Dragonrise

Kapitel No.1

Das Feuer knisterte leicht und Funken stoben gen Nachthimmel als Jane noch ein weiteres Holzscheit nachlegte. In der Dunkelheit konnte man im Wald, nichts erkennen. Sehr wohl aber hören, dass die Geschöpfe der Nacht bereits unterwegs waren. Blätter raschelten, Äste knackten und irgendwo in der Ferne schrie einsam eine Eule. Der kleine Lichtkreis den das Feuer erhellte, sollte all jene Kreaturen warnen, die einem böses antun konnten. Jane zog ihre Decke, in die sie sich eingewickelt hatte, enger um ihren Körper, um sich warm zu halten. Die Nacht würde kalt werden. Hier oben im Norden Thaniars, auch bekannt als die Nördlichen Seen, konnte es sehr kalt werden und manch unbedachte Wanderung hatte schon ein trauriges Ende gefunden. Der Wind strich leise durch die Kronen der Bäume. Und plötzlich war ein dumpfes Geräusch zu hören. Etwas Schweres hatte sich in der Nähe des Feuers niedergelassen. Jane drehte sich nicht um. Das musste sie nicht, sie hatte bereits vorher gewusst wer dort angekommen war. Sie hatte es gefühlt. >Du sollst mich nicht so erschrecken! < dachte sie. Augenblicklich ertönte die Antwort in ihrem Kopf: >Als ob du nicht wüsstest das ich es bin! Wozu können wir uns denn per Gedankenaustausch unterhalten? < Jane lächelte, sah aber weiterhin auf die tanzenden Flammen des Feuers. Wieder ertönte die tiefe Stimme in ihrem Kopf > Ich habe übrigens nichts Ungewöhnliches sehen können. Bis auf die leckeren Wildschweine natürlich! So fett gefressen sieht man sie selten< 

>Mein Hase war auch nicht schlecht<

>Wie du nur von einem Hasen satt werden kannst, kann ich mir nicht vorstellen< sagte Firestorm nachdenklich.

>Du hast ja auch die Größe von einem Jet! < antwortete Jane belustigt, sie sah seinen leicht schiefgelegten Kopf, beim Nachdenken, vor ihrem inneren Auge.

>Was ist nochmal ein Jet? <

> Na, die Dinger die wir in Kansas manchmal nachts am Himmel gesehen haben <

>Ach so < brummte er als Antwort. Firestorm war damals mitgekommen, obwohl ihr Lehrmeister davon nicht sehr begeistert gewesen war. Menschen glauben schließlich nicht an Drachen, sie hätten sicherlich fürchterliche Angst vor ihm gehabt und ihn schlimmstenfalls getötet. Er war mit zunehmender Größe immer schwerer, auf freier Fläche zu verstecken gewesen und hätte irgendwann entdeckt werden können, weshalb er viel Zeit in einer leeren Scheune auf dem Farmgelände verbringen musste, auf dem Janes Onkel und Tante leben. Zu seiner eigenen Sicherheit.  Er erinnerte sich nicht gerne daran. Einen Drachen darf man nicht einsperren.

>Was meinst du wann wir die Hauptstadt erreichen? < fragte Jane um das Thema zu wechseln.

>Wenn wir uns ranhalten vielleicht schon übermorgen. <

Der nächste Tag begann kalt. Dichte Nebelschwaden bahnten sich ihren Weg über den Waldboden und verwandelten den Wald in ein Geisterreich. Jane konnte ihren Atem vor sich aufsteigen sehen und zog sich schnell ihren graugestrickten Pullover über, während sie sich aus dem Schlafsack schälte. Das Feuer war in den frühen Morgenstunden ausgegangen und nur ein glühendes Holzscheit erinnerte an die vorher bestehende Wärmequelle. Sie kramte in ihrem Rucksack und fand dort noch etwas Brot. Zusammen mit etwas kalten Fleisch, ein in dieser Gegend, gelungenes Frühstück. Firestorm war bereits auf und streckte seine mächtigen Schwingen, um die Kälte zu vertreiben. Manche Drachen mochten zwar in kälteren Gegenden zuhause sein, Firestorm jedoch bevorzugte auch das mildere Klima ihrer Heimat.

