Atlantis - Seafreat
Mit geschlossenen Augen stand sie da. Sog die Atmosphäre in sich auf. Sie hörte das leise, regelmäßige Rauschen der heranrollenden Wellen und spürte den Wind, der sie umspielte, wie ein herumtollendes Kind. Doch lag in ihm auch eine Beständigkeit, die, wenn man genau hinhörte, das leise Flüstern der Weisheit in sich trug und nur erahnen ließ, wie viel der Wind schon gesehen hatte. War er doch so alt wie die Zeit selbst. Allgegenwärtig.
Der Sand zu ihren Füßen war noch kalt vom Sturm in der Nacht, der ihn ausgekühlt hatte. Doch vom nächtlichen Chaos war jetzt nichts mehr zu spüren. Die Welt war wieder ruhig und im Einklang. Kein Tosen der Wellen und kein Heulen des Windes war zu hören, als hätte sich ein Schleier über die Realität gelegt. Sie wusste, dieser Frieden würde nicht lange anhalten, aber für den Moment genoss sie ihn einfach.Nach einer Weile mischten sich unter das Meeresrauschen Schritte. Keine hastigen, sie waren ruhig und bestimmt. Sie glaubte zu ahnen wer den Weg zu ihr suchte und wartete geduldig bis die Schritte sie erreicht hatten und neben ihr zum Stehen kamen.
Leise seufzend schlug sie die Augen auf.
Doch sie sah den Neuankömmling nicht an. Das brauchte sie nicht, denn dieses Gesicht hatte sich mit seiner Sanftmut, seinen Grübchen und den dunklen, schlauen Augen in ihr Herz gebrannt.
Wenn man sagen würde, diese beiden Menschen dort am Strand würde ein innerer Draht verbinden, wäre das wahrscheinlich die Untertreibung des Jahrhunderts. Sie verstanden sich blind, mussten nicht reden um sich zu unterhalten, dachten oft dasselbe.
So auch in diesem Moment. Für eine lange Zeit schwiegen sie gemeinsam, bis er dann schließlich doch die Stimme zu einem leisen Raunen erhob.
"Du weißt, dass du nicht für immer wegrennen kannst. " Keine Frage, eine Feststellung. "Und du weißt, dass du deinem Schicksal nicht entfliehen kannst."
Statt zu antworten, zuckten ihre Mundwinkel nur in der Andeutung eines Lächelns. Ob sarkastisch oder nicht war schwer zu sagen.
Also sprach er weiter:
"Ich würde dir überallhin folgen, ich würde dir alles geben, egal wohin du zu rennen versuchst. Ich würde dich immer unterstützen, dir die Welt zu Füßen legen. Mein Herz hast du schon längst. Es hat dir schon immer gehört.
Ich liebe dich.
Ich liebe dich so sehr, dass es physisch schmerzt nicht bei dir zu sein,so sehr, dass ich ohne dich nicht träumen,, geschweige denn schlafen, kann!
Aber es darf nicht sein. Es darf einfach nicht sein und deshalb habe ich mich entschlossen dich gehen zu lassen. " Bei diesen Worten brach seine Stimme fast und doch Zwang er sich weiter zu sprechen. "Es würde uns beide zerreißen uns so nahe zu sein, aber niemals wirklich zusammen sein zu dürfen.
Ich will, dass du gehst, weil ich hoffe, dass du irgendwo dort draußen dein Glück findest, weil ich hoffe, dass du deine Bestimmung eines Tages annehmen kannst.
Ich glaube wir würden niemals glücklich werden. Zumindest nicht so wie es jetzt ist... "
Diese Sätze hatte er um Worte ringend herausgewürgt. Es fiel im schwer zu atmen, sich zu beherrschen. Der Schmerz schnürte ihm die Kehle zu. Aber ein Zusammenbruch würde jetzt niemanden helfen.
Kurz umhüllte die beiden Schweigen.
Jeder schien in seinen Gedanken zu ertrinken, verzweifelt nach einer anderen Möglichkeit suchend, in der Hoffnung, dass es nicht so enden muss, wie es eigentlich schon in Stein gemeißelt stand.
Doch da ist nichts.
Keine Möglichkeit.
Kein Entkommen.
Und so schwindet die Hoffnung.
Sie bröckelt, löst sich Stück für Stück, Sekunde um Sekunde, in leblosen Brocken auf, die in das Meer vor ihnen stürzen und endgültig verschwinden.Zum ersten Mal ist ihre Stimme zu hören.
"Also heißt es Abschied nehmen."
Wieder keine Frage, sondern eine Feststellung.
"Es sieht danach aus", bringt er gerade so heraus.
Sie sehen sich in die Augen.
Sie sehen den Schmerz, die Liebe, das Leid, die Angst, das Bedauern, sie sehen due Worte, die nicht ausgesprochen werden müssen.Und dann, nach Ewigkeiten, die so lang dauerten, dass die Zeit selbst atemlos auf das nächste Geschehen wartete, drehte sie sich um und ging.
Dieses Mal rannte sie nicht.
Nein.
Diesmal rannte sie nicht weg.
Sie wurde praktisch weggeschliffen.
Alles in ihr streubte sich dagegen und doch musste sie es tun.
Das Unausweichliche lag vor ihr. Und es gab kein entrinnen.
Also ging sie.
Der Wind war ihr Zeuge.
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Florilèges
Short StoryEinfach eine kleine Sammlung von One shots und kurzen Texten, wenn mich die Inspiration überfällt ~ unregelmäßige Updates 👆🏻 not my picture, credits to the owner