Kapitel|1.

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Der Albtraum lässt mich aus dem Schlaf hochfahren. Es ist immer wieder derselbe. Leuchtend grüne, rote und blaue Augen verfolgen mich. Ich laufe, so schnell ich kann, bin aber immer zu langsam. Sie erwischen mich jedes Mal, egal wo ich langlaufe und egal welche Waffe ich bei mir habe.

Wer sind die?

Wieso träume ich diesen Traum seit einiger Zeit ständig?

Ich atme tief durch, die Schweißperlen laufen mir über die Stirn und den Rücken herunter, als wäre ich wirklich gelaufen.

Seufzend lasse ich mich wieder in die Kissen sinken. Außer meiner besten Freundin Theresa habe ich es bisher niemandem erzählt. Niemand soll sich um mich sorgen müssen. Außerdem sind es ohnehin nur Träume, oder?

Ich höre im Traum jemanden nach mir rufen, aber immer, wenn ich antworten will, habe ich keine Stimme. Ich bin stumm, öffne den Mund, aber kein Ton kommt heraus. Jede Nacht aufs Neue.

Ich trinke einen Schluck Wasser aus dem Glas, welches auf meinem Nachttisch steht. Nicht mehr lange und ich muss sowieso aufstehen. Also kann ich direkt wach bleiben. Hastig schwinge ich die Beine aus dem Bett und bleibe einen Moment sitzen, als mich ein vertrautes Schwindelgefühl befällt. Eine dieser Nebenwirkungen der Träume. Sie sind schon so lange da, sie machen mir gar keine Angst mehr. Ich fühle mich nach den Albträumen auch erstaunlich ausgeruht.

Langsam erhebe ich mich und verschwinde im Badezimmer, um mich für die Schule fertig zu machen. Die Schule. Dort bin ich beliebt und anders als viele Jugendliche in meinem Alter, liebe ich sie. Ich gehe gerne hin. Ehrlich gesagt, kann ich mir gar nicht vorstellen, mal nicht mehr zur Schule zu gehen. Ich bin im Abschlussjahrgang der High School und langsam wird es Zeit, sich für ein College zu entscheiden. Mein Favorit ist die Webster University. Ich möchte gerne Kunst und Musik studieren. Sehr zum Leidwesen meiner Eltern, die mit Kunst überhaupt nichts anfangen können. Ihnen wäre es lieber, wenn ich Mathematik oder Informatik studieren würde, aber beides liegt mir absolut gar nicht. Ich bin der Freigeist der Familie.

Außer meinen Eltern und mir gibt es da noch meinen großen Bruder Zach. Er ist zwanzig und macht die Polizeischule. Meine kleine Schwester Sophie, sie ist erst neun und geht in die Middle School. Ich bin das mittlere Kind, oft Sandwich - Kind genannt. Meistens gehe ich ein wenig unter, was mir total recht ist. So lassen sie mich wenigstens in Ruhe und nerven mich nicht ständig. Ich liebe sie trotzdem. Auch wenn sie mir manchmal gehörig auf den Senkel gehen.

Nach einer schnellen Dusche stehe ich vor dem Spiegel und betrachte mich. In meinem ovalen Gesicht mit der Stupsnase sitzen zwei dunkelbraune Augen mit langen Wimpern und schön geschwungenen Augenbrauen. Meine Lippen sind symmetrisch und voll. Meine beste Freundin nennt sie immer sinnlich. Das sagt sie aber nur, um mir zu schmeicheln. Mir ist bewusst, ich bin hübsch, jedoch fühle ich mich nicht immer so. Meine langen dunkelbraunen Haare habe ich mir erst gestern abschneiden lassen. Es hat mich einiges an Überwindung gekostet, aber ich wollte endlich eine Veränderung, etwas Neues ausprobieren. Bis gestern gingen sie mir in sanften Wellen fast bis zum Po hinunter. Jetzt mussten sie einem modernen Longbob weichen.

Was die anderen wohl sagen werden? Ich habe keinem meiner Freunde erzählt, was ich vorhabe. Zusätzlich zu der Veränderung meiner Haare habe ich mir außerdem ein Nasen- sowie Zungenpiercing stechen lassen. Das wollte ich schon so lange tun, war aber bisher ebenfalls nicht mutig genug! Gestern war es schließlich bei diesem Vorhaben so weit. Meine Eltern sind in dieser Hinsicht locker. Ich darf anziehen, was ich will und mich auch verändern, wie ich will. Solange meine Noten gut sind und ich zu den vereinbarten Zeiten zu Hause bin. Na gut, wieso auch nicht? Ich bin ja ab heute offiziell ACHTZEHN.

Kaleidos - Dein Herz muss entscheiden [LESEPROBE]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt