Kapitel 1

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Sophie DiMarco ließ geistesabwesend die Hand über ihre verletzte Kehle wandern. Es tat immer noch weh, dort, wo dieser Typ sie gepackt hatte. Genau wie ihr armer geschundener Oberarm, den dieser Mistkerl ihr fast zerquetscht hatte.
„Alles okay, Schätzchen?" fragte Dee Ann Smith und blickte sie besorgt an. Sophie zwang sich zu einem Lächeln und nickte. Dee sah auf ihren Hals hinab und schüttelte mitleidig den Kopf.
„Keine Sorge Schätzchen. Da, wo wir dich hinbringen wirst du sicher sein. Niemand wird dich finden. Das verspreche ich. Ich lass' dich nicht schon wieder im Stich." Beteuerte sie inbrünstig. Sophie schluckte schwer. Ja, Dee Ann war da gewesen kurz, bevor diese Mistkerle Sophie aus dem Zug nach Atlantic City herausgezerrt und entführt hatten. Aber es war nicht ihre Schuld. Niemand hätte wissen können, dass diese eigenartige Frau ihr noch immer auf den Fersen gewesen war.
„Schon gut. Ich gebe dieser komischen Riesin die Schuld, nicht dir.", sagte sie deshalb schulterzuckend, doch Dee schüttelte erneut den Kopf und tippte unzufrieden mit den Fingern gegen ihr Jagdmesser.
„Ich hätte dich zurück ins Hotel bringen sollen. Dich einfach nur in den Zug zu setzen und dann abzuhauen war total naiv und dämlich!" knurrte sie frustriert.
„Mach dir nichts draus, Smith. Hunde sind öfter mal dämlich." Erschallte es vom Fahrersitz, als Dees Kollegin, Cella Malone, sich einmischte.
„Schnauze, Malone!" knurrte Dee, nun noch verstimmter.
Während die beiden, wie so oft in den letzten Stunden, einen freundschaftlichen Streit begannen, dachte Sophie an den Anfang vom Ende ihres normalen Lebens. Das Ereignis, das sie von einer Diebin zu einer Flüchtenden gemacht hatte.
Mikey.

*

Sie hatte gerade den wirklich hübschen –und wirklich teuren- Maserati ihres aktuellen Opfers gestohlen und fuhr vom Grundstück von dessen Golfclub, als irgendein riesiges, goldenes...Ding... vor ihr auf die Straße rannte und mitten auf die Motorhaube krachte. Sie wollte sich aus dem Staub machen, aber da stand das Ding auf und war plötzlich menschlich. Mit goldenen Haaren, goldenen Augen und irre vielen Schusswunden, die seinen ganzen Körper übersäten.
Als auch noch irgendwelche weiß gekleideten Militärtypen mit automatischen Waffen aufgetaucht waren, hatte sie kurzerhand die Beifahrertür aufgestoßen und dem Kerl befohlen einzusteigen.
Tja. So hatte sie Mikey kennengelernt. Nachdem er ihr eine Adresse genannt hatte, zu der sie ihn bringen sollte, war er irgendwann während der Fahrt bewusstlos geworden. Er hatte angefangen zu zucken -normal-, zu knurren -etwas eigenartig- und schließlich hatte er ein paar ziemlich gefährlich aussehende Reißzähne gebleckt -definitiv nicht normal! Von ihrem erschrockenen Aufschrei war er wach geworden und hatte stockend versucht ihr zu erklären, dass sie keine Angst haben sollte, dass er ein Gestaltwandler war -Gestaltwandler, also wirklich, sowas passierte doch nicht im echten Leben.
Trotzdem hatte sie ihn bei der Adresse abgeliefert, zu der er gewollt hatte. Dort hatte sie auch Cella Malone zum ersten Mal gesehen. Zu der hatte Mikey nämlich gewollt. Irgendeine Familienfreundin, die bei irgendeiner Behörde arbeitete, sich aber nicht darum scheren würde die diebische Sophie zu verhaften, wie er versprach. Leider hatte sie da auch zum ersten Mal einen der Typen gesehen, die sie gestern entführt hatten. Was auch immer dieser kriminelle Idiot in der Behörde gewollt hatte, er hatte angekündigt Sophie mitzunehmen um „zu tun, was mit ihr getan werden muss". Natürlich war sie sofort abgehauen. Ihr war klar, dass sie in den Augen dieses gruseligen Riesen einfach zu viel wusste und eliminiert werden musste.
Kurze Zeit später hatte Dee Ann sie in ihrem Hotelzimmer in Atlantic City aufgespürt und um Hilfe gebeten. Hilfe dabei Sophies letztes Opfer aufzuspüren. Der Mann, dem sie den Maserati geklaut hatte. Frankie „die Ratte" Whitlan. Die ganze illegale Scheiße, die der Typ veranstaltete war sogar noch illegaler, als Sophie zunächst gedacht hatte. Die Jagdveranstaltungen, die er immer wieder für seine Kumpels abhielt... Dee Ann erklärte ihr, dass dort keine Tiere gejagt wurden. Zumindest nicht ganz. Es waren Gestaltwandler, wie Mikey, Dee, Cella, auf die dort geschossen wurde! Menschen! Sophie war regelrecht schlecht geworden bei dem Gedanken daran.
Nachdem Dee sie schließlich in einen Zug zurück nach Atlantic City gesetzt hatte, waren plötzlich diese riesigen Typen aufgetaucht, von denen sie einen schon in der Behörde gesehen hatte. Sie hatten sie zu einer riesigen, bösartigen Frau gebracht, die Sophie so lange verprügeln ließ, bis sie auch ihr den Aufenthaltsort von Whitlan verriet. Dämliche Kuh. Als hätte Sophie das nicht auch freiwillig erzählt! Weshalb sollte sie das Arschloch schützen? Aber nein, diese riesige Hexe hatte sie verprügeln lassen und danach auf die Rückbank ihres schwarzen Range Rovers geworfen, um direkt zu Whitlans Club zu fahren. Aufgrund dieser ‚freundlichen' Behandlung hatte Sophie ihr nur zu gerne gesagt wo ihr Ziel sich aufhielt. Dass das verrückte Schwein allerdings Fallen mit tödlichem Giftgas in seinem Flur verteilt hatte... das hatte sie mit großer Genugtuung verschwiegen.

Wilde MähneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt