Es war ein schöner Sommertag. Die Sonne prallte gnadenlos auf die Haut von Kaline. Die Temperaturen wollten gar nicht mehr aufhören zu steigen. Es schien als hätten sich alle Vögel versammelt, um ein kleines Konzert zu veranstalten. Der Boden war so trocken wie in der Wüste und der Wind wirbelte den gelben Staub auf.
Kaline saß in all dem mit einem großen, zufriedenen Lächeln. Sie war nicht sonderlich groß, sodass sie die Beine von der Bank baumeln ließ. In Gedanken versunken summte sie vor sich hin und beobachtete ihre Mitschüler. Eine laute Grille saß unter der Bank und ließ Kaline fühlen als wär sie im Urlaub.
Nach einiger Zeit hob Kaline die Hand, um ihre Augen vor der Sonne zu schützen. Sie schaute sich um, aber konnte keine Schüler mehr sehen die lachend auf dem Schulhof liefen oder sich ein tropfendes Eis teilten.
Panisch schaute sie auf ihre kleine Armbanduhr, dessen Lederarmband schon ganz ausgeblichen und fransig war.
Der Unterricht hatte seit sechs Minuten begonnen. Sie stieß sich von der Bank ab und fing an zu laufen. Erst langsam und dann immer schneller.
Auf dem Weg zum Raum streifte sie der Gedanke wieso sie nicht den Pausengong gehört hatte. Doch sie schob ihn beiseite.
Völlig außer Atem und mit schweißnassem T-Shirt erreichte sie den Raum 212. Sie klopfte schnell und fest und betrat sogleich den Raum ohne auf ein „herein" zu warten.
Erschrocken stellte sie fest das der Schulleiter vor ihr stand und sie mit strengem Blick musterte. Sofort schoss ihr das Blut in die Wangen. Mit pochendem Kopf entschuldigte sie sich und lief schnell zu ihrem Platz.
Ihre Mitschüler beachteten sie kaum, als sie an ihnen vorbeiging, denn auch sie beschäftigte die Frage was der Schulleiter ihnen zu sagen hatte.
Mit kräftiger, tiefer Stimme begrüßte er die Klasse. Sein Blick war dabei fest an einen bestimmten Punkt im Raum fixiert. Er stockte und fuhr sich nervös durch die Haare bevor er weiter ausfuhr.
„Es gab vor einer Stunde einen Anschlag auf das Sekretariat".
Erschrocken schlug sich Kaline die Hand vor den Mund. Ihr Blick schnellte zu ihrer Klassenlehrerin. Diese schien kaum anwesend zu sein, denn ihr Blick war müde und in die Ferne gerichtet. Als würde nur noch ihre Hülle dort vorne sitzen.
„Einige Lehrer wurden stark verletzt. Sie konnten sich rechtzeitig im Nebenzimmer verbarrikadieren. Leider gab es aber drei Todesopfer.".
Völlige Fassungslosigkeit und Angst stand in den Gesichtern der Schüler geschrieben, die dem Schulleiter an den Lippen hingen.
„Sie brauchen keine Sorge zu haben, der Täter wurde mittlerweile überwältigt und von der Polizei weggebracht. Wir haben das alles geheim gehalten und darauf geachtet das Sie nichts davon mitbekommen. Doch leider betrifft auch Sie dieser Anschlag".
Ein verschrecktes Raunen ging durch die Klasse und Kaline krallte sich mit schwitzigen Händen an den Tisch. Sie bemerkte gar nicht wie sehr sich der Tisch in ihre Haut grub, so angespannt war sie. Sie ließ ihren Blick durch die Klasse fahren und hielt bei einem leeren Stuhl an. Ihr gefror das Blut in den Adern und sie traute sich kaum zu atmen. Ihr einziger Wunsch war, dass es nicht wahr war. Das dies alles nur ein Scherz war und der Schulleiter gleich vor lachen losprusten würde. Doch nichts dergleichen passierte.
Sie schloss die Augen, als er die gefürchteten Wörter aussprach.„Euer Mitschüler Elliot Mishagi ist unter den drei Todesopfern".
Und dann ging es los. Die Schüler um sie herum fingen an zu schreien, zu weinen und zu treten. Sie waren fassungslos. Manche lachten, weil sie es immer noch für einen Scherz hielten, doch nach kurzer Zeit verfielen sie auch in das Geschrei. Der Schulleiter besaß keine Kraft sich dagegen aufzulehnen. Erschöpft ließ er sich auf einen kleinen Stuhl in der Ecke nieder und vergrub sein Gesicht in den Händen.
Die Sitznachberin von Kaline, Fahima, fragte immer wieder ob das ein Scherz wäre und fing Kaline an wie wild zu schütteln. Kaline öffnete ihre Augen wieder und schaute sie an. Fahima ließ sie los, als sie in ihre ausdruckslosen Augen starrte und wandte sich an einen anderen.
Kaline nahm nichts mehr war. Weder rührte sie sich, noch atmete sie. Ihre glasigen Augen schauten noch ein letztes Mal zu dem leeren Stuhl, bevor sie sie wieder schloss.
Das schlimmste und unvorstellbarste was hätte passieren können, war eingetreten.
Sie hatte ihre große Liebe verloren.
Noch immer wagte sie es nicht zu atmen und kippte wegen Luftmangel auf den Tisch.An diesem Tag starben zwei junge Menschen. Einer durch eine Kugel und der andere durch die Liebe.
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Kurzgeschichten
Cerita PendekHier ist eine Sammlung von Kurgeschichten über das Leben, die Liebe, Hass, Wut, Trauer, Verlangen, aber auch Tod . Eine bunte Mischung. Schau gerne mal rein :)