𝒱𝒾𝑒𝓇

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Jimin

Das ganze Wochenende über hatte ich versucht, den mysteriösen Klavierspieler irgendwie ausfindig zu machen. Ich war in diversen Seiten herum gegeistert, hatte auf der Internetseite nachgeschaut und war wirklich sogar bereit dazu, einfach in das Dark oder Deep Web zu gehen, nur, um diesen jungen Mann zu finden. Hoseok war von dieser Idee ganz und gar nicht begeistert, aber er half mir trotzdem.

Auf ihn war wenigstens verlass.

Zum ersten Mal, seit zwei Jahren, zeigte ich wieder Interesse an der Musik. Meine Gefühle rasten nur so herum und ich selbst war so verwirrt darüber, dass meine Angst noch nicht gesiegt hatte. Sonst immer, wenn ich Musik oder eine Melodie hörte, verfiel ich in eine Art Panikattacke, die von Mal zu Mal so viel schlimmer wurde, dass ich ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Es ging so weit, dass ich jegliche Musik aus meinem Leben strich und völlig isoliert lebte. Eine andere Wahl hatte ich einfach nicht.

Und dennoch wagte ich es mich heute, in mein altes Musikzimmer zu gehen. Damals war Musik noch mein Leben gewesen, ich hatte jeden Tag gesungen oder zu einer passenden Musik getanzt, hatte versucht, eigene Lieder zu schreiben, und war selbst bei kleinen Veranstaltungen aufgetreten. Beinahe hätte ich es auch zu einer Audition geschafft, aber dann hatte mein Leben eine Wendung gemacht und ich würde nie wieder die Chance dazu haben, irgendwas mit Musik zu tun. Nie wieder...

Ein wenig suspekt war es mir doch, dass ich keine Panikattacke erlitten hatte, als ich dem Klavierspieler zu gehört hatte. Vermutlich waren meine Tränen die Reaktion darauf gewesen, vielleicht aber auch nicht. Hoffnungen würde ich mir keine mehr machen, da sie sowieso nur wieder zerschmettert werden würden und ich war sowieso nicht mehr imstande dazu, zu singen.

Ja, Singen war meine Leidenschaft gewesen. Ich hatte es geliebt, andere mit meiner Stimme zu verzaubern, sie zu führen und sie glücklich zu sehen. Mir hatten die Komplimente wirklich gefallen, es hatte mein Selbstbewusstsein gestärkt und ich war einfach nur glücklich gewesen. Viele meiner damaligen Freunde - jedenfalls dachte ich, dass sie welche wären - hatten sich auch für mich gefreut, mir geholfen, mich bei einer Audition zu bewerben... Und dann fielen ausgerechnet sie mir in den Rücken.

Als ich mein altes Musikzimmer betrat, spürte ich direkt eine Kälte meinen Körper hochkriechen. Die Jalousien waren komplett unten, der Raum war dementsprechend abgedunkelt und auch die Heizung war nicht an. Leicht fror ich und traute mich nicht, diesen Raum zu betreten. Verdammt, warum musste ich die Tür jetzt auch wieder öffnen? So oft hatte ich es versucht und so oft war ich gescheitert; Ich würde niemals wieder Musik machen können, warum also? Warum musste ich immer wieder hierher kommen?

Tief atmete ich durch, um ruhig zu bleiben. So gerne ich auch zu meinem Mikrofon rennen wollte, meine Boxen anschließen und einfach drauf los singen wollte, es würde nicht funktionieren. Beim Weihnachtsmarkt hatte meine Angst nicht gesiegt, aber jetzt schon. Mit einem Ruck war die Tür wieder zu und Tränen sammelten sich in meinen Augen, als ich langsam die hölzerne Tür herunter rutschte und auf dem Boden sitzen blieb. Mir wurde meine Leidenschaft genommen, mein Leben. Das Einzige, was ich überhaupt konnte, wurde von mir gerissen und ich war mir ganz sicher, dass es niemals wieder kommen würde, so sehr ich danach auch flehte.

Dabei wollte ich doch nur mein altes Leben zurück...

𝐏𝐢𝐚𝐧𝐨 ✦ 𝖸𝖮𝖮𝖭𝖬𝖨𝖭Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt