendwann kann der Feigling meinem Blick nicht mehr standhalten und sieht zu Boden. Auch ich wende mich ab und folge Clark, die schon mal in Richtung des kleinen Imbiss verschwunden ist. "Das ist ja wohl eine Frechheit. Begrabscht der Typ doch einfach mein Auto." "Sei froh, hat er nicht dich begrabscht!" Ich kann mir nicht helfen aber irgendwie mag ich dieses Mädchen. Obwohl ich mir geschworen habe jeden Iren zu hassen. Immerhin sind sie Schuld am Tod meiner Mom! Aber diese Clark hat es mir angetan. Empört Boxe ich sie in die Schulter. "Wenn er es gewagt hätte, würde er jetzt nie wieder etwas anfassen! Das garantier ich dir." Clark wirft den Kopf zurück und lacht so sehr, dass man meinen könnte, sie erstickt gleich.
"Zweimal Schnitzel mit Pommes und zwei Cola bitte." Der Mann streckt mir eine Tischnummer entgegen. "Wir bringen es an Ihren Tisch.", knurrt er. Ich lasse mich zu Clark an einen der Tische fallen. "Ich bin mir sicher, irgendwo steht, dass man seine Kunden freundlich behandeln soll. Wo sind wir hier eigentlich?" "In der Nähe von Manchester.", antwortet Clark prompt. "Die Hälfe der Strecke haben wir geschaft." Eine junge Frau kommt mit unserer Bestellung. Sofort nehme ich einen grossen Schluck von meiner Cola. "Wir sollten schnell essen und dann sofort weiter fahren. Sonst kommen erst spät in Edinburgh an. Clark stimmt mir zu. Das Schnitzel ist besser als erwartet allerding sind die Pommes etwas zu weich. Naja was kann man von einer Imbissbude auf einer Autobahnraststätte auch anderes erwarten. Wir schlingen unser Essen in Rekordzeit runter. Während Clark zahlt, mache ich mich auf den Weg zu unseren Autos. Zehn Minuten später sitzen wir beide wieder hinterm Steuer. Ich höre wie Clark den Motor startet. "Also dann, auf in die zweite Runde.", murmle ich und drehe ebenfalls den Schlüssel um. Dann drück ich aufs Gas und rase Clark nach.
Um neun Uhr fahren wir von der Autobahn ab und rein nach Edinburgh. Wir haben viel länger gebraucht als geplant. Irgendwo auf der zweiten Hälfte standen wir im Stau. Der Grund war eine Art Massenkarambolage. Keine Ahnung wie die das hinbekommen haben. Ganze vier Stunden standen wir unbeweglich auf der Autobahn. Dem entsprechend war nun auch unsere Laune. Zum Glück ist es nicht mehr weit.
Clark fährt nach wie vor voraus. Etwas ausserhalb der City biegt sie schliesslich in eine Garageneinfahrt ein. Die Tiefgarage gehört zu einem Wolkenkratzer. Seine Fassade besteht fast ausschliesslich aus Glas. Gleich auf dem obersten Stock der Parkgarage können wir die Motoren schliesslich ausschalten. Mit der linken Hand löse ich den Gurt, während ich mit der Rechten bereits die Tür öffne. Bevor ich die Autotür allerdings zu schlage, öffne ich noch mit einem Knopfdruck den Kofferraum. Clark kommt gerade ums Auto herum als ich meinen zweiten Koffer aus ihrem Wagen wuchte.
"Phu das war vielleicht eine Fahrt. Hast du vorhin Radio gehört? Zum Glück sind wir schon früher von der Autobahn runter." "Nein hab ich nicht." Ich hatte einfach keinen Nerv mehr für die übermotivierte Moderatorin mit einem Lachen, das so künstlich ist, man könnte meine es besteht aus Plastik. Ich bin mir sicher diese Frau sieht immer aus wie eine Barbie. "Was war denn?" "Anscheinend haben sich die Aufräumarbeiten verzögert. Zwei Spuren waren bis vor kurzem immer noch gesperrt." Oh da hatten wir allerdings Glück. Als es nach vier Stunden langsam wieder vorwärts ging haben wir uns dafür entschieden, die nächste Ausfahrt zu nehmen. "Ha! Ich frag mich ja, was die solange getrieben haben." "Keinen Plan" Clark kahmt ihren Schlüssel raus. "Auf welchem Stockwerk war noch mal unsere Wohnung?" "Im 5. glaub ich. Aber das steht bestimmt im Lift." „Ich hatte Recht. Neben dem Knopf für die 5. Etage ist ein kleines Schild angebracht, auf dem unsere Namen stehen. Ich drücke den Knopf.
Im 5. Stock gleitet die Türe des Lifts auf und gibt den Blick auf einen kleinen Flur frei. Der Boden, weisse Steinplatten, die ein Bisschen wie Marmor aussehen, ist so blank, dass man sich darin spiegeln kann. Zumindest fast. Direkt auf der gegenüberliegenden Seite ist eine weisse Doppeltür in die Wand eingelassen. Die einzige Tür wohl gemerkt. Sieht so aus, als wären wir alleine auf diesem Stock. Soll mir recht sein. Mitten im Raum steht ein Blumenstrauss in einer gläsernen Vase auf einem runden gläsernen Tisch. Ziemlich viel Glas hier. Hoffentlich müssen wir hier nie kämpfen. Der Schaden wäre immens. Clark hat sich in einen der Sessel gesetzt, die an den Wänden links und rechts aufgestellt wurden. "Wow! Die Dinger sind super bequem!", ruft sie erstaunt aus. " An den ganzen Luxus könnte ich mich durchaus gewöhnen." Zufrieden lehnt sie sich im Sessel zurück. "Mir ist das alles etwas zu viel Schnickschnack.", grummle ich. "Spielverderberin." Schnaubt Clark. Sie denkt, ich hätte sie nicht gehört. Ich lasse sie in dem Glauben und schliesse die Tür zur Wohnung auf.
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Nikki Jones - Auf den Spuren der Cybermafia (pausiert)
ActionWir schreiben das Jahr 2014. In der heutigen modernen Zeit, in der man ohne Probleme mit nahezu jeder beliebigen Person an jedem beliebigen Ort der Welt kommunizieren kann und das soziale Leben sich immer mehr in die digitale Welt verlagert, entsteh...