Kapitel 1

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"Hey Ruby" hörte ich David quer durch das ganze Schulgebäude rufen. David. Ein Vollidiot wie er im Buche steht. Mein bester Freund. Ich konnte nicht anders als meine Mundwinkel zu einem breiten Grinsen zu verziehen und fragte lachend als ich schon fast bei ihm angekommen war "Man David, musst du denn immer so laut sein?". "Ach du kennst mich doch" sagte er zwinkernd "ich brauche halt einfach meinen Auftritt".

So wie jeden Freitag Nachmittag hatte es jeder ganz besonders eilig nach Hause zu gehen sodass fast schon routinemäßig ein sich nur langsam auflösender Stau an der Tür entstand. Unsichtbar in der drückenden Menschenmasse reihte ich mich dicht hinter David ein und vernahm seinen vertrauten Geruch. Ganz automatisch kamen mir die Erinnerungen an unsere gemeinsame Kindergartenzeit hoch, wie wir mit kindlicher Präzision jeden einzelnen Edelstein aus dem Sandkasten buddelten. Jetzt, 14 Jahre später, haben sich zwar Größe und Stimme von David verändert, aber geblieben ist er immer noch mein kleinerer Sandkastenfreund dem ich mehr als allen anderen vertraute.

An der frischen Luft angekommen verblassten meine Gedanken. Wortlos reihte ich mich neben David ein, denn auch er schien auf den ersten Blick in Gedanken versunken. Nach einiger Zeit erhob er das Wort "Hast du ehm.. gestern die Nachrichten gesehen?". Ich merkte wie seine tiefe Stimme mit jedem weiteren Wort zittriger wurde und sah erst jetzt aus dem Augenwinkel seine fest zu einer Faust verschossenen Hand.

Ich wusste worauf er hinaus wollte..Zu der Zeit unserer Großeltern stellte das größte Problem ein unkontrollierbarer Typ namens Eleia dar. Unter seiner Tyrannei brach die Gemeinschaft der Staaten zusammen, jeder Staat kämpfte nun für sich. Freund war zum Fremdwort geworden, Bündnis ein utopisches Konzept. In Folge dessen brach ein schrecklicher Krieg aus in dem die Starken nahmen was sie brauchten und die Schwachen schutzlos zurückließen. Doch der Erfolg der Starken hielt nicht lange an. Ohne vernünftigen Plan waren die Ressourcen schon nach kurzer Zeit verbraucht und es kam zu einer Welle der Massenverelendung.

Die vermeintlich Schwachen der Gesellschaft waren jedoch an die Missstände angepasst. Sie kämpften, überlebten und erschufen mit dem Tod Eleias eine neue Ordnung. Eine Demokratie in der jeder Gehör findet. Tyrannei stellte seitdem keine Gefahr mehr für unsere Gesellschaft dar. David spielte mit den gestrigen Nachrichten auf ein anderes Thema als Tyrannei und Ungerechtigkeit an, einem Virus, ein unsichtbarer Gegner.

Ursprünglich für Tierexperimente erschaffen sollte das Virus die neuronalen Verbindungen im Gehirn hin zu aggressiven Verhaltensweisen umprogrammieren. Obwohl diese Vorgehensweise vielfach und schon seit Jahren in den Medien kritisiert wird, ist es nicht gelungen diese Praktiken abzuschaffen. Was mich betrifft fand ich das schon immer sehr ironisch. Endete die eine Tyrannei stürzten sich die Menschen schon in die Nächste. Macht, Gier und Dummheit finden immer einen Weg sich zu entfalten; zumindest war dies die Lehre die ich daraus zog.

Das Virus verbreitete sich schließlich, gelang außerhalb der Tierversuchsstätten und befiel nun nach und nach die Menschen. Zuerst war die Westküste betroffen, schließlich fraß es sich vor in den Süden und nun befindet es sich auf ihren Weg nach oben. David riss mich aus meinen Gedanken als er weiter meinte, dass der erste Fall nun nur mehr 73km nachgewiesen wurde. „Die Regierung berät diesen Sonntag noch" fuhr er fort und beendete seinen Satz. Ich überlegte, schwieg einige Augenblicke und merkte wie sich unaufhörlich eine unruhige Erregung in mir breit machte. Ich spürte, dass wir schon in ein paar Tagen mit diesem Virus konfrontiert werden konnten und ich wusste auch, dass ich bereit war meine engsten Vertrauten zu beschützen.

Vertieft in meiner Zuversicht bemerkte ich nicht wie wir bereits am Haus in dem ich wohnte angekommen sind. Ich spürte Davids fragenden Blick auf mir, sah auf und klapste ihm liebevoll schmerzlich meine Hand auf seine Schulter. Ich grinste, erhob möglichst zuversichtlich klingend meine Stimme und posaunte: „mach dich nicht lächerlich! Sag bloß du brauchst jetzt schon ein Nachtlicht um ruhig schlafen zu können!". Er nahm meine Hand von der Schulter und verzog dabei sein Gesicht zu einem etwas enttäuscht wirkenden leichten Lächeln. David verabschiedete sich und ging zu seinem Haus das genau Gegenüber lag. Ich sah ihm hinterher und hörte nur meine eigenen rasenden Gedanken flüstern: „hab keine Angst. Wann immer ich dich schützen kann, werde ich es tun".

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 04, 2021 ⏰

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