Die westlichen Hügellande mit ihrer grünen Weite, ist Heimat von vielen Farmern, die ihr Vieh auf den saftigen Wiesen großzogen und dadurch reichlich Fleisch und Fell erhielten. Die Ernte fiel meist gut aus, auch wenn manch regenarmer Sommer den Winter etwas dunkler hatte werden lassen. Mit zu wenig Vorräten waren die Winter auch hier kein Spaß.

Westend war ein kleineres Dörfchen, abseits von den größeren Handelsplätzen der Region. Am Ufer eines Seitenarms des mächtigen Flusses Läufer gelegen, gab es immer genug Wasser für das Vieh und die Kinder des Dorfes badeten dort gerne.

"Ich wäre gerne zuhause, dort ist es jetzt noch schön und die Sonne wärmt einen."Jane sah kurz ihr Elternhaus vor sich. Das Farmhaus im Fachwerkstil. Mit roten Steinen zwischen den braunen Streben und dem dunklen Dach. Die weiten Wiesen dahinter mit dem Vieh, den angrenzenden Stall und Scheune, Beinahe konnte sie ihren Vater sehen wie er mit der Leiter am Haus, das Dach ausbesserte. Sie musste Lächeln.

>Komm schon! Nicht einschlafen! So schaffen wir es nie pünktlich nach Nebelforst! < Firestorm riss sie jäh aus ihren Gedanken. Jane seufzte und band sich ihre langen blonden Haare zu einem unordentlichen Zopf, einige Strähnen hingen heraus. Sie klaubte ihre Sachen zusammen und ging dann zu Firestorm herüber der die Gegend im Auge behielt. Ein Sonnenstrahl kämpfte sich den weg durch die Nebelschwand und brachte Firestorms dunkelrote Schuppen zum Glühen. Jane verstaute ein paar Sachen in den Satteltaschen, die sich samt braunem Ledersattel vor Firestorms mächtigen Schwingen auf seinem Rücken befand. Sie schloss ihre dunkle Lederjacke, die mit weichem Lammfell gefüttert war , setzte den Rucksack auf und zog die Schulterriemen fest. Sie befestigte den Gurt ihres Schwertes um ihre Hüfte. Dann kletterte sie geschickt über Firestorm linkes Vorderbein in den Sattel und stellte ihre Füße in die Steigbügel. Der Sattel selbst erinnerte an einen normalen Westernsattel für Pferde, natürlich an die Maße eines Drachens angepasst. Anders war allerdings, dass es neben den Steigbügeln noch Riemen gab, die die Beine am Sattel fixierten, damit auch bei schwierigen Flugmanövern, die Gefahr eines Absturzes geringer war. Diese zog Jane nun fest. Das Leder knarzte leise als sie sich im Sattel bewegte. Sie stopfte noch ihre braune Lederhose weiter in die dunkelbraunen Stiefel. >Bist du bald fertig, ich friere hier noch am Boden fest! < 

>Wir können los < antwortete Jane auf Firestorms Ungeduld, nach dem sie nochmal alles kontrolliert hatte. > Wenn ich schon einmal die Zeit habe alles zu kontrollieren mache ich es auch. < Dafür erntete sie nur ein Schnauben von Firestorm. Er streckte noch einmal die Vorderbeine, beinahe einer Katze ähnlich und machte einige Schritte vorwärts bevor er sich mit den Hinterbeinen vom Boden abstieß und mit kräftigen Flügelschlägen emporstieg. Jane kniff wegen des Windes die Augen zusammen.  Einige Flügelschläge später lagen die Wipfel der Bäume weit unter ihnen. Die Lichtung, die ihr Nachtlager gewesen war, war nicht mehr auszumachen. Der Wald erstreckte sie beinahe endlos unter ihnen. Die Sonne brach hier und da durch die Wolkendecke, die grau den Himmel bedeckte, aber ihre Kraft reichte nicht aus, um die Luft angenehm zu wärmen. Sie hielten auf den nördlichen Horizont zu, dort hinter ein paar Bergen, die ein halbes oval bildeten, lag die Hauptstadt Nebelfrost, mit ihrer Festung Nordfeste, ihr Ziel